Das Drama um die ärztliche Berufshaftpflicht
Marzena SickingOhne ausreichenden Versicherungsschutz darf kein Arzt seinen Beruf ausüben. Eigentlich. Denn das System rund um die ärztliche Berufshaftpflicht hat mehr als nur eine Schwachstelle.
„Schutzlos beim Doktor“ oder „Ärzte behandeln ohne Versicherung.“ Schlagzeilen wie diese häufen sich in jüngerer Vergangenheit – meist gefolgt von dramatischen Berichten über Patienten, die Opfer eines Behandlungsfehlers wurden und nun, mangels entsprechender Versicherung, dem finanziellen Ruin anheimfallen.
Doch ist der niedergelassene Arzt ohne Berufshaftpflichtversicherung wirklich ein Massenphänomen? Oder wird das Risiko des finanziellen Schadens nur maßlos übertrieben?
Valide Zahlen sind schwer zu bekommen
Fakt ist: Je nach Fachbereich können die Beiträge zu einer Berufshaftpflichtversicherung horrend sein. Gerade in besonders haftungsträchtigen Fachgebieten, wie etwa der Gynäkologie, müssen Ärzte immer tiefer in die Tasche greifen, um ihre Risiken mit ausreichendem Versicherungsschutz abzusichern. Für Freiberufler kann das eine fast unzumutbare finanzielle Belastung bedeuten. Der Berufsverband der Chirurgen klagte bereits vor Jahren, dass gynäkologisch tätige Belegärzte zum Teil Prämien von bis zu 60.000 Euro pro Jahr bezahlen müssten: Das liegt nicht etwa daran, dass die Zahl der Haftungsfälle in diesem Bereich sich erhöht hätte: Nach Analysen des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist die Hauptursache für die Beitragssprünge vielmehr in der stark gestiegenen Schadenshöhe je Fall zu sehen. Die patientenfreundliche Rechtsprechung spielt dabei – nicht erst seit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im Februar 2013 – eine wichtige Rolle.
Ob der vorgeschriebene Versicherungsschutz tatsächlich besteht, wird im Grunde nicht kontrolliert. Die Versuchung, sich die Beiträge für die teure Berufshaftpflichtversicherung zu sparen, ist damit vorhanden.
Verlässliche Erhebungen, denen zufolge sich die Ärzte in Deutschland massenweise die teuren Beiträge sparen, gibt es trotzdem nicht. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Verzicht auf die Police ein Massenphänomen ist, vergleichsweise gering.
Sparen am falschen Ende
Zum einen sind Ärzte verpflichtet, vor Aufnahme ihrer beruflichen Tätigkeit eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. So steht es in den Heilberufe- und Kammergesetzen der Länder und in der Musterberufsordnung für Ärzte. Ebenso sind sie verpflichtet, den Versicherungsschutz während ihrer gesamten Berufstätigkeit aufrechtzuerhalten.
Die Bundesärzteordnung sieht zudem vor, dass die Approbationsbehörden das Ruhen der Approbation anordnen können, wenn der Versicherungsschutz eines Kollegen nicht ausreicht, um die Haftungsrisiken abzudecken, die die Berufsausübung mit sich bringt.
Und zum anderen sparen Ärzte, die (gesetzeswidrig) auf einen solchen Schutz verzichten, am völlig falschen Ende – denn schon ein einzelner Haftungsfall kann (ohne Regulierung einer Assekuranz) den finanziellen Ruin bedeuten. Der Arzt haftet dann nämlich mit seinem Privatvermögen – in unbegrenzter Höhe.
Risiken bleiben
Eine Gewissheit, dass jeder Niedergelassene wirklich ausreichend versichert ist, gibt es allerdings ebenso wenig. Denn die Bundesärztekammer kontrolliert weder, ob ein Arzt eine Haftpflichtversicherung besitzt, noch sanktioniert sie deren Fehlen. „Bei begründeten Zweifeln am Bestehen eines Versicherungsschutzes hat die zuständige (Landes-)Ärztekammer lediglich die Kompetenz, das Bestehen des Versicherungsverhältnisses zu überprüfen und den Arzt ggf. zum sofortigen Abschluss einer Haftpflichtversicherung und zur Vorlage des diesbezüglichen Nachweises aufzufordern“, sagt Samir Rabbata, Sprecher der Bundesärztekammer in Berlin.
Weiteres Problem: Eine Mindestdeckungssumme für die unterschiedlichen Fachrichtungen ist in den einschlägigen Gesetzen nicht festgelegt. Da die Beitragslast mit der Deckungssumme steigt, ist daher nicht auszuschließen, dass Niedergelassene im Einzelfall nicht (mehr) ausreichend versichert sind.