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Immobilien

Beim Schenken und Vererben spielt der Nießbrauch in der Praxis eine große Rolle. Was ist das überhaupt? Nehmen wir als Beispiel die wichtigste Fallgruppe, den Nießbrauch an Immobilien. Wem eine Immobilie gehört, der hat drei wichtige Rechte: das Recht auf die Vermögenssubstanz (juristisches Eigentum), das Recht auf die Erträge (wirtschaftliches Eigentum) und das Verwaltungsrecht. Durch Nießbrauch können die Rechte aufgespalten werden.

Steuergünstige Übertragung

Das Recht auf die Erträge und das Recht zur Verwaltung liegen beim Nießbrauchsberechtigten, das juristische Eigentum beim Eigentümer. Plastisch ausgedrückt: Die Kuh gehört dem Eigentümer, der Nießbraucher darf sie aber melken und die Milch verkaufen.

Bei vorweggenommener Erbfolge kann durch den Nießbrauch beispielsweise ein Mietshaus steuergünstig auf die nächste Generation übertragen und zugleich die wirtschaftliche Absicherung der Übergebergeneration gewährleistet werden. Man spricht in diesen Fällen von Vorbehaltsnießbrauch.

Beispiel: Der 60-jährige Vater schenkt seiner Tochter unter Nießbrauchsvorbehalt eine Gewerbeimmobilie im Wert von einer Million Euro (jährlicher Mietertrag netto 50.000 Euro). Rechnerisch wird der Kapitalwert des vorbehaltenen Nießbrauchs ermittelt, indem der Jahreswert der Nutzung von 50.000 Euro mit einem Vervielfältiger multipliziert wird (vorliegend 12,713). Der Kapitalwert des Nießbrauchsrechts liegt bei rund 635.000 Euro. Steuerlich ist die Schenkung nur rund 365.000 Euro (eine Million Euro abzüglich 635.000 Euro) wert. Da der Freibetrag der Tochter 400.000 Euro beträgt, fällt keine Schenkungssteuer an. Bei einem Erbfall wären mindestens 90.000 Euro Erbschaftssteuer fällig gewesen.

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten

Die vorweggenommene Erbfolge durch Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt bietet sich immer an, wenn die Übergebergeneration sicher ist, dass sie die Immobilie nicht verkaufen will. Auch in einem Testament findet sich häufig der Nießbrauch, oft als Zuwendungsnießbrauch. Beispiel: Die Ehegatten M und F haben erhebliches Vermögen und zwei Kinder. Verstirbt einer von ihnen und der andere möchte lediglich die Einnahmen aus Kapitalvermögen und Immobilien haben, bietet sich folgendes an: Der überlebende Gatte erhält nur den Nießbrauch am Nachlass, während das Vermögen direkt auf die Kinder übergeht. So vermeidet man die doppelte Besteuerung.

Doppel-Steuer vermeiden

Der Zuwendungsnießbrauch hilft viel Steuer sparen. Verstirbt ein Ehegatte, kann der überlebende Partner nur den Nießbrauch am Nachlass erhalten, das Vermögen des Erstversterbenden geht aber direkt auf die Kinder über. So vermeidet man, dass das Vermögen zweimal besteuert wird, einmal beim Übergang auf den Ehegatten und nochmal beim Übergang auf die Kinder.

Dr. Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht