Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Als Berater, aber auch als Patient kommt es mir manchmal so vor, als empfände mein Arzt das Sprechen häufig als Last und Bürde, die ihm täglich auferlegt wird und mit der er sich durchschleppen muss.

Dann denke ich, dass ihm so die Einsicht verschlossen bleibt, dass die Sprache, das Sprechen, sein wichtigstes Instrument ist. Dass das Sprechen und Gesprochenes zu hören und zu verstehen ein Privileg des Menschen ist. Dass eine Medizin, die sich nicht aller Möglichkeiten der verbalen und nonverbalen Kommunikation bedient, immer unzulänglich bleiben muss.

Oder anders, als Frage formuliert: Könnte es sein, dass eine sprachlose Medizin letztlich eine „unmenschliche“ Medizin sein müsste? Wenn ja, was wäre, wie zu ändern? Was, wenn das Sprechzimmer ein Zuhörzimmer würde…?

Zuhören ist schwerer als Sprechen

Aktives, geschultes Zuhören ist die wichtigste ärztliche Fähigkeit im Gespräch mit Patientinnen und Patienten. Aktives Zuhören ist schwerer als Sprechen. Daher ist Zuhören – wie schon im ersten Teil dieser Reihe ausgeführt – auch der schwierigere Anteil an einem Gespräch. Man könnte sagen: Ein wesentliches Merkmal einer guten Ärztin bzw. eines guten Arztes ist ein guter Zuhörstil.

Aktives Zuhören bedeutet nach Dahmer und Dahmer „aufnahmebereite Zuwendung“, im Englischen auch als „attending behavior“ bekannt. Aktives Zuhören folgt vier einfachen Grundsätzen: Interesse, Bereitschaft und Fähigkeit zuzuhören sowie völlige Anwesenheit.

Aktives Zuhören kann eine Reihe positiver Phänomene auslösen: Ihre Gesprächspartnerin bzw. Ihr Gesprächspartner fühlt sich als Persönlichkeit angenommen, wird lockerer und weniger emotional. Ihre Gesprächspartnerin bzw. Ihr Gesprächspartner kann sich auf das Wesentliche konzentrieren. Sie oder er benötigt weniger Zeit, um sich zu erklären und hat das sichere Gefühl, dass Sie als sein Gegenüber „anwesend“ sind.

Wenn das aktive Zuhören misslingt, kann das weitreichende Folgen für Patienten haben. Die Patientin bzw. der Patient darf womöglich nicht ausreden, darf sich womöglich nicht aussprechen, darf womöglich ihre bzw. seine Gefühle nicht äußern. Die Patientin bzw. der Patient fühlt sich womöglich nicht ernst genommen.

Letztlich ist Unterbrechen die extreme Umkehrung des Zuhörens, ein Gesprächszerstörer ersten Ranges und die verletzendste Form des Nichtzuhörens.

Äußerungen spiegeln und zusammenfassen

Das aktive Zuhören kann durch das „Spiegeln“ als Gesprächstechnik wesentlich verstärkt werden. Indem man wesentliche Komponenten der Äußerungen des Gesprächspartners wiedergibt, also spiegelt, zeigt man, dass man versteht, dass man sie oder ihn wertschätzt. Und es kommt zum Ausdruck, dass man sich einfühlt. Fühlt sich das Gegenüber verstanden, erhöht sich das Wohlbefinden deutlich und die Beziehung wird tragfähiger.

Was kann gespiegelt werden?

  • gefühlsnahe und gefühlsbetonte Äußerungen,
  • dem Gesprächspartner nahestehende und nahegehende Äußerungen,
  • Einstellungen und gefühlsmäßige Bewertungen,
  • Wünsche und Ziele,
  • Wirkung der Person auf andere Menschen
  • sowie Rückwirkungen von Personen und Sachen.

Wie kann gespiegelt werden?

Alle wichtigen Äußerungen sollten Sie möglichst gleich im Anschluss spiegeln: kurz, konkret, anschaulich, bildhaft. Für Ihr konkretes Gesprächsverhalten könnte das bedeuten: Spiegeln Sie durch wörtliche Wiederholung.

Ein Beispiel:

Patient: „Die vergangene Nacht, Herr Doktor, diese Schmerzen, das möchte ich nicht noch einmal erleben.“
Arzt: „Die Schmerzen der vergangenen Nacht möchten Sie nicht noch einmal erleben.“

Spiegeln Sie durch Paraphrasierungen, indem Sie das Gehörte mit eigenen Worten wiedergeben und gleichzeitig zum Ausdruck bringen, was das für Sie bedeutet:

Patient: „Wenn das so weitergeht, mache ich nicht mehr mit.“
Arzt: „Sie wollen also die Behandlung beenden?“

Hier ist es eminent wichtig, die Aussage in eine Frage zu kleiden, da es sich nur um eine Interpretation handelt, die diskutiert werden darf.

Spiegeln Sie durch Verbalisieren des Gehörten, indem Sie frei zusammenfassen, was Sie gehört haben, welches Gefühl Ihres Erachtens mitschwingt und welche Bedeutung Sie dem Gehörten schenken:

Patient: „Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann.“
Arzt: „Sie haben Angst, es könnte zu viel für Sie werden?“

Sie fassen in Worte, was Ihre Gesprächspartnerin bzw. Ihr Gesprächspartner nicht richtig ausdrücken kann.

Mit dem Spiegeln verhelfen Sie Ihren Patienten dazu, mehr Klarheit über ihre eigenen Erlebnisse, ihre Gefühle, Affekte, ihre Einstellungen, Haltungen, ihre Wünsche und Ziele zu gewinnen.

Das patientenzentrierte Gespräch fördern

Reinhard Tausch, Psychologie-Professor und Verbreiter der Gesprächspsychotherapie († 08.08.2013) sagte dazu: „Indem ich meinen Patienten helfe, über seine Gefühle und Konflikte mehr Klarheit zu gewinnen, schaffe ich gleichzeitig für ihn auch die Voraussetzungen, sich damit konstruktiv auseinanderzusetzen.“

Und auch Sigmund Freud äußerte sich zum aktiven Zuhören: „Der Arzt … soll wie eine Spiegelplatte nichts anderes zeigen, als was ihm gezeigt wird.“

Durch die Spiegelung wird die Gesprächspartnerin bzw. der Gesprächspartner darauf gelenkt, die eigene Wahrnehmung und die eigenen Gefühle weiter zu klären (Selbstexploration). Dies wird umso stärker möglich sein, als sich die zuhörende Person mit eigenen Wertungen und Interpretationen zurückhält.

Gibt man diese Wertungen und Interpretationen ein, so wird das Gespräch in die Verifikation der eigenen Wahrnehmungen und Interpretationen gelenkt. Bei der Spiegelung steht aber einzig die Klärung der Wahrnehmung und Interpretation der Gesprächspartnerin bzw. des Gesprächspartners im Vordergrund.

Das Spiegeln fördert das patientenzentrierte Gespräch. Als Arzt oder Ärztin erhalten Sie durch das Spiegeln die Möglichkeit, Nähe und Distanz besser zu regulieren. Außerdem lassen Sie den Patienten eindrucksvoll erleben, dass Sie ihm aktiv zuhören.

Empathie als wesentliche Grundlage der Kommunikation

Zudem zählt Empathie zu den wesentlichen Grundlagen der Kommunikation, auch zwischen Arzt und Patient. Der Begriff Einfühlung kommt dem Begriff Empathie sehr nahe, ist mit ihm jedoch nicht völlig identisch.

Einfühlsam zu sein, bedeutet, „das Gefühl des anderen selbst zu erleben und es ihm mitzuteilen, d. h. mit den Augen des anderen zu sehen, mit den Ohren des anderen zu hören“.

Empathie bedeutet, „den inneren Bezugsrahmen des anderen möglichst wahrzunehmen, mit allen seinen emotionalen Komponenten und Bedeutungen, gerade so, als ob man die andere Person wäre, jedoch ohne jemals die „als-ob-Position“ aufzugeben“.

So formulierte es Carl Ransom Rogers († 4. Februar 1987), ein US-amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut, dessen herausragende Leistung in der Entwicklung der Personenzentrierten Psychotherapie (auch: Klientenzentrierten Psychotherapie) und dem Ausbau der Humanistischen Psychologie besteht.

Empathie darf nicht verwechselt werden mit Mitgefühl, Sympathie oder Gefühlsansteckung.

  • Mitgefühl ist eine ethisch erwünschte Verhaltensweise, gesprächstechnisch ist sie aber keine Grundbedingung. Um mich einfühlen zu können, muss ich nicht menschlich berührt oder betroffen sein. Dies kann die freie Kommunikation ggf. sogar behindern.
  • Sympathie ist eine wertende Zustimmung zu den Gefühlen, Ideen und dem Geschmack des anderen und sollte für das ärztliche Gespräch nicht bestimmend sein.

Empathie bedeutet auch nicht Identifikation. Der wesentliche Unterschied liegt in der Als-ob-Eigenschaft. Ohne sie wäre Empathie mit Identifikation gleichzusetzen.

Ärztinnen und Ärzten fällt es unterschiedlich leicht, sich empathisch zu verhalten. Die empathische Fähigkeit hängt von drei Voraussetzungen ab:

  1. von der ethischen Grundeinstellung zum Beruf und dem sozialen Engagement,
  2. von der Fähigkeit, sich emotional berühren zu lassen, und der Übung, mit Empfindungen umzugehen,
  3. von der Fähigkeit, die Qualität der Patientenbeziehung wahrzunehmen und zu beeinflussen.

Der Wunsch nach emotionaler Neutralität oder nach Dominanz kann die Entfaltung der Empathie erheblich erschweren.

Partizipative Entscheidungsfindung im Arzt-Patienten-Gespräch

Die empathische Haltung ist für sich genommen bereits wertvoll und hilft dem Patienten, sich zu hinterfragen. Empathie bedeutet, zu begreifen, warum jemand weint, nicht in eine Operation einwilligt, lieber naturheilkundliche Behandlungsverfahren wählen möchte, o. ä. m.

Empathie ist mehr als die Äußerung „Ich verstehe“ und zugleich weniger, als den Anderen umfassend zu verstehen. Empathie bedeutet, dem Patienten zu zeigen, dass Sie an ihm oder ihr interessiert sind und die Beweggründe, in einer bestimmten Art zu handeln, verstehen möchten.

Aktives Zuhören wie Empathie sind wesentliche Elemente eines Arzt-Patienten-Modells, das als „Shared Decision Making“ oder Partizipative Entscheidungsfindung (PEF; Englisch shared decision-making, SDM) bekannt ist.

Das Modell beschreibt die Arzt-Patienten-Interaktion bzw. -Kommunikation, „die darauf zielt, unter gleichberechtigter und aktiver Beteiligung von Patient und Arzt auf Basis geteilter Information zu einer gemeinsam verantworteten Übereinkunft über eine angemessene medizinische Behandlung zu kommen.“ (wikipedia) Nicht immer anwendbar und passend, aber oftmals gefordert und sinnvoll.

Service für ARZT & WIRTSCHAFT-Leser

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Stephan Kock

Inhaber und GeschäftsführerKock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH

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Kock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH