Behandlungsfehler durch Arzneimitteltherapiefehler: Was Ärztinnen und Ärzte wissen müssen
Dr. jur. Alex JanzenArzneimitteltherapie ist fehleranfällig – von der Anamnese über den Medikationsplan bis hin zur Aufklärung. Versäumnisse können für Ärztinnen und Ärzte nicht nur medizinische, sondern auch juristische Konsequenzen haben, wie Dr. Alex Janzen im folgenden Beitrag aufzeigt.
Die Arzneimitteltherapie ist mit zahlreichen Risiken verbunden, die im Ernstfall zu einer Haftung des behandelnden Arztes führen können. Besonders kompliziert wird die Situation dadurch, dass häufig mehrere Akteure beteiligt sind – Haus- und Fachärzte, Apotheker und Pharmaunternehmen. Dadurch wird die Frage, wer bei einem Therapiefehler die Verantwortung trägt, erheblich komplexer.
Jede Arzneimitteltherapie beginnt mit einer sorgfältigen Arzneimittelanamnese. Was selbstverständlich klingt, erweist sich im Praxisalltag oft als schwierig: Der verordnende Arzt muss nicht nur die von Kollegen verschriebenen Medikamente berücksichtigen, sondern auch alle Präparate, die der Patient eigenständig einnimmt.
Anspruch des Patienten auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans
Der verordnende Arzt hat zu beachten, dass seit 2016 gesetzlich versicherte Patienten, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Arzneimittel dauerhaft anwenden, nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB V einen Anspruch auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans in Papierform haben. Dieser Anspruch wurde inzwischen auf die elektronische Form ausgeweitet. Ein Medikationsplan muss sowohl alle Arzneimittel enthalten, die dem Patienten verordnet worden sind, als auch alle Arzneimittel, welche zwar nicht verordnet sind, die der Patient jedoch gleichwohl anwendet. Ferner müssen im Medikationsplan Hinweise auf Medizinprodukte aufgenommen werden, die für die Medikation von Bedeutung sind.
Nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB V muss der Medikationsplan stets aktualisiert werden, sobald sich die Medikation ändert. In erster Linie ist dafür der Vertragsarzt verantwortlich, der den Plan erstellt hat und über die Änderung informiert wurde. Allerdings können auch andere behandelnde Ärzte Anpassungen vornehmen. Nach § 31a Abs. 3 Satz 2 SGB V ist die Apotheke bei Abgabe eines Arzneimittels ebenfalls verpflichtet, den Medikationsplan auf Wunsch des Patienten bei der Abgabe eines Arzneimittels zu aktualisieren.
Kommt es bei der Erstellung oder Aktualisierung des Medikationsplans zu Fehlern – etwa weil ein verordnetes oder vom Patienten selbst eingenommenes Arzneimittel nicht eingetragen wird – kann dies zu einer falschen Arzneimittelanamnese und letztlich zu einer Patientenschädigung führen. In solchen Fällen gestaltet sich die Klärung der Verantwortlichkeit sowohl tatsächlich als auch rechtlich als besonders schwierig.
Aufklärung des Patienten bei Arzneimitteltherapie
Bei der Aufklärung im Rahmen einer Arzneimitteltherapie muss der Arzt den Patienten auch über Nebenwirkungen informieren, selbst wenn diese bereits in der Packungsbeilage aufgeführt sind. Dies gilt insbesondere für schwerwiegende Nebenwirkungen des verordneten Arzneimittels. Darüber hinaus muss der Arzt auch auf Nebenwirkungen eingehen, die allgemein als weniger schwerwiegend gelten, im konkreten Fall für den Patienten jedoch erheblich sein können. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Aufklärung des Patienten jedes Mal erforderlich sein kann, wenn sich die Medikation ändert.
Nach erfolgter Aufklärung des Patienten treffen den verordnenden Arzt bestimmte Folgepflichten, wenn beim Patienten Nebenwirkungen auftreten. Insbesondere muss die Reaktion des Patienten auf das verordnete Arzneimittel beobachtet und bei Bedarf adäquate Maßnahmen getroffen werden. Dies schließt selbstverständlich erforderliche Kontrolluntersuchungen nach erfolgter Verordnung eines Arzneimittels mit ein.
Besondere Fragestellungen ergeben sich bei der Patientenaufklärung im Rahmen der sogenannten Off-Label-Use-Anwendung eines Arzneimittels. Hier muss der Patient insbesondere darüber aufgeklärt werden, dass das Arzneimittel nicht im zugelassenen Anwendungsbereich verordnet wird und dies zu unbekannten Nebenwirkungen führen kann.
Verordnung von Rezepturarzneimitteln
Ausgehend von der Therapiefreiheit können Ärzte auch Rezepturarzneimittel verordnen. Zu beachten ist allerdings, dass ausschließlich unbedenkliche Arzneimittel verordnet werden dürfen. Nach § 5 Abs. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) sind Arzneimittel bedenklich, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach § 5 Abs. 1 AMG ist es verboten, bedenkliche Arzneimittel in Verkehr zu bringen.
Rezepturarzneimittel müssen des Weiteren nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) eine Gebrauchsanweisung enthalten, sofern das betreffende Arzneimittel nicht unmittelbar an die verschreibende Person abgegeben wird. Zwar darf der Apotheker nach § 2 Abs. 6 AMVV nach Rücksprache mit der verschreibenden Person die Verschreibung ergänzen, wenn ein dringender Fall vorliegt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass in einem solchen Fall etwaige Fehler in der Gebrauchsanweisung vom verordnenden Arzt zu vertreten sein werden, wenn die Gebrauchsanweisung vom Apotheker nicht ordnungsgemäß ergänzt worden und dies dem Apotheker nicht anzulasten ist. Haben beide, sowohl der verordnende Arzt als auch der Apotheker, die fehlerhafte Gebrauchsanweisung zu vertreten, kommt auch eine gesamtschuldnerische Haftung des Arztes und des Apothekers in Betracht.
Stellen Ärzte Arzneimittel zum Zweck der persönlichen Anwendung für einen bestimmten Patienten selbst her, benötigen sie zwar nach § 13 Abs. 2b Satz 1 AMG grundsätzlich keine Erlaubnis zur Herstellung des betreffenden Arzneimittels. Dies gilt nach § 13 Abs. 2b Satz 2 AMG allerdings nicht für Arzneimittel für neuartige Therapien und xenogene Arzneimittel, für bestimmte Arzneimittel für Zwecke der klinischen Prüfung und für Arzneimittel, die der Verschreibungspflicht nach § 48 AMG unterliegen, sofern die Herstellung eines solchen Arzneimittels nicht durch einen Arzt oder Zahnarzt erfolgt.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Beitrag die männliche Form für alle Geschlechter.