Empfehlungen für die Jodversorgung bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren
Marcus SefrinJod ist in Deutschland immer noch ein kritischer Nährstoff bei Kindern und Jugendlichen. Was bedeutet das für die Praxis?
Deutschland gilt als Gebiet mit leichtem bis mäßigem Jodmangel. Über die alleinige Verwendung natürlicher Lebensmittel wird hierzulande keine ausreichende Jodzufuhr erreicht, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Um diese Lücke zu füllen, wird als zusätzliche Jodquelle jodiertes Salz als realistische und praktisch machbare Lösung angesehen – als jodiertes Speisesalz beim Kochen in der heimischen Küche und als jodiertes Salz beim Einsatz in der industriellen Lebensmittelproduktion.
Herausforderungen bei der Jodversorgung: Einfluss von Ernährungstrends und Lebensmittelindustrie
Deutschland ist ein Land ohne universelle Jodsalzpolitik, also ohne verpflichtenden Zusatz von Jod zum Salz. Um der freiwilligen Verwendung auf die Sprünge zu helfen, geht das Bundesernährungsministerium seit Herbst 2023 mit der Kampagne „Wenn Salz, dann Jodsalz“ in die Offensive, um der rückläufigen Jodaufnahme in Deutschland entgegenzuwirken. Adressiert werden sollen damit sowohl Verbraucher als auch die Lebensmittelwirtschaft. Denn beide Gruppen haben hier zum Teil Optimierungspotenzial: Im Privathaushalt können der Verzicht auf Salz aus gesundheitlichen Gründen und der Trend hin zu einer pflanzlichen Ernährung eine bereits knappe Jodaufnahme zusätzlich beeinträchtigen und das Risiko für eine niedrige Jodzufuhr deutlich unterhalb der Referenzwerte erhöhen. Bei der kommerziellen Herstellung von Lebensmitteln wie Brot oder Fertigprodukten ist die Verwendung von jodiertem Salz gesunken und gilt als gering. Über diese Quellen erfolgt jedoch ein großer Teil der gesamten Salzzufuhr der Bevölkerung, daher liegt hier der größte Hebel zur besseren Jodversorgung.
Jodbedarf bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren: Wer ist besonders gefährdet?
Diese Entwicklung macht auch vor Kindern und Jugendlichen nicht halt. Das Risiko einer Unterversorgung mit Jod besteht insbesondere für Gruppen wie Schwangere und stillende Mütter, aber auch für Säuglinge, Kinder und Jugendliche. Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin betont in einem Positionspapier, dass Kinder und Jugendliche mit vegetarischen Kostformen ohne Jodsupplementierung stärker gefährdet sind, einen Jodmangel zu entwickeln. Für Kinder sind beispielsweise Milchprodukte eine wichtige Jodquelle. Die meisten pflanzlichen Milchalternativen auf dem Markt wie Hafer- oder Sojamilch sind aber nicht mit Jod angereichert, unter anderem aufgrund gesetzlicher Beschränkungen in der Zulassung von Zusatzstoffen bei Bioprodukten.
Risiken durch Verzicht auf klassische Jodquellen und pflanzenbasierte Ernährung
Werden relevante Jodquellen aus der Ernährung gestrichen, steigt das Risiko für einen Jodmangel. Dies sollte durch die bevorzugte Auswahl jodangereicherter Lebensmittel wie Brot und jodiertes Speisesalz kompensiert werden.
Jodsupplementierung in Schwangerschaft und Stillzeit: Empfehlungen und Umsetzung
In der Schwangerschaft und während der Stillzeit empfiehlt das „Netzwerk Gesund ins Leben“ eine Jodsupplementierung von 100 bis 150 µg/Tag. Bei schwangeren Frauen mit geringer Jodzufuhr könnten eine individuelle Beratung und Supplementierung erforderlich sein; dies kann zum Beispiel im Fall von restriktiven Diäten gelten. Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen sollen sich vor der generell empfohlenen Supplementierung ärztlich beraten lassen; bei Hashimoto-Thyreoiditis ist eine Jodaufnahme in Höhe des Bedarfs in aller Regel unproblematisch.
Vom Verzehr von Algen- und Algenprodukten in der Schwangerschaft wird abgeraten, da Algen stark schwankende und teilweise sehr hohe Jodgehalte aufweisen und zudem reich an Arsen und anderen Kontaminanten sein können.
Supplementierungspraxis in Deutschland: Ergebnisse der SuSe II-Studie
Eine Auswertung der SuSe II-Studie zeigte, dass die in Deutschland empfohlene Supplementierung von Mikronährstoffen in Schwangerschaft und Stillzeit häufig nicht vollumfänglich umgesetzt wird: 49,0 Prozent der befragten Mütter supplementierten Jod, 80,4 Prozent Folsäure. Doch nur 31,9 Prozent der befragten Mütter setzten dabei die Empfehlung zur Jod-Supplementierung auch nachweislich um, 36,2 Prozent die für Folsäure; beide Empfehlungen setzten nur 15,2 Prozent der Befragten um. Die Supplementierung mit Jod wurde im Allgemeinen zu früh beendet, die mit Folsäure zu spät begonnen, fassten die Autoren zusammen. Prädiktoren dafür, beiden Empfehlungen zu folgen, waren Lebensstilfaktoren, zum Beispiel eine vegetarische oder vegane Ernährung, und ernährungsbezogene Absichten wie der Plan zu stillen, übliche soziodemografische Charakteristika dagegen waren weniger wichtig. SuSe II ist eine deutschlandweite Kohortenstudie zu Stillen und Säuglingsernährung und wurde 2017 bis 2019 durchgeführt. Der webbasierte Fragebogen zur Supplementierung wurde von 962 Teilnehmerinnen 14 Tage nach Geburt ausgefüllt.
Jodversorgung bei Säuglingen in der Beikostphase
Bei Säuglingen bleibt während der Beikostphase die Jodzufuhr in Deutschland nach Modellrechnungen der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin unter dem Referenzwert. Das galt für alle untersuchten Szenarien, aber das Defizit variierte erheblich je nach Wahl der Milch. Modelliert wurde, dass die stillende Mutter entweder Jod supplementiert oder nicht. Für Kuhvollmilch im Milch-Getreide-Brei der Beikost wurde angenommen, dass die Milch entweder aus konventioneller Tierhaltung oder aus ökologischer Landwirtschaft stammt. Biomarkerdaten über den Jodversorgungsstatus von Säuglingen während der Beikostphase liegen für Deutschland nicht vor.
Doppelte Herausforderung: Jodmangel und Salzreduktion in der Prävention
Die Weltgesundheitsorganisation WHO beschreibt die sogenannte natriumbasierende Gesundheitspolitik als „Doppelaufgabe“: Es solle gleichzeitig Unterernährung, was Mikronährstoffmangel einschließt, sowie Überernährung und ernährungsbedingte nichtübertragbare Krankheiten, etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bekämpft werden. Konkret solle der Schwerpunkt auf Strategien zur Verringerung der Gesamtsalzaufnahme liegen, wobei aus Sicht der WHO das gesamte in Haushalten und in der Lebensmittelindustrie verwendete Salz jodiert sein und die Jodkonzentration im Salz erforderlichenfalls sorgfältig überwacht und angepasst werden sollte.
Industrielle Jodsalzverwendung: Aktuelle Zahlen und Trends
In Deutschland zeigen Daten aus dem Jahr 2023 zur industriellen Verwendung von Jodsalz aber eine rückläufige Tendenz: Für die Produktgruppen Brot und Kleingebäck, Wurstwaren und weitere Fleischerzeugnisse war der Anteil an Produkten mit Jodsalz mit 35,5 Prozent bei Wurstwaren am höchsten. Bei weiteren Fleischerzeugnissen betrug der Anteil 14,8 Prozent. Bei Brot und Kleingebäck war nur in 9,8 Prozent der Produkte, bei denen Salz in der Zutatenliste aufgeführt war, Jodsalz enthalten. Damit war der Anteil an Produkten mit Jodsalz bei allen drei Produktgruppen 2023 geringer als 2020. Angesichts der Ernährungs- und Einkaufstrends kann für die Versorgung der Bevölkerung auch relevant sein, dass in Produkten aus biologischer Erzeugung 2023 Jodsalz nur selten verarbeitet wurde.
Strategien zur Verbesserung der Jodversorgung in Deutschland
Auch eine geringfügige Erhöhung des Jodgehalts in jodiertem Salz wird als Maßnahme zur besseren Jodversorgung in Deutschland diskutiert. Nach Modellrechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) müssten bei einer zu erwartenden Reduktion des Salzverzehrs um zehn Prozent und gleichzeitiger Erhöhung des Jodgehaltes im Salz um 5 mg/kg (auf dann 25 mg/kg) etwa 36 Prozent aller Lebensmittel mit Jodsalz hergestellt werden, um eine adäquate Jodaufnahme der Bevölkerung zu gewährleisten.
Praktische Empfehlungen für Ärztinnen und Ärzte zur Jodversorgung
Was können Kinder- und Jugendärzte zur Sicherstellung einer adäquaten Jodzufuhr im Kindes- und Jugendalter in Deutschland empfehlen?
Generelle Verwendung von jodiertem Speisesalz im Haushalt.
Bevorzugung von Lebensmitteln, insbesondere Brot und Fleischwaren, die unter Verwendung von jodiertem Speisesalz hergestellt wurden; bei der Identifizierung hilft die Kennzeichnung.
Regelmäßiger Verzehr von Milch und Seefisch. Beim Verzehr von pflanzenbasierten Milchalternativen sollten mit Jod angereicherte Produkte bevorzugt werden – diese Anreicherung ist nicht die Regel.
In Schwangerschaft und Stillzeit wird nach vorheriger Jodanamnese eine tägliche Supplementierung der Mutter mit 100 bis 150 µg Jod in Tablettenform empfohlen.
In der Beikostphase sollte bei selbsthergestellter Beikost die Versorgung des Säuglings mit 50 µg Jod supplementiert werden; die Tablette kann in etwas Flüssigkeit aufgelöst werden.
Kalhoff H et al. Monatsschr Kinderheilkd 2025; https://doi.org/10.1007/s00112-025-02250-5