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Geldanlagen

Nahost-Eskalation, Klimawandel, US-Präsidentschaftswahl im November: All das verunsichert aktuell die Wirtschaft. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten und ihre Entwicklung für 2020 ein?

Niedermeier: Lassen Sie uns dafür zunächst einen Rückblick auf das Jahr 2019 werfen. Das war tatsächlich ein Jahr, das stark von politischen Fragestellungen geprägt war. Nehmen Sie beispielsweise den Handelskonflikt USA/China oder auch den Brexit. Zudem hatte sich die Konjunktur leicht abgeschwächt. Insofern hoffen wir, dass 2020, was diese Fragen angeht, besser aussehen wird.

Natürlich gibt es die Nahost-Eskalation, natürlich haben wir die Präsidentschaftswahl im November, aber durch die im letzten Jahr getroffenen Einigungen – dem „phase-one“-Trade-Deal zwischen USA und China und zumindest der Klarheit, dass es einen Brexit geben wird – glauben wir, dass die politischen Unsicherheiten ein wenig abgenommen haben. Und wir sehen auch von der konjunkturellen Seite wieder eher positive Zeichen.

Man muss zwar abwarten, wie sich China konjunkturell entwickelt. Aber grundsätzlich sind wir für das Jahr 2020 positiv gestimmt. Wir hoffen und gehen davon aus, dass die Kapitalmärkte eine positive Entwicklung nehmen werden.

Der Dax hat sich im vergangenen Jahr auf jeden Fall gut entwickelt und nicht nur neue Rekorde, sondern sogar den höchsten Stand seiner Geschichte erreicht. Viele Anleger fragen sich nun: Lohnt sich der Einstieg in den Aktienmarkt noch oder sollte man besser warten, bis der Dax wieder runtergeht?

Niedermeier: Das Warten auf eine Korrektur ist aus unserer Sicht wenig vielversprechend. Und der Dax hat im neuen Jahr bereits gezeigt, dass er weitere Spitzenwerte erreichen kann: Am 24. Januar hat er mit 13.576,7 Punkten wieder einen neuen Höchststand auf Schlusskursbasis erreicht. Wir haben die Rekorde aus dem letzten Jahr also schon getoppt. Wer mit dem Vorsatz „ich warte auf eine Korrektur“ ins neue Jahr gegangen ist, wurde damit bereits eines Besseren belehrt. Deshalb: Ja, der Einstieg lohnt sich aus unserer Sicht auch heute noch.

Die Frage, die man sich aber unbedingt stellen sollte, lautet: Gehe ich mit dem ganzen Geld, das ich investieren möchte, rein oder eher ratierlich und investiere lieber über mehrere Etappen. Aber das muss jeder Anleger natürlich passend zu seiner Situation entscheiden. Hier kann man keinen allgemein gültigen Rat geben.

Dürfen Anleger denn auf eine ähnlich gute Entwicklung wie im vergangenen Jahr hoffen?

Niedermeier: Dass die Aktienmärkte die Performance aus dem letzten Jahr wiederholen, ist aus unserer Sicht eher unwahrscheinlich, denn das Aktienjahr war wirklich herausragend. Dennoch sehen wir für 2020 aufgrund des zu erwartenden Gewinnwachstums und der konjunkturellen Erholung weiteres Kurspotential.

Die Bereinigung der genannten politischen Unstimmigkeiten lässt zudem erwarten, dass es für sogenannte „risky assets“, also risikobehaftete Vermögensgegenstände, eine positive Entwicklung geben wird. Deshalb glauben wir, dass auch das Jahr 2020 ein Aktienmarkt-Jahr werden wird. Wenn auch sicherlich nicht vergleichbar mit 2019.

Für viele Menschen sind Aktien allerdings ein Buch mit 7 Siegeln, sie trauen sich nicht an das Thema ran oder haben nicht die Zeit, sich damit zu beschäftigen. Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Ärzten, die gerne in Aktien investieren würden, aber noch keinerlei Erfahrung mit dem Aktienmarkt haben?

Klaus Niedermeier

Klaus Niedermeier, Abteilungsleiter Investment Research bei der apoBank

Niedermeier: Wenn jemand bislang noch gar nicht im Aktienmarkt aktiv war, dann sollte er sich besser nicht nur ein Produkt oder einzelne Aktien aussuchen und da sein ganzes Geld draufsetzen. Da wäre es empfehlenswerter, mit einem breit aufgestellten Fonds anzufangen, der den Aktienmarkt in Europa abbildet oder den in den USA. Es gibt ja verschiedene Regionen, die man so abdecken kann. Wichtig wäre zudem, dass man hier erst mal auf die Erfahrung der Profis setzt und sich dementsprechend beraten lässt. Auch Investment-Sparpläne sind eine gute Möglichkeit für den Einstieg, da man hier mit kleineren Beiträgen monatlich anfängt zu sparen und sich so peu à peu dem Thema nähert.

Es gibt aber auch Anleger, die gerne ein Mitspracherecht bei einzelnen Aktieninvestments haben wollen, aber dennoch Beratung brauchen. Welche Tipps haben Sie für solche Anleger?

Niedermeier: Prinzipiell stehen unsere Berater natürlich gerne für einen Austausch zur Verfügung. Wenn der Arzt also nicht alleine entscheiden, sondern auf die Kenntnisse eines Wertpapierspezialisten zurückgreifen möchte, dann kann er das gerne mit unseren Beratern machen. Unsere Berater werden von uns mit Research-Material zu den einzelnen Unternehmen versorgt, wir als Bank haben zu allen Unternehmen aus dem DAX oder dem EuroStoxx 50-Index eine Meinung. Auf der anderen Seite steht natürlich aber auch die Verpflichtung des Anlegers, sich selbst mit den Unternehmen zu beschäftigen. Das lässt sich nicht vermeiden, wenn man beim Aktienkauf selbst aktiv werden möchte.

Also sollte man sich besser nicht selbst am Aktienkauf versuchen?

Man kann durchaus beide Optionen mischen. Beispielsweise einen gewissen Teil des Geldes in professionelle Hände, also an einen Berater oder Vermögensverwalter geben und zusätzlich einen gewissen Anteil vorhalten, der ein bisschen „Spielgeld“ ist. Den nutze ich, weil ich persönlich Spaß daran habe, mich mit den Finanzmärkten zu beschäftigen und probiere hier einfach mal etwas Neues aus. Natürlich immer in dem Bewusstsein, dass hier auch mal etwas schiefgehen kann, deshalb nur mit einem überschaubaren Betrag.

Abgesehen von Aktien: Welches sind aus Ihrer Sicht die derzeit interessantesten Anlageformen?

Niedermeier: Für uns ist es grundsätzlich wichtig, dass das Portfolio breit aufgestellt ist und eine gute Diversifikation beinhaltet. Deshalb gehören unserer Meinung nach, neben Aktien, nach wie vor auch Renten und Immobilien in ein Portfolio. Man kann außerdem über eine gewisse – aber begrenzte – Beimischung von Gold nachdenken.

Darüber hinaus empfiehlt sich eine gute Streuung über Regionen und z.B. bei Renten auch über Subsektoren. Das bedeutet, dass ich nicht nur in die aus unserer Sicht derzeit weniger attraktiven europäischen oder US-amerikanischen Staatsanleihen gehe, sondern auch in Unternehmensanleihen mit guter oder schlechterer Bonität oder in Staatsanleihen aus den Emerging Markets. Über eine gewisse Vereinnahmung von Risikoprämien erhält man so die Chance, auch noch eine gewisse Rendite zu erwirtschaften.

Ärzten, die Geld für ihre Kinder anlegen wollen, kommt es oft auf möglichst risikoarme Produkte an. Welche Geldanlage macht aus Ihrer Sicht hier Sinn?

Niedermeier: Ich weiß gar nicht, ob es gerade in solchen Fällen unbedingt risikoärmer sein muss. Das glaube ich eigentlich nicht. Ich glaube eher daran, dass jeder sein eigenes Risikoprofil hat und man die Geldanlage danach ausrichten sollte.

Bei einer Geldanlage für Kinder reden wir außerdem meistens über einen längeren Zeitraum. Ich glaube, gerade da bietet sich das Thema Aktien gut an. Aufgrund des längeren Horizonts ist die Wahrscheinlichkeit nämlich hoch, dass am Ende immer eine positive Rendite steht – selbst wenn die einzelnen Aktieninvestments zwischenzeitlich nicht ganz so gut performen.

Am besten lässt sich dies anhand des Renditedreiecks des Deutschen Aktieninstituts veranschaulichen. Daran lässt sich gut ablesen, wie sich das Vermögen entwickelt hätte, wenn man z.B. über ein, zwei, drei, vier Jahre in die Aktien aus dem DAX investiert hätte. Und das Renditedreieck zeigt – zwar nicht in 100 Prozent der Fälle, aber doch bei einem sehr hohen Anteil der Aktieninvestments – dass man nach 5 Jahren in den meisten Fällen einen positiven Wertbeitrag erzielt hätte, der je nach Investitionsjahr sogar im zweistelligen Bereich liegen kann, aber zumindest im mittleren oder im hohen einstelligen Bereich. Je länger die Zeiträume sind, in die ich investiere, desto sicherer wird es, dass ich einen positiven Wertbeitrag per anno habe.

Wenn ich für meine Kinder sparen würde, wäre das der Weg, den ich heute gehen würde: Einen entsprechenden Investment-Sparplan machen, bei dem man monatlich einen Betrag X einzahlt, und das einfach laufen lassen, ohne da groß was daran zu verändern.

Die Niedrigzinsphase macht viele Anlageformen derzeit eigentlich uninteressant. Gibt es trotzdem noch Gründe, z.B. auf Festgeld zu setzen? Wie sonst soll man sein Geld anlegen, wenn man kein hohes Risiko eingehen möchte?

Niedermeier: Im Vergleich zu vor 10 Jahren muss man heute als Investor bereit sein, etwas mehr Risiko einzugehen, wenn man Rendite erwirtschaften möchte. Deshalb gehören für uns in ein entsprechendes Portfolio auch für einen eher risikoscheuen Anleger nicht nur Renten, sondern auch die Bausteine Immobilien und Aktien mit rein. Die Details hängen immer davon ab, welche Risikoneigung der Arzt hat. Aber Tatsache ist, dass sie auf Festgelder heute überhaupt keine Zinsen mehr bekommen oder wenn, dann im Nullkommabereich. Das ist nicht mehr attraktiv.

Deshalb muss ich, wenn ich zum Bespiel im Rentenbereich unterwegs bin, und eigentlich sicher investieren will, trotzdem gewisse Risiken reinnehmen, beispielsweise mit anderen Subsegmenten oder Unternehmensanleihen, die ich vorhin schon angesprochen habe. Unternehmensanleihen schlechterer Bonität oder auch Staatsanleihen der Emerging Markets, sind gewisse Risikobausteine aus dem Rentensegment, die man mit dazu nimmt, wenn man Rendite erzielen möchte.

Das heißt aber im Endeffekt auch, wenn ich ein bisschen mehr Risiko eingehen möchte, muss ich auch bereit sein, mich mit diesen Risiken zu beschäftigen. Das kann ich selber machen, das kann ich aber natürlich auch in Begleitung eines Beraters machen oder durch eine Vermögensverwaltung machen lassen. Hier muss jeder für sich selber entscheiden, welchen Weg er für den richtigen hält.

Nicht nur vermögende Anleger haben in den letzten Jahren aufgrund der Zinssituation verstärkt in Immobilien investiert. Nun sind die Preise massiv gestiegen, teilweise wird schon vor einer Immobilienblase gewarnt. Besteht die Gefahr tatsächlich? Oder werden die Preise eher noch weiter steigen?

Niedermeier: Für uns gehören Immobilien wie gesagt nach wie vor zum Portfolio dazu. Ich glaube allerdings, man muss mittlerweile schon ein bisschen genauer hinschauen, in welche Immobilie man investiert. Auch in boomenden Metropolen darf man nicht einfach alles blind kaufen, man muss heute viel mehr auf die Mikrolagen achten. Wir gehen aber nicht von einer Immobilienpreisblase aus.
Das niedrige Zinsniveau hat natürlich die Preise steigen lassen und wenn man in eine Immobilie investiert, zahlt man das, was man auf der Zinsseite spart, vermutlich auf der Hauspreisseite oben drauf. Aber da wir davon ausgehen, dass das Zinsniveau auch in den kommenden Jahren auf diesem Niveau bleiben wird, also nicht stark steigen wird, sehen wir auch nicht die Gefahr, dass die Immobilienpreise sich zurückentwickeln.

Was wir zuletzt gesehen haben ist, dass sich das Preiswachstum in den Metropolen verlangsamt hat, dennoch sehen wir hier weiterhin ein Wachstum. Ich glaube, auch in den nächsten Jahren kann man davon ausgehen, dass die Preise noch steigen werden. Wenn auch nicht mehr in dem Ausmaß wie bisher, aber nichtsdestotrotz werden sie weiter steigen.