Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Frauen in Deutschland haben 2022 durchschnittlich 18 % weniger Stundenlohn erhalten als Männer. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis). Bei Ärztinnen und Ärzten ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern – je nach Fallgruppe und Region – sogar noch größer. 

Dieses Missverhältnis könnte allerdings schon bald Geschichte sein. Denn das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im Februar 2023 ein bahnbrechendes Urteil gesprochen (Az. 8 AZR 450/21). Eine Frau hat danach bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit einen Anspruch auf dieselbe Bezahlung wie ein männlicher Kollege,  – wenn der Arbeitgeber diesem aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert sich auch nichts, wenn der männliche Kollege mehr Geld fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

1.000 Euro weniger pro Monat – bei gleicher Arbeit

Erstritten hat die Entscheidung eine im Vertrieb beschäftigte Außendienstmitarbeiterin. Sie hatte im Vergleich zu zwei männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdient und von ihrem Arbeitgeber daher eine Entschädigung sowie die Überweisung der monatlichen Differenzbeträge verlangt.

Während die Frau ein einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt von 3.500 Euro brutto erhielt, zahlte das Unternehmen dem männlichen Kollegen für den gleichen Job 4.500 Euro.  Zwar hatte der Arbeitgeber auch ihm zunächst ein Grundentgelt von 3.500 Euro brutto angeboten. Da der Mann diese Summe allerdings abgelehnt und 1.000 Euro mehr verlangt hatte, hat das Unternehmen dem entsprochen und zahlte entsprechend mehr.

Wer muss Diskriminierungen beweisen?

Die weibliche Arbeitnehmerin sah sich dadurch wegen ihres Geschlechts diskriminiert und klagte.

In den ersten beiden Instanzen hatte sie mit ihrem Ansinnen allerdings keinen Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen verneinten eine Diskriminierung, da der zeitgleich mit der Frau eingestellte Kollege lediglich zu einem höheren Gehalt bereit gewesen sei, den Job anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium, das die Gehaltsunterschiede rechtfertige. Damit hätte nicht das Geschlecht, sondern andere Gründe zu der Benachteiligung der Vertrieblerin geführt.

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts sah dies anders und entschied zugunsten der Arbeitnehmerin. Dies begründeten die Erfurter Richter vor allem mit den Beweisregeln des Antidiskriminierungsrechts. Danach genügt bereits der Umstand, dass der Arbeitgeber Beschäftigte verschiedenen Geschlechts mit vergleichbarer Tätigkeit unterschiedlich bezahlt, um die Vermutung einer unmittelbaren Entgeltbenachteiligung „wegen des Geschlechts“ zu begründen (vgl. schon BAG, Az. 8 AZR 488/19).

„Verhandlungsgeschick“ kein ausreichender Grund für Gehaltsunterschiede

Besteht eine solche Vermutung, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen das Gebot gleicher Entgelte vorliegt, sondern ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

Das sei dem Unternehmen vorliegend aber nicht gelungen, so das BAG: Aus seiner Sicht genügte hierfür offenbar weder der Verweis auf ein besseres Verhandlungsergebnis noch das Interesse des Arbeitgebers an der Gewinnung des Arbeitnehmers.

Für viele Juristen ist das Urteil ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Entgeltgerechtigkeit. Dennoch bleiben Gehaltsunterschiede zwischen Beschäftigten verschiedener Geschlechter weiterhin zulässig – sie müssen allerdings objektiv und geschlechtsneutral begründet sein.