Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Verstöße gegen die Vorschriften der Verordnung von Sprechstundenbedarf können Regressforderungen durch die Krankenkassen nach sich ziehen. Das Problem: Zum Teil ist der Wortlaut der Vereinbarungen nicht eindeutig oder missverständlich oder interpretationswürdig. Hieraus entstehen immer wieder Streitigkeiten über die Ordnungsmäßigkeit der Verordnung. Eine aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung könnte zu einer ärztefreundlichen Behandlung dieser Fälle führen.

Was gilt für die Verordnung von Sprechstundenbedarf?

Viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte benötigen in ihren Sprechstunden entsprechende medizinische Produkte für die Behandlung ihrer Patientinnen und Patienten. Die Verordnung von Sprechstundenbedarf ist dementsprechend geregelt, etwa in der Vereinbarung über die ärztliche Verordnung von Sprechstundenbedarf zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und verschiedenen Krankenkassen.

Unter anderem gilt die Einschränkung, dass der Sprechstundenbedarf nur solche Artikel umfasst, die für mehr als einen Patienten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet werden oder bei Notfällen für mehr als einen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen müssen. Der Sprechstundenbedarf ist nicht für die Versorgung von Privatpatienten sowie Unfallverletzten bei Arbeits- und Wegeunfällen vorgesehen.

Vielzahl von Regressen bezüglich der Verordnung von Sprechstundenbedarf

Diese Regelungen führen immer wieder zu Kontroversen, weshalb in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Regressen bezüglich der Verordnung von Sprechstundenbedarf ergangen sind. Das gilt über so gut wie alle ärztlichen Disziplinen hinweg. Dabei besteht immer die Frage, welche Dinge als Sprechstundenbedarf über die Sprechstundenbedarfsverordnung verordnet werden können.

Das Problem: Zum Teil ist der Wortlaut der Vereinbarungen nicht eindeutig oder missverständlich oder interpretationswürdig. Hieraus entstehen immer wieder Streitigkeiten über die Ordnungsmäßigkeit der Verordnung.

Regressforderungen durch die Krankenkassen häufen sich

In solchen Fällen werden die Rezeptverordnungen der Ärztinnen und Ärzte seit Längerem durch die Rezeptprüfstelle Duderstadt GmbH geprüft. Diese stellt dann – wenn aus deren Sicht eine Verordnung fehlerhaft gewesen ist – einen Antrag an die zuständige Prüfstelle der Ärztinnen und Ärzte und Krankenkassen, welche nach Prüfung einen Bescheid erlassen hat.

Verstöße gegen die Verordnungsvorschriften können Regressforderungen durch die Krankenkassen nach sich ziehen. Ist dieser Fall eingetreten, wird üblicherweise Widerspruch beim Beschwerdeausschuss und Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben. Der Beschwerdeausschuss ist dann auch Beklagter eines solchen Verfahrens.

Das spezialisierte Beraterteam für den Gesundheitssektor der WWS-Gruppe vertritt derzeit mehrere Orthopäden und Radiologen in solchen Fällen vor Gericht. Das zuständige Sozialgericht möchte prüfen, ob die Rezeptprüfstelle Duderstadt GmbH überhaupt antragsberechtigt für solche Verfahren beziehungsweise widerspruchsberechtigt ist. Das bedeutet: Es steht infrage, ob die Rezeptprüfstelle Duderstadt bei Regressforderungen überhaupt in Verfahren auftreten darf!

Mögliche Folge: keine inhaltliche Prüfung durch die Rezeptprüfstelle Duderstadt

Mit folgender Argumentation kann man hieran Zweifel haben: Für die Übertragung von hoheitlichen Pflichten auf die Rezeptprüfstelle Duderstadt als privater Dienstleister hätte es einer wirksamen Beleihung bedurft, und eine Bevollmächtigung gegenüber der Rezeptprüfstelle Duderstadt GmbH seitens der Krankenkassen ist nicht nachgewiesen.

Auch sei die Beauftragung der Rezeptprüfstelle Duderstadt durch die Krankenkassen rechtswidrig, da die Rezeptprüfstelle Duderstadt in unzulässiger Weise gegenüber den Krankenkassen Rechtsdienstleistungen erbringt, mithin gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verstoße.

Ferner mangele es an einer Beteiligungsfähigkeit der Rezeptprüfstelle Duderstadt im Sinne der Prüfvereinbarung (PV), sodass das Unternehmen nicht berechtigt sei, an Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren teilzunehmen. Darüber hinaus könne die Rezeptprüfstelle Duderstadt auch deshalb keinen wirksamen Widerspruch erheben, da das Unternehmen selbst nicht beschwert sei.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat vor diesem Hintergrund diverse von der WWS-Gruppe geführte Verfahren ruhend gestellt und möchte zunächst einmal in einem Musterverfahren klären, ob es dieser Auffassung generell folgen kann. Ist das der Fall, würde das zu einem grundsätzlich ärztefreundlichen Ausgang solcher Regressverfahren führen, da dann nicht mehr ohne Weiteres eine inhaltliche Prüfung durch die Rezeptprüfstelle Duderstadt stattfinden könnte.

Wie Ärzte auf das Ergebnis reagieren sollten

Sollte das zuständige Sozialgericht diese Haltung einnehmen, wäre zu empfehlen, dass Ärztinnen und Ärzte in Bezug auf sämtliche bereits bestandskräftig gewordenen Bescheide einen Antrag auf Aufhebung stellen, um von zurückliegenden Regressforderungen im Rahmen der Verordnung von Sprechstundenbedarf entbunden zu werden. Eine Aufhebung bestandskräftiger Bescheide ist grundsätzlich denkbar, wenn sich nach Eintritt der Bestandskraft die Ansicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung ändert.

Nun führt die Änderung der Haltung eines einzelnen Sozialgerichts noch zu keiner Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gegebenenfalls geht von der Entscheidung jedoch eine Signalwirkung aus, die sich auf andere Obergerichte erstrecken kann.

*Der Autor: Oliver Weger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht bei der Wirtz, Walter, Schmitz & Partner mbB Kanzlei für Medizinrecht in Mönchengladbach, Aachen und Nettetal. Seine Schwerpunkte sind die Beratung von (zahn-)ärztlichen Kooperationen, Käufern und Verkäufern von Praxen und das zahnärztliche Berufs-/Abrechnungsrecht. Weitere Informationen unter www.wws-gruppe.de und www.wws-gesundheitswesen.de