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Finanzen

Das vergangene Jahr war ein gutes Jahr für Aktienanleger. Schließlich legte der Weltaktienindex MSCI World rund 31 Prozent zu. Gleichzeitig führten steigende Zinsen bei Industrieländer-Staatsanleihen zu Kursverlusten. Sie büßten gemessen am JP Morgan Global Government Bond Index 2021 etwa 1,8 Prozent ein.

Kursschwankungen an der Börse sind die Regel

Solche Kursschwankungen an den Kapitalmärkten, bei denen sich die Anlageklassen in unterschiedliche Richtungen entwickeln, sind eher die Regel als die Ausnahme. Und das sollten Anleger, die eine zu ihrer Risikoneigung und ihren Anlagezielen passende Vermögensallokation in ihrem Portfolio haben, bedenken. Denn dadurch verschiebt sich die Gewichtung zwischen den Anlageklassen.

„Mit der Folge, dass sich das Risikoprofil des Portfolios ändert und womöglich nicht mehr zur Risikoneigung des Anlegers passt“, sagt Stefan Eberhardt, Geschäftsführer von e/r/w Vermögensmanagement. Ein Beispiel: Jemand hat ein Portfolio, das je zur Hälfte aus Aktien und Anleihen besteht. Aufgrund der Kursbewegungen aber machen Aktien nach einiger Zeit 70 Prozent am Portfolio, Anleihen nur noch 30 Prozent.

„Das Portfolio beinhaltet nun, weil Aktienkurse stärker schwanken, deutlich größere Risiken als zu Beginn und es besteht die Gefahr, dass es in einem Aktiencrash zu hohen Verlusten kommt“, so Eberhardt. Aus diesem Grund sollten Anleger regelmäßig die Ursprungsallokation wieder herstellen, also ein sogenanntes Rebalancing durchführen.

Wie funktioniert Rebalancing bei Aktien?

Das funktioniert so: „Der Anleger verkauft die gut gelaufene Anlageklasse und schichtet so lange in die schlechtere Anlageklasse um, bis die Ausgangsgewichtung wieder hergestellt ist“, erklärt Ingo Schweitzer von der AnCeKa Vermögensbetreuung in Kaufbeuren.

Rebalancing kann aber nicht nur zwischen Anlageklassen, sondern auch innerhalb einer Assetklasse Sinn machen. So können im Aktienbereich eine Region oder eine Branche aufgrund der unterschiedlichen Kursentwicklung ein zu hohes Gewicht bekommen. „Wir empfehlen aber, da die meisten Unternehmen heute international tätig sind, sich eher auf die Branchengewichtung zu konzentrieren“, so Schweitzer.

Rebalancing Grafik
Hier ist der Technologiesektor, der in den vergangenen Jahren bis Anfang 2022 aufgrund der starken Kurszuwächse in vielen Portfolios einen recht hohen Anteil bekommen haben dürfte, ein gutes Beispiel. Wer ein Rebalancing durchführte, konnte Kursgewinne im Technologiebereich mitnehmen und schlechter gelaufene Branchen nachkaufen. Das dürfte sich in diesem Jahr ausgezahlt haben, da der Technologiesektor massiv an Wert einbüßte, während sich zum Beispiel die Energiebranche stärker entwickelte.

Dafür hätten in diesem Jahr Anleger wieder in den Technologiesektor umgeschichtet, der auf dem niedrigeren Bewertungsniveau nun ein größeres Renditepotenzial aufweist. „In der Tat ist es so, dass man mit Rebalancing nicht nur das Risiko im Portfolio managt, sondern im Idealfall aufgrund der antizyklischen Vorgehensweise eine Zusatzrendite erzielt“, folgert Eberhardt.

„Allerdings“, schränkt Schweitzer ein, „muss man für ein erfolgreiches Rebalancing sehr diszipliniert und konsequent vorgehen und es langfristig, also mindestens über fünf oder zehn Jahre hinweg, machen.“ Und noch etwas gilt es zu beachten: „Dabei fallen Transaktionskosten an, die zu Lasten der Rendite gehen“, so der Experte weiter. „Ich würde ein Rebalancing deshalb auch höchstens einmal im Quartal durchführen, besser ist aber halbjährlich oder einmal im Jahr.“

Experten unterscheiden in der Regel drei verschiedene Rebalancing-Strategien:
  1. Zeitgesteuert
    Dabei wird die Rekalibrierung des Portfolios in festen Zeitabständen durchgeführt. Experten raten meist dazu, dies halbjährlich oder jährlich zu tun. Der Vorteil: Die anfallenden Transaktionskosten werden gering gehalten. Allerdings erfolgt der Eingriff bei sehr starken Kursschwankungen womöglich zu spät.
  2. Wertabhängig
    Für die einzelnen Anlageklassen werden entweder feste Gewichtungen oder Bandbreiten festgelegt, wobei Bandbreiten als geeigneter erscheinen, da sonst laufende Anpassungen notwendig sind, was sehr hohe Kosten verursacht. Der Vorteil: Man reagiert immer dann, wenn es tatsächlich notwendig ist. Nachteil: Selbst bei Bandbreiten kann es zu sehr häufigen Umschichtungen kommen.
  3. Cashflow-Rebalancing
    Der Anleger führt immer dann ein Rebalancing durch, wenn ein höherer Betrag für Neuinvestitionen zur Verfügung steht. Das heißt, er kauft die Anlageklasse, die schlechter gelaufen ist, solange nach, bis die Ausgangsgewichtung wieder hergestellt ist. Das darüber hinaus verbleibende Geld wird dann prozentual verteilt. Zwar kann der Anleger so nicht auf die aktuelle Situation reagieren, dafür entstehen keine zusätzlichen Umschichtungskosten.

Experten empfehlen in der Regel eine Kombination aus allen drei Strategien. So könnte man einen bestimmten zeitlichen Turnus festlegen, in dem das Rebalancing durchgeführt wird, zugleich aber auch Bandbreiten, um auf sehr starke Kursschwankungen reagieren zu können. Unabhängig davon kann jederzeit das Cashflow-Rebalancing angewandt werden.

Autor: Gerd Hübner