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Geldanlagen

Das neue Jahr beginnt mit Wortungetümen, die praktisch jeden Bankkunden betreffen: EU-Zahlungsdienstrichtlinie Payment Service Directive (PSD) 2, Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) II und Investmentsteuerreformgesetz. Das sind die wesentlichen Auswirkungen der umfangreichen Spielregeländerungen in der Finanzbranche:

Besseres Banking durch PSD 2

„Die neue Richtlinie macht Vieles einfacher und schneller“, sagt Andreas Glogger, Geschäftsführer und Inhaber der Krumbacher GLOGGER & PARTNER Vermögensverwaltung. Etwa bei Schreibfehlern in Überweisungen, da ist die Bank künftig verpflichtet, alle verfügbaren Informationen über den unberechtigten Empfänger herauszugeben. Auch die Haftungsgrenze bei Missbrauch von Karten oder Online-Banking sinkt von maximal 150 Euro auf 50 Euro, natürlich nur, wenn keine grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz vorliegen. Dafür werden die Sicherheitsvorgaben strenger: Die Zwei-Faktoren-Authentifizierung wird Pflicht. Übersetzt heißt das, das alte, relativ unsichere Online-Banking-Verfahren mit Papier iTAN-Liste wird endgültig abgeschafft und beispielsweise durch die Kombination einer PIN-Eingabe mit einem extra TAN-Generator ersetzt. Wesentlich einfacher wird es dagegen, Unternehmen den Zugriff aufs eigene Konto zu erlauben. Datenschützer und so mancher Sicherheitsexperte warnen zwar vor dieser Option, aber auf der anderen Seite wird dadurch eine rechtliche Grundlage für die rasante Entwicklung in der elektronischen Finanzwelt geschaffen. Das Bezahlen in Onlineshops oder die Verwaltung mehrerer Konten durch eine Banking-App soll dadurch erleichtert werden. Jeder kann künftig selbst entscheiden, ob er solchen Anbietern den Zugriff auf das eigene Konto und damit auch auf wertvolle Daten geben möchte.

Transparenteres Anlegen mit MiFID II

Ganz dringend müssen Unternehmen handeln, die in 2018 Geld am Kapitalmarkt anlegen wollen. Sie brauchen einen Legal Entity Identifier (LEI), denn ohne Identifikationsnummer lassen sich keine Wertpapiere mehr kaufen. Privatpersonen hingegen benötigen den LEI nicht. Wissen sollte man aber, dass ab dem Jahreswechsel Telefongespräche mit dem Anlageberater aufgezeichnet werden. So soll sichergestellt werden, dass ausreichend auf Risiken hingewiesen wird und kundengerechte Produkte empfohlen werden. Zudem wird künftig genau über alle Kosten aufgeklärt, von den Gebühren und Provisionen beim Kauf über die zu erwartenden laufenden Kosten bis zu den Verkaufsentgelten. „Das macht aus meiner Sicht absolut Sinn“, sagt Investmentexperte Glogger, denn zum Beispiel bei Investmentfonds mit Beratung seien bisher sichtbare oder versteckte Kosten von bis zu vier Prozent pro Jahr zum Tragen gekommen: „In zehn Jahren verliert der Kunde dadurch immerhin 40 Prozent seines Vermögens an Kosten.“ Allerdings hat die hohe Transparenz auch ihren Preis. Für die Finanzbranche wird es immer aufwendiger und teurer, Kunden regelkonform zu beraten. Das könnte dazu führen, dass es sich schlicht nicht mehr lohnt, so etwas für jeden anzubieten (s. Interview auf der nächsten Seite).

Neues Investmentsteuergesetz

Die gute Nachricht vorweg: „Die Änderungen sind überschaubar und bringen für die allermeisten Anleger unter dem Strich keine Nachteile“, sagt Claus Walter, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Freiburger Vermögensmanagement. Investmentfondsbesitzer werden vielleicht über neue Begriffe wie Vorabpauschale oder Teilfreistellung in ihren Bankunterlagen stolpern, aber kaum jemand muss deswegen mehr Steuern zahlen. Manche können sich sogar etwas sparen, denn für die Steuererklärung werden gerade bei ausländischen Fonds weniger Dokumente gebraucht. Allerdings gibt es eine erhebliche Verschlechterung: Bisher waren Fonds, die vor 2009 erworben wurden, von der Abgeltungssteuer befreit. Diese Altfondsregelung wird zum Jahreswechsel ausgehebelt. Alle Produkte werden einfach einmal aus- und eingebucht, damit verlieren sie ab da den Bestandsschutz. Jedoch wird auch diese Änderung viele nicht treffen, denn für Erträge, die ab dem nächsten Jahr mit solchen Fonds erzielt werden, gilt ein Freibetrag von 100.000 Euro pro Person. Bei Riester- und Rürupverträgen bleibt zudem alles automatisch beim Alten.

Die neuen Finanzspielregeln ab 2018 in Stichworten

• Haftungsgrenze für Kontomissbrauch sinkt von 150 auf 50 Euro
• iTAN-Papier-Verfahren beim Online-Banking läuft aus
• Bankkunden können Unternehmen den Zugriff auf das eigene Konto erlauben, um Bezahlvorgänge und externe Verwaltung zu erleichtern
• Unternehmen brauchen zum Wertpapierhandel einen Legal Entity Identifier. Eine Beantragung ist möglich beim Bundesanzeiger Verlag (www.leireg.de ), dem WM Datenservice (www.wm-leiportal.org) oder GS1 Germany (www.lei-direct.de).
• Telefongespräche mit dem Anlageberater werden aufgezeichnet
• Alle Kosten von Anlageprodukten müssen offengelegt werden
• Investmentsteuerreform bringt unter dem Strich keine Nachteile
• Erträge von vor 2009 gekauften Fonds werden ab 2018 steuerpflichtig
• Bis dahin mit solchen Altfonds erzielte Gewinne bleiben befreit und für zukünftige gilt ein Freibetrag von 100.000 Euro pro Person, Riester- und Rürupverträge bleiben unberührt

Interview

„Kleinanleger haben keinen sinnvollen Marktzugang mehr“

Hartwig Webersinke, Professor für Finanzdienstleistungen und Dekan der Wirtschafts- und Rechtsfakultät der Hochschule Aschaffenburg, über die unerwünschten Folgen gut gemeinter Regulierung.

Sind die neuen Regeln für den Finanzinstrumentemarkt ein Fortschritt?
Webersinke: Die Europäische Union wollte mit MiFID II den Anlegerschutz verbessern, allerdings habe ich da ein paar Zweifel, ob das tatsächlich funktioniert. Auf der einen Seite ist die verbesserte Transparenz gut, denn gerade auf dem niedrigen Zinsniveau ist der relative Anteil der Kosten bei Finanzprodukten bedeutender geworden. Deswegen ist es eine gute Sache, dass Kunden jetzt Gebühren, Provisionen, etc. auf einen Blick erkennen können. Aber je höher die Auflagen für Beratungsprotokolle, Aufzeichnungspflichten usw. werden, desto weniger attraktiv wird es für die Finanzbranche, sich um Anlagesummen von 20.000 Euro oder weniger zu bemühen.

Wird damit das Ziel des Verbraucherschutzes verfehlt?
Webersinke: Der Markt wird immer stärker zweigeteilt, die Reicheren gehen zum spezialisierten Vermögensverwalter, während die mit kleinerem Vermögen höchstens beim Onlinebroker landen und ohne richtige Beratung handeln. Da dürfen wir uns dann nicht wundern, wenn trotz niedriger Zinsen noch immer der Großteil des deutschen Privatvermögens praktisch ohne Ertrag angelegt wird. Wir bräuchten dringend Regelungen, die es auch Kunden mit kleineren Vermögen ermöglichen, preiswert an Informationen zu kommen und so sinnvoll am Kapitalmarkt zu investieren.

Warum ist der Schritt auf den Kapitalmarkt für Menschen mit kleinem Vermögen so wichtig?
Webersinke: Nehmen wir an, jemand hat seit 2008 einen Betrag von 1.000 Euro auf dem Girokonto gespart, dann besitzt er heute noch immer 1.000 Euro und ist kein Risiko eingegangen. Aber die kumulierte Inflation lag in diesem Zeitraum bei etwa 15 Prozent, im Vergleich zu vor zehn Jahren liegt die Kaufkraft also nur noch bei circa 850 Euro. An Zinsniveau und Inflation wird sich auf absehbare Zeit wohl kaum etwas grundsätzlich ändern. Das heißt, wer versucht, auf diese Art Altersvorsorge zu betreiben, verliert in 50 Jahren rund die halbe Kaufkraft seines Ersparten und das werden gerade die weniger Vermögenden dann spüren.

Was wäre der bessere Weg?
Webersinke: Der angeblich so unsichere Kapitalmarkt bietet langfristig erheblich bessere Chancen als die auf den ersten Blick risikolosen klassischen Sparformen. Der Einstieg in die Aktienwelt ist auch mit wenig Geld möglich, etwa mit einem Fondsparplan ab 100 Euro im Monat. Da ist dann nur die Frage, welcher der über zehntausend in Deutschland zum Vertrieb zugelassen Fonds ist denn der richtige? An dieser Stelle wäre Beratung nötig, die sich aber bei Kleinanlegern nicht mehr rechnet.

Welchen Rat haben Sie für den normalen Anleger für das Jahr 2018?
Webersinke: Achten Sie auf die Diversifizierung, also eine gute Verteilung Ihres Vermögens. Das klingt erst einmal banal, aber wenn man sich das Privatvermögen der Deutschen ansieht, ist es ein wichtiger Tipp. Von insgesamt 5.723 Milliarden Euro entfallen 2.248 Milliarden auf Bankeinlagen und 2.175 Milliarden Euro auf Versicherungsansprüche, obwohl diese risikoarmen Anlageformen kaum mehr Erträge abwerfen. Nur etwa neun Millionen Bundesbürger besitzen überhaupt Aktien oder Fonds, die Mehrheit ist demnach überhaupt nicht wirklich diversifiziert.