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Praxis

Ob alt oder jung – Praxispersonal will „mitgenommen“ werden

Die Digitalisierung in Praxen ist nicht mehr aufzuhalten. Ein Großteil hat den nächsten Schritt bereits in diesem Jahr gewagt, die anderen werden folgen. Wenn nicht im Jahr 2022, dann nächstes oder übernächstes Jahr. Es wird vermutet, dass 2025 kaum noch Praxen existieren, die zum Beispiel keine Onlineterminbuchung anbieten. Die wenigen, die es doch noch ohne probieren, werden dann enorme Probleme haben. Nicht nur, dass die Patienten keine Lust mehr haben, dauerhaft in der Warteschleife zu hängen, auch die Mitarbeiterinnen gehen zunehmend auf die Barrikaden. Die Zeiten der „medizinischen Call-Center-Fachangestellten“ ist vorbei. Die MFA und ZFA suchen sich moderne Praxen und werden von denen mit Kusshand aufgenommen. Die Folge wird sein, dass die übrigen Praxen kaum noch bestandsfähig sind und sich auch nicht mehr verkaufen lassen.

Problem mit älteren Mitarbeiterinnen

Es sind vor allem die technischen Veränderungen, die Praxen zum Change-Management „zwingen“. Als Praxisberater finden wir das gut. Denn es ist noch immer weit verbreitet, dass ein professionelles Change-Management nur etwas für große Unternehmen ist. Wir begleiten Praxen seit über 20 Jahren bei solchen Prozessen und wissen genau, wie wichtig diese sind, um eine ausgewogene Doc-Life-Balance zu erreichen, die Wunschpatienten anzusprechen und motiviertes Personal zu gewinnen.

Unterschätzen Sie nicht, wie wichtig es ist, die Mitarbeiterinnen in diesen Prozess von Anfang an einzubinden. Ansonsten passiert Ihnen vielleicht folgendes: Erst vor ein paar Wochen hat uns eine 52-jährige Praxismanagerin erzählt, dass sie Angst habe, bald ihren Job zu verlieren. Sie sei seit 22 Jahren in der Praxis, könne aber nur schwer mit den neuen technischen Lösungen, wie der Online-Terminplanung, digitale Anamnesebögen etc. umgehen. „Es ging innerhalb von wenigen Tagen und plötzlich konnte ich nicht mal mehr Termine vergeben“, sagte sie.

Veränderungen sind notwendig, das ist auch den meisten älteren Praxismitarbeiterinnen klar. Doch die Art und Weise ist entscheidend dafür, ob es ein effizienter und positiv-motivierter Weg ist oder ob die Digitalisierung von den Mitarbeiterinnen (unbewusst) boykottiert wird und dadurch lange dauert bzw. teuer wird.

Problem mit Auszubildenden

Richtig Stress gab es zuletzt in einer Praxis, weil die Auszubildende sich weigerte, die sozialen Medien zu betreuen. Es ging sogar so weit, dass sie sich bei ihrer Lehrerin über den Chef beschwert hat.

Ob das Praxismarketing zu den Aufgaben einer Auszubildenden gehört oder nicht, ist in diesem Fall irrelevant. Es geht nämlich nicht um die Aufgabe als solche. Schließlich ist es in vielen Praxen so am erfolgreichsten, weil die Auszubildenden sich am besten mit Instagram und Co. auskennen. In der beschriebenen Praxis hat der Chef aber einen entscheidenden Fehler begangen. Er hat von jetzt auf gleich bestimmt, dass es einen Instagram-Kanal geben soll und den Erfolg im Bereich der Mitarbeiterakquise und Gewinnung von Privatpatienten direkt daran gekoppelt.

Der Druck auf die Auszubildende war enorm. Da sich ihrer Auffassung nach, andere Azubis nicht um solche Dinge kümmern müssen, beschwerte sie sich. Am Ende ohne Erfolg, aber mit reichlich Blessuren auf allen Seiten. Vor allem das Vertrauensverhältnis hat darunter gelitten und letztlich sogar dazu geführt, dass die Auszubildende die Praxis verlassen hat. Die Stimmung bei den Kolleginnen war daraufhin ebenfalls im Keller und die Unsicherheit bei der noch verbliebenen Auszubildenden hoch. Was hätte anders laufen müssen?

Unterschiedliche Perspektiven führen zum gemeinsamen Ziel

Egal, welches Projekt Sie angehen wollen, setzen Sie Ihr Team in Kenntnis und binden Sie es mit ein. Beispielweise beim Aufbau und der Implementierung von sozialen Medien. Welches Ziel verfolgt die Praxis damit? Über welche Themen soll berichtet werden? Wie häufig wird gepostet?

All diese Dinge kann man vorgeben, besser aber mit den Mitarbeiterinnen zusammen entwickeln. Sie werden eine viel höhere Akzeptanz im Team erreichen und schneller ans Ziel kommen. Denn Sie und Ihre Mitarbeiterinnen sitzen jetzt in einem Boot. Wollen Sie digitaler werden, fragen Sie Ihre Mitarbeiterinnen, welche Prozesse am meisten Zeit und Nerven kosten.

Auch wenn sie meinen, die Antwort schon zu kennen, ist das aktive Fragen viel wert. Es wird als Wertschätzung wahrgenommen und beschleunigt den Umsetzungsprozess. Plötzlich geht es nämlich nicht mehr darum, zum Beispiel eine Online-Terminvergabe einzurichten, sondern das Telefonaufkommen drastisch zu reduzieren, Zeit zu sparen und entspannter zu arbeiten. Über das Motiv der Mitarbeiterinnen zu kommen, ist der entscheidende Faktor. Probieren Sie es aus.