Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Der Urlaub ist den Deutschen heilig. Nicht nur, dass es ein eigenes Gesetz dafür gibt – das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Auch die Gerichte betonen in Entscheidungen immer wieder, dass der Urlaub der Regeneration und dem Erhalt der Arbeitskraft von Arbeitnehmern dient, und sehen daher ganz genau hin, wenn Arbeitgeber diesen kürzen wollen. Gleichzeitig entbrennt gerade um den Urlaub immer wieder Streit am Arbeitsplatz. 

Urlaub nicht bekommen, aber so getan als ob – das geht nicht

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun entschieden, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses unwirksam ist (03.06.2025, Az. 9 AZR 104/24). Hintergrund des Falls: Ein Mitarbeiter war lange Zeit arbeitsunfähig krank. Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten sich per Vergleich vor Gericht, das bestehende Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung des Arbeitgebers zu Ende April 2023 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 Euro zu beenden. Der Anwalt des Arbeitnehmers schlug zunächst eine Regelung zur Abgeltung – also Ausbezahlung – des gesetzlichen Urlaubsanspruchs für das Jahr 2023 vor. Doch darauf wollte sich der Arbeitgeber nicht einlassen. Er unterbreitete im gerichtlichen Verfahren ein eigenes Vergleichsangebot. Danach sollten Urlaubsansprüche in natura gewährt worden sein, obwohl das gar nicht der Fall war.

Die Arbeitnehmerseite wies darauf hin, dass sie erhebliche Bedenken gegen eine solche Regelung habe. Dennoch unterzeichnete sie schließlich den Vergleich. Anschließend machte der Mitarbeiter seinen Urlaubsabgeltungsanspruch für 2023 geltend. Der Arbeitgeber wollte davon mit Hinweis auf den gerichtlichen Vergleich nichts wissen und verweigerte die Zahlung. Doch vor dem Bundesarbeitsgericht bekam der ehemalige Mitarbeiter recht. 

Die Regelung im Vergleich, wonach Urlaub in natura gewährt worden sein soll, hatte nicht zum Erlöschen der Urlaubsansprüche geführt. Rechtlich handelt es sich hierbei um einen Vergleich über eine Tatsache. Das setze aber voraus, dass Ungewissheit darüber bestehe, ob der Urlaubsanspruch dem Grunde oder der Höhe nach bestehe. Die Besonderheit hier: Der Urlaubsanspruch war völlig unstreitig. Unstreitige Ansprüche können aber nicht Gegenstand eines wirksamen Tatsachenvergleichs sein. 

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass hier ein unzulässiger Erlassvertrag vorliegt. Es stand fest, dass der Mitarbeiter seinen Urlaub nicht genommen haben konnte und er nicht gewährt worden ist. Das BAG stellte klar, dass ein Verzicht auf den Urlaubsanspruch nicht möglich ist, da sonst der Schutzzweck des gesetzlichen Mindesturlaubs verfehlt würde – und der liegt in der Erholung. Während eines laufenden Arbeitsverhältnisses können die Parteien somit keine Vereinbarungen über den Urlaubsanspruch oder Urlaubsabgeltungsanspruch treffen, die zu einer Einschränkung oder einem Ausschluss des Anspruchs führen.

Richterspruch gilt nur für den gesetzlichen Mindesturlaub

Anders kann der Fall allerdings aussehen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und die Parteien sich danach über den Urlaubsabgeltungsanspruch einigen. Zu beachten ist auch, dass die Entscheidung nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gilt. Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt nach § 3 BUrlG bei einer Fünftagewoche 20 Tage. Dies ist der Urlaub, den ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer mindestens gewähren muss. Darüber hinausgehender Urlaub – wie in der Praxis üblich – unterliegt anderen Regelungen. Praxisinhaberinnen und -inhaber sollten daher bei langzeiterkrankten Mitarbeitenden, deren Arbeitsverhältnis nahtlos durch einen Aufhebungsvertrag endet oder die nahtlos in Rente gehen, bei noch umfangreichen Urlaubsansprüchen nach tragfähigen Lösungen suchen.

Das sollten Sie wissen

Ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub ist unwirksam, da er gegen zwingendes Recht verstößt. Der gesetzliche Mindesturlaub dient der Erholung und dem Schutz der Gesundheit des Arbeitnehmers. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub ist unabdingbar. Das heißt, ein Verzicht auf den Urlaub oder anderweitige vertragliche Regelungen sind unwirksam. Ein Verzicht auf den Mindesturlaub ist erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Stichwörter