Reiserücktrittsversicherung: Nahender Tod eines Angehörigen zählt nicht
Marzena SickingLiegt ein Angehöriger im Sterben, ist das sicherlich ein nachvollziehbarer Grund für die Stornierung einer Urlaubsreise. Leider nicht aus Sicht einer Reiserücktrittsversicherung: Die zahlt nur, wenn der Tod schon eingetreten ist. Eine zynische, aber rechtlich einwandfreie Entscheidung.
Für Menschen, die regelmäßig mit ihrer Familie verreisen, ist eine Reiserücktrittsversicherung eine sinnvolle Investition. Ein Reiserücktritt kann aus vielen Gründen notwendig werden.
Wann übernimmt die Reiserücktrittsversicherung die Stornokosten?
Bei den meisten Reiserücktrittsversicherungen sind Stornokosten bei folgenden Ereignissen versichert:
Unerwartete schwere Erkrankung
Todesfall
Schwere Unfallverletzung
Schwangerschaft
Unverträglichkeit einer Impfung
Manchmal zählt auch der unerwartete Verlust des Arbeitsplatzes oder eine nicht bestandene Prüfung eines Kindes zu den versicherten Gründen für einen Reiserücktritt.
Wann der Tod eines nahen Angehörigen ein Versicherungsfall ist
Bei vielen Policen ist der Tod eines nahen Angehörigen als Grund für den Reiserücktritt versichert. Muss die Reise wegen einer bevorstehenden Beerdigung storniert werden, übernimmt die Versicherung die Stornokosten. Allerdings greift die Reiserücktrittsversicherung nur dann, wenn der Todesfall tatsächlich schon eingetreten ist. Wer vor Eintritt des Todesfalls storniert, weil er dem Angehörigen in seinen letzten Stunden auch beistehen möchte, kann meist nicht auf die Kulanz der Versicherungen hoffen. Dass ein Reiserücktritt dann nicht versichert ist, zeigt ein aktueller Fall, der vor dem Amtsgericht Hamburg entschieden wurde.
Kann man die Reise stornieren, wenn ein Familienmitglied im Sterben liegt?
Es ging um einen Mann, der seine Urlaubsreise zwei Tage vor Antritt storniert hatte. Er wollte die Pauschalreise nach La Palma nicht antreten, weil sich der Zustand seiner 92-jährigen Mutter überraschend verschlechtert hatte und sie im Sterben lag. Der Sohn wollte der alten Dame in ihren letzten Stunden beistehen. Tatsächlich verstarb sie kurze Zeit später. Spätestens da hätte der Mann also ohnehin die Reise stornieren müssen.
Die angefallenen Stornokosten wollte seine Reiserücktrittsversicherung trotzdem nicht erstatten. Die Gesellschaft verwies auf ihre Versicherungsbedingungen, wonach nur der Tod eines nahen Angehörigen als Grund für einen Reiserücktritt versichert sei. Zum Zeitpunkt der Stornierung hatte die Mutter des Versicherten aber noch gelebt, d.h. es lag kein versicherter Grund für eine Stornierung vor. Der Mann klagte gegen diese Entscheidung, jedoch ohne Erfolg.
Versicherungstechnischer Unterschied zwischen Tod und bevorstehender Tod
Das Amtsgericht Hamburg bestätigte die Auffassung der Versicherung. Nach den Vertragsbedingungen habe der Mann keinen Anspruch auf Erstattung der Stornokosten. Denn die Reise sei nicht storniert worden, weil das versicherte Ereignis „Tod“ eingetreten sei. Grund für die Stornierung sei der bevorstehende Tod gewesen. Der „bevorstehende Tod“ sei aber nicht mit dem „Tod“ gleichzusetzen. Mitversichert sei dieser Fall durch die Reiserücktrittsversicherung nur bei unerwartet schwerer Krankheit oder einer unerwarteten Verschlechterung einer Erkrankung. Das liege in diesem Fall aber nicht vor, denn der Sterbeprozess einer 92-jährigen Frau stelle keine Erkrankung dar, sondern sei ein „natürlicher Vorgang“. Ein Anspruch auf Versicherungsschutz besteht daher nicht, wenn eine Reise aufgrund des zu erwartenden Todes eines alten Menschen storniert wird (Az.: 17a C 261/16).
Voraussetzung für die Kostenerstattung einer Reiserücktrittsversicherung ist also, dass das Ereignis, das den Rücktritt von der Reise für die versicherten Personen nötig macht, mit Versicherungsabschluss noch nicht bekannt war und somit unerwartet aufgetreten ist. Dies gilt im Übrigen auch für eine Versicherung gegen einen Reiseabbruch, also eine Reiseabbruchversicherung.
Was ist der Unterschied zwischen einer Reiserücktrittsversicherung und einer Reiseabbruchversicherung?
Der Unterschied zwischen diesen beiden Versicherungen liegt im Zeitpunkt des Rücktritts von der Reise. Die Reiserücktrittsversicherung sichert die entstehenden Stornokosten ab, die entstehen, wenn ein Urlaub vor Reiseantritt abgesagt werden muss. Wer also für den geplanten Urlaub bereits in Vorleistung getreten ist, verliert mit einer Reiserücktrittsversicherung nicht das schon bezahlte Geld. Ein gewisser Selbstbehalt ist je nach Tarif meist vorgesehen.
Eine Reiseabbruchversicherung hingegen leistet Ersatz für die Kosten, die angefallen sind, nachdem eine Reise bereits angetreten wurde, die aus einem versicherten Grund vorzeitig abgebrochen werden musste.
Viele Versicherer bieten eine Kombination aus Reiserücktrittsversicherung und Reiseabbruchversicherung an. Die Kosten der Versicherung variieren je nach Alter der versicherten Person, Vertragsart (Versicherung für eine Person oder eine Familie), Versicherungssumme, Vertragslaufzeit (Reisezeitraum oder jährlich), Selbstbeteiligung (mit und ohne Selbstbeteiligung möglich) und weiteren Leistungen.
Reiserücktritt bei Corona-Infektion?
Verhindert eine Infektion mit Covid-19 den Reiseantritt, handhaben die Versicherer den Schutz unterschiedlich. Teils reicht die Vorlage eines positiven Corona-Tests für die Erstattung der Stornokosten der Reise. Teils wird ein ärztliches Attest gefordert oder ein Symptomnachweis per Attest. Für den Reiserücktritt wegen Quarantäne wird meist ein zusätzlicher Schutzbrief nötig (Stand 12/2020). Pandemien werden von manchen Anbietern grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Zahlt die Reiserücktrittsversicherung, wenn es eine Reisewarnung gibt?
Wer in ein Land einreist, für das vor Antritt der Reise eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestand und an Covid-19 erkrankt, ist oftmals nicht durch eine abgeschlossene Reiseabbruchversicherung geschützt. Am besten erkundigen Sie sich bei Ihrem Versicherer nach der aktuellen Situation und den Bestimmungen.
Bei Pauschalreisen ist der Reiseveranstalter verpflichtet, den Reisepreis zu erstatten, wenn das Auswärtige Amt eine Reisewarnung ausspricht oder ein Einreiseverbot für die Urlaubsregion verhängt wird. Die Reiserücktrittsversicherung bietet in der Regel keinen Schutz vor den Auswirkungen staatlicher Maßnahmen auf eine Reise.