Telefontraining für MFA: Freundlich bleiben, auch beim 50. Anruf
Marzena SickingDas Praxistelefon klingelt ununterbrochen, die Geduld schwindet. Medizinische Fachangestellte verbringen einen Großteil ihrer Arbeitszeit am Telefon – oft unter hohem Druck. Mit den richtigen Techniken gelingt es Ihnen, auch in stressigen Situationen professionell und freundlich zu bleiben.
Warum Telefondienst so anstrengend ist
Das Telefon ist für Praxen und MFA Fluch und Segen zugleich. Es ermöglicht eine schnelle Kommunikation mit Patienten und Dienstleistern, doch es unterbricht auch ständig den Arbeitsfluss. Während man die Anmeldung organisiert, Befunde sortiert oder ein Patient abgerechnet werden muss, klingelt es. Und klingelt. Und klingelt...
Die psychische Belastung, die durch den zusätzlichen Stress und die ständigen Unterbrechungen entsteht, wird häufig unterschätzt. Auch wenn man denkt, man würde „mal eben“ rangehen: Jedes Gespräch erfordert volle Konzentration und meistens auch noch Empathie und Lösungskompetenz. Gleichzeitig fehlt bei einem Telefonat ein entscheidender Faktor der zwischenmenschlichen Kommunikation: die Körpersprache, der Blick ins Gesicht des Gegenübers. Das birgt die hohe Gefahr von Missverständnissen. Am Telefon bleibt einem nur die Stimme. Und da man als MFA immer professionell bleiben muss, muss sie Freundlichkeit, Kompetenz und Verständnis transportieren, selbst wenn es der 50. Anruf ist und die Nerven der Praxismitarbeiter längst blank liegen.
Die Stimme als Werkzeug verstehen
Umso wichtiger ist es, dass MFA sich immer wieder bewusst machen: Ihre Stimme verrät dem Gesprächspartner in der Leitung immer mehr als die gesprochenen Worte. Tonlage, Tempo und Lautstärke beeinflussen, wie eine Botschaft beim Patienten ankommt. Eine zu schnelle Sprechweise wirkt gehetzt und vermittelt Stress. Eine monotone Stimme signalisiert Desinteresse. Zu leises Sprechen erweckt den Eindruck von Unsicherheit.
Deshalb: Bevor Sie ans Telefon gehen, atmen Sie einmal tief durch. Bewusstes Sprechen beginnt tatsächlich immer mit der richtigen Atmung. Wer flach atmet, klingt gepresst. Tiefe Bauchatmung sorgt für eine tragfähige, ruhige Stimme. Vor wichtigen oder schwierigen Gesprächen wirkt ein bewusster, tiefer Atemzug somit Wunder. Er gibt der Stimme mehr Volumen und man wirkt automatisch viel ruhiger.
Die Sprechgeschwindigkeit sollte ebenfalls angepasst und bewusst ruhiger bzw. langsamer gehalten werden. Vor allem ältere Patienten oder Menschen mit Sprachbarrieren brauchen ein langsameres Tempo. Bei Routineanrufen darf es etwas zügiger gehen. Entscheidend ist die Variation: Eine lebendige Stimme bleibt interessant, eine monotone ermüdet.
Ein oft unterschätzter Faktor beim Telefonieren ist auch die Körperhaltung. Wer beim Telefonieren lächelt, klingt freundlicher, das ist sogar neurologisch nachweisbar. Die Gesichtsmuskulatur beeinflusst die Stimmbänder und deshalb kann man gute Laune auch hören. Auch die Sitzposition macht einen Unterschied: Aufrecht sitzen ermöglicht bessere Atmung und man klingt viel selbstbewusster als wenn man zusammengesackt über dem Schreibtisch hängt.
Gesprächsführung: Struktur gibt Sicherheit
Dazu kommt: Chaotische Telefonate kosten Zeit und Nerven. Eine klare Struktur hilft beiden Seiten. Der Gesprächseinstieg setzt den Ton: Praxisname, eigener Name, freundliche Begrüßung. Diese Routine gibt Sicherheit und signalisiert Professionalität.
Wichtig ist es zudem, das Gegenüber ausreden zu lassen, selbst wenn man keine Zeit hat und schon genervt ist. Aktives Zuhören bedeutet, wirklich zu verstehen, was das Anliegen ist. Und diese Botschaft findet sich manchmal erst zwischen den Zeilen. Unklarheiten sollte man aber sofort mit Rückfragen klären: „Verstehe ich richtig, dass Sie...“ oder „Sie meinen also...“. Das vermeidet Missverständnisse und zeigt dem Anrufer, dass er ernst genommen wird.
Eine goldene Regel lautet, das Gespräch immer ruhig zu führen und ohne unhöflich zu werden. Das bedeutet nicht, dass man sich alles bieten lassen muss. Ungeduldige, aggressive oder übermäßig gesprächige Anrufer sollte man aber grundsätzlich nicht persönlich nehmen. Die Wut richtet sich selten gegen die MFA persönlich, sondern gegen die Situation: lange Wartezeiten, Schmerzen, Angst können hinter dem unhöflichen Verhalten stecken.
Und Sie können gegensteuern: Wer zu lange redet, braucht eine freundliche, aber bestimmte Umleitung: „Ich verstehe Ihr Anliegen. Damit ich Ihnen helfen kann, brauche ich noch folgende Information...“ Diese Technik holt abschweifende Gesprächspartner zurück zum Kern, ohne sie vor den Kopf zu stoßen. Bei aggressiven Anrufern hilft häufig die Technik der Deeskalation. Ruhig bleiben, auch wenn der andere laut wird. Die Emotionen anerkennen, ohne sich zu rechtfertigen: „Ich höre, dass Sie verärgert sind.“ Dann zur Lösung kommen: „Was kann ich jetzt für Sie tun?“
Manchmal ist ein Gespräch aber wirklich nicht zu retten. Wenn Beschimpfungen oder Bedrohungen kommen, ist die Grenze erreicht. Eine klare Ansage ist dann legitim: „Ich möchte Ihnen helfen, aber ich bitte um einen respektvollen Ton. Sonst muss ich das Gespräch beenden.“ Bleibt es dabei, darf aufgelegt werden – nach Rücksprache mit der Praxisleitung.
Pausen und Regeneration sind wichtig
Und vergessen Sie nicht: Dauertelefonieren erschöpft Sie mental. Ihr Gehirn braucht deshalb regelmäßige Pausen, um leistungsfähig zu bleiben. Wenn möglich, sollten Telefonzeiten mit anderen Tätigkeiten abgewechselt werden. Zehn Minuten Akten sortieren oder Labor vorbereiten geben dem Kopf eine Pause von der verbalen Dauerschleife. Mikropausen zwischendurch helfen ebenfalls. Nach einem schwierigen Gespräch kurz durchatmen, Schultern kreisen, Blick aus dem Fenster. Diese 30 Sekunden Reset verhindern, dass sich Stress aufstaut.
Die Stimme braucht übrigens Pflege. Wenn Sie nach einem langen Praxistag und stundenlangem Telefondienst nicht heiser aus der Praxis gehen wollen, sollten Sie darauf achten, ausreichend trinken: Wasser oder ungesüßter Tee halten die Stimmbänder geschmeidig. Zu viel Kaffee oder Dauerbonbons können die Stimme hingegen belasten. Und: Wer den ganzen Tag spricht, sollte in der Pause nicht auch noch stundenlang telefonieren.
Technik nutzen statt bekämpfen
Nutzen Sie zur Entlastung die Segen der modernen Technik, Viele Telefonsysteme bieten bereits Funktionen, die den Alltag der MFA erleichtern. Warteschlangen verteilen Anrufe gleichmäßig. Rückruffunktionen entlasten in Spitzenzeiten. Gesprächsnotizen im System verhindern, dass Informationen verloren gehen oder dreimal das gleiche gefragt wird.
Auch die Mailbox ist ein legitimes Werkzeug, um die MFA zu entlasten. Zu bestimmten Zeiten – etwa während der Mittagspause oder bei Teambesprechungen – kann die Ansage darauf hinweisen, wann Rückrufe erfolgen. Das schafft konzentrierte Arbeitszeit für andere Aufgaben.
Überlegen Sie, welches Equipment Sie am Empfang noch brauchen. Headsets beispielsweise sind keine Luxusartikel, sondern gelebter Arbeitsschutz. Sie ermöglichen eine gesündere Körperhaltung, da die Hände frei für Notizen oder Computereingaben bleiben. Das macht effizienter und schont den Nacken.
Die Balance finden
Freundlichkeit am Telefon ist keine Dauerfassade, sondern eine professionelle Kompetenz. Trotzdem haben natürlich auch MFA schlechte Tage, sind müde oder genervt. Das dürfen sie auch sein. Entscheidend ist, mit diesen Momenten souverän und ohne Selbstvorwürfe umgehen zu können. Hilfreich ist hier eine realistische Erwartungshaltung: Nicht jedes Gespräch wird perfekt laufen. Manche Anrufer bleiben unzufrieden, egal wie sehr man sich bemüht. Die eigene Leistung sollte deshalb nicht daran gemessen werden, ob alle glücklich sind, sondern daran, ob man professionell und respektvoll gehandelt hat.
Standardformulierungen für typische Situationen
Bei hoher Wartezeit: „Aktuell haben wir sehr viele Anrufe. Kann ich Sie in 10 Minuten zurückrufen?“ (Statt: „Ich habe gerade keine Zeit“)
Keine Termine verfügbar: „Der nächste freie Termin ist am... Passt Ihnen das?“ (Statt: „Wir haben nichts frei“)
Ungeduldige Anrufer: „Ich verstehe, dass es dringend ist. Lassen Sie mich schauen, was möglich ist.“ (Statt: „Das geht nicht“)
Unklares Anliegen: „Damit ich Ihnen am besten helfen kann: Worum geht es genau?“ (Statt: „Was wollen Sie denn jetzt?“)
Weiterleitung nötig: „Dafür ist Frau/Herr... zuständig. Ich verbinde Sie.“ (Statt: „Da bin ich nicht zuständig“)