Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Gynäkologie

Viele Frauen wünschen sich eine „normale“ vaginale Geburt. Doch nicht immer ist eine solche Entbindung aus medizinischer Sicht sinnvoll. So auch im Fall einer Frau, die im Jahr 2003 unter ärztlicher Überwachung einen Sohn zur Welt brachte. Die Geburt wurde zunächst von der diensthabenden Stationsärztin geleitet, später übernahm die gynäkologische Chefärztin.

Letztere traf auch die Entscheidung, angesichts einer Schulterdystokie eine vaginal-operative Entbindung durchzuführen. Direkt danach war der linke Arm Kindes mit Hämatomen besetzt und schlaff. Später wurden eine obere und untere Parese des Plexus brachialis links sowie eine Clavicula-Fraktur diagnostiziert.

Erste juristische Sondierungen nach drei Jahren

Die Eltern des Kindes unternahmen zunächst keine rechtlichen Schritte. Im August 2006 erstellte die Mutter dann allerdings ein umfangreiches Gedächtnisprotokoll, in dem sie die Ereignisse von ihrer Aufnahme ins Krankenhaus bis zur Geburt ihres Sohnes detailliert beschrieb. Dabei kritisierte sie nicht nur die angewandte geburtshilflichen Technik, sondern bemängelte auch, dass man sie nicht über deren Risiken informiert bzw. ihr keine Entbindung per Kaiserschnitt angeboten habe.

Ein inzwischen beauftragter Anwalt forderte zudem vom Krankenhaus eine Dokumentation des stationären Aufenthaltes der Mutter an. Im Anschluss machte der Jurist Schadenersatzansprüche gegen die Klinik geltend. Deren Haftpflichtversicherung lehnte ab.

Wieder verging einige Zeit. Im Oktober 2010 erhoben die Eltern des Jungen dann für ihren Sohn Klage. Sie verlangten von der Klinik unter anderem ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro. Außerdem wollten sie festgestellt wissen, dass der Krankenhausträger auch künftige materielle und immaterielle Schäden ersetzen müsse. Die Klinik wandte ein, die Ansprüche seinen verjährt. Zu Unrecht.

Nur ein Arzt kann Behandlungsfehler als solche identifizieren

Der Bundesgerichtshof entschied in letzter Instanz: Weder von einem Patienten noch von dessen Rechtsanwalt kann grundsätzlich erwartet werden, dass er ihm zugesandte Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler hin überprüft.

Die Verjährung der Arzthaftungsansprüche beginnt daher nicht schon in dem Zeitpunkt, in dem der Patient oder sein Anwalt die Behandlungsunterlagen erhält und prüfen kann. Denn nur ein Fachmann, sprich Arzt, kann aus solchen Unterlagen erkennen, ob eine fehlerhafte Behandlung vorliegt (Az. VI ZR 186/17).

Etwas anderes könne lediglich gelten, wenn schon in der Behandlungsakte selbst Hinweise auf einen Fehler enthalten seien, etwa weil bereits der Arzt selbst von einer „falsch gelegenen Schnittführung“ spreche oder offensichtliche Fehler benenne („falsches Bein behandelt“). Solche Aktennotizen waren vorliegend aber nicht vorhanden.

Die Klinik musste daher für den (unstreitigen) Behandlungsfehler haften und Schmerzensgeld zahlen.