Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizin

Angeschickert auf Schicht? Das ist in Deutschland offenbar keine Seltenheit. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht davon aus, dass bis zu zehn Prozent der Beschäftigten bundesweit Alkohol in problematischen Mengen trinken. Und zwar nicht nur zu Hause, sondern auch im Beruf.

Grundsätzlich zieht sich das Problem durch alle Bevölkerungsschichten und alle Hierarchiestufen. Allerdings attestieren Arbeitsmediziner einigen Branchen ein besonder hohes Risikopotenzial. Vor allem Jobs mit hohem Stressfaktor und/oder leichtem Zugang zu Rauschmitteln, so die Befürchtung, können übermäßigen Alkoholkonsum begünstigen. Damit gehören ausgerechnet Ärzte und medizinisches Personal zu einer Hochrisikogruppe für den Substanzenmissbrauch.

Und tatsächlich belegen jüngere Zahlen: Der Gesundheitssektor hat ein Suchtproblem, 23 Prozent der Ärzte in Deutschland konsumieren Alkohol in gefährlichen Mengen. Das geht aus einer Onlinebefragung von Wissenschaftlern des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität München hervor, die das Gesundheitsverhalten und den Suchtmittelkonsum von Ärzten untersuchte. Die Ergebnisse wurden im vergangenen Jahr im Journal of Occupational Medicine and Toxicology publiziert (hier geht’s zur Originalquelle).

Mangelndes Privatleben als Risikofaktor

Die Gründe, warum Ärzte zum Glas greifen, sind vielfältig. Ganz allgemein scheint es innerhalb des Berufsstandes eine ernstzunehmende Gefährdung für stressbedingten Alkohol- und/oder Medikamentenkonsum zu geben. Allerdings konnte die Studie auch einige überraschende weitere Risikofaktoren identifizieren. Zum Beispiel Kinderlosigkeit.

Männer und Frauen, die keinen eigenen Nachwuchs haben, erliegen offenbar leichter der Versuchung, zuviel zu trinken, als Ärztinnen und Ärzte, auf die Zuhause die Kinder warten. Bemerkenswert ist zudem, wie stark der Status der Assistenzärztin das Risiko übermäßigen Alkoholgenusses bei Frauen beeinflusst: Im Vergleich zu Kolleginnen in leitender Position ist es um das Dreifache erhöht.

Weitere Erkenntnisse der Erhebung: Chirurginnen und Chirurgen scheinen im Vergleich zu Kollegen anderer Fachrichtungen besonders wenig auf sich zu achten und neigen doppelt so häufig zu riskantem Trinkverhalten wie Ärzte aus anderen Disziplinen. Und auch wer mehr als 50 Stunden pro Woche in der Klinik verbringt, hat ein höheres Risiko, irgendwann zum Glas zu greifen, als Kollegen mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance.

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