Wie Arztpraxen mit Telefonie und KI dem Fachkräftemangel begegnen
Die Herausforderung ist klar: Die Zahl der Patientenkontakte steigt, das Personal wird knapper. Arztpraxen stehen zunehmend unter Druck, ihren Betrieb mit begrenzten Ressourcen aufrechtzuerhalten. Viele suchen deshalb nach Wegen, den Praxisalltag effizienter zu organisieren. Ein Schlüssel liegt in der intelligenten Verknüpfung von moderner Kommunikationstechnologie – vor allem der Telefonie – mit digitalen Tools wie KI-basierten Assistenzsystemen.
Ein Beispiel aus Dresden zeigt, wie das aussehen kann: Der Allgemeinmediziner Dr. Martin Deile hat seine Praxis konsequent digitalisiert und entlastet sein Team durch eine Kombination aus strukturierter Patientenkommunikation, automatisierten Abläufen und moderner Infrastruktur.
Vom Telefon zur Digital-Plattform
Über Jahre hinweg war das Praxistelefon – meist als klassische PBX-Telefonanlage installiert – das zentrale Kommunikationsmittel. Doch diese Technik gerät an ihre Grenzen, weil neue Anforderungen hinzukommen: mobile Erreichbarkeit, digitale Dokumentation, sichere Video-Sprechstunden und standortübergreifende Zusammenarbeit.
Viele Arztpraxen und medizinische Einrichtungen erkennen mittlerweile, dass Plattformen wie Microsoft Teams mehr leisten als reine Sprachkommunikation. Sie bieten eine zentrale Schnittstelle für Telefonie, interne Abstimmungen, Terminorganisation und Datenaustausch.
Die Integration mit bestehenden Telefonanlagen ist dabei kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Via sogenanntem Direct Routing oder Operator Connect lassen sich Systeme wie Microsoft Teams direkt mit dem öffentlichen Telefonnetz verbinden – entweder vollständig oder als hybride Lösung. So kann etwa ein Teil der Rufnummern direkt über Teams laufen, während andere über die klassische Telefonanlage erreichbar bleiben. Gerade für Arztpraxen bedeutet das Flexibilität: Der Wechsel erfolgt schrittweise, ohne Betriebsunterbrechung.
Patientenkommunikation in der Praxis
In der Praxis von Dr. Deile wurde genau dieser hybride Ansatz umgesetzt: Ein Teil der Patienten nutzt die digitalen Kanäle, ein anderer bleibt bei der gewohnten Telefonverbindung. Die Telefonie ist dabei nicht mehr isoliert, sondern eingebettet in eine Kommunikationsstruktur.
Das Zentrum des neuen Modells bildet der KI-gestützte Assistent Docyet. Patienten können über die Website oder einen Messenger-Link Symptome eingeben, werden durch einen Fragenkatalog geführt und erhalten eine erste Einschätzung – noch bevor ein menschliches Gespräch stattfindet. Routinefälle wie Atemwegsinfekte können so digital abgefangen und automatisiert bearbeitet werden – inklusive Krankschreibung, sofern die Kriterien erfüllt sind.
Ergänzend dazu nutzen viele Patienten den Praxis-Messenger für Rückfragen, Rezeptbestellungen oder Terminabstimmungen. Diese Kanäle sind asynchron, entlasten das Praxisteam zu Stoßzeiten und ermöglichen außerhalb der regulären Öffnungszeiten eine strukturierte Kommunikation. Das klassische Telefon klingelt dadurch deutlich seltener – obwohl die Patientenversorgung gleichzeitig breiter aufgestellt ist.
Nachteil dieser Systeme: Sie können nicht entscheiden, ob ein Fall dringend ist. Der Mensch, und zukünftig eine gut trainierte KI, können wissen, ob ein Patient einen Termin schnellstens benötigt. Auch eine Verbindung zur Patientenakte sollte gegeben sein. Denn ruft Diabetiker an, könnte die Dringlichkeit hoch sein.
Was muss eine Praxis leisten?
Die technische Voraussetzung für diese Umstellung ist überschaubar, wenn die Infrastruktur richtig geplant wird. Wer heute noch auf eine klassische PBX-Anlage setzt, kann diese entweder anbinden oder schrittweise ablösen. Wichtig ist eine nahtlose Verbindung mit dem Internet-Telefonnetz über SIP-Trunking, damit digitale Plattformen, aber auch Praxissoftware und Messaging-Dienste integriert sind. Wichtig ist zudem beispielsweise beim Versand von Röntgenbildern eine gute Internetverbindung. Über diese lässt sich auch die Telekommunikation abwickeln. Idealerweise ohne das sich Daten- und Sprachkanäle stören.
Für standardisierte Umgebungen bietet sich Operator Connect an – die Einrichtung erfolgt direkt im Microsoft Teams Admin Center, meist innerhalb weniger Stunden. Für individuelle Anforderungen (z. B. eigene Sicherheitsrichtlinien, spezielle Rufnummernkonzepte oder Netzwerkanpassungen) eignet sich Direct Routing, bei dem mehr Kontrolle über die Infrastruktur besteht. Beides ist mit etablierten Praxissoftware-Lösungen wie Tomedo kombinierbar, sodass Kommunikation, Patientendaten und Dokumentation synchronisiert laufen.
Weniger MFA, mehr Qualität
Die Auswirkungen dieser Veränderungen sind erheblich. Wo früher fünf medizinische Fachangestellte den Praxisbetrieb stemmen mussten, reichen Dr. Deile heute zwei Mitarbeiterinnen – bei gleichbleibender Patientenzahl und mehr zeitlicher Flexibilität.
Die wichtigsten Effekte im Überblick:
Deutliche Reduktion der Telefonlast: Durch automatisierte Voranfragen und Messenger-Kommunikation wird die klassische Telefonverbindung entlastet.
Verbesserte Terminsteuerung: Patienten werden gezielter und nur bei Bedarf persönlich einbestellt.
Automatisierung von Routineprozessen: Digitale AUs, Rezeptausstellung und Anamnesedaten laufen teilautomatisiert.
Höhere Patientenautonomie: Viele Patienten empfinden es als angenehm, ihre Anliegen flexibel und ohne Wartezeit digital einzugeben.
Höhere Qualität bei komplexeren Fällen: Das Team hat mehr Zeit für medizinisch anspruchsvolle oder persönliche Gespräche.
Sanfte Migration und klare Kommunikation
Ein zentraler Erfolgsfaktor war laut Dr. Deile die schrittweise Einführung der neuen Systeme – sogenannte „sanfte Migration“. Während ein Teil der Rufnummern weiterhin über die klassische Anlage läuft, wurden neue Kommunikationskanäle ergänzend aufgebaut. Die Mitarbeitenden wurden durch Schulungen eingebunden, Patienten durch einfache Erklärungen abgeholt. Wer keine App nutzen will, bekommt weiterhin den gewohnten telefonischen Service.
Diese flexible Architektur schafft nicht nur Effizienz, sondern auch Akzeptanz – beim Team und bei den Patienten. Und genau das ist entscheidend, wenn digitale Prozesse langfristig tragen sollen.
Über den Autor Felix Pflüger
Felix Pflüger
Felix Pflüger ist Geschäftsführer von Peoplefone Deutschland. Er beschäftigt sich mit moderner Unternehmenskommunikation und berät viele Einrichtungen des Gesundheitswesens bei der digitalen Transformation ihrer Telefonie- und Kommunikationsstrukturen.
Mehr Infos finden Sie auf www.peoplefone.de
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