Mutterschutz in Klinik und Praxis: Welche Maßnahmen Arbeitgeber ergreifen müssen
Marzena SickingOb Ärztin, MFA oder Pflegekraft – schwangere Beschäftigte im Gesundheitswesen unterliegen einem besonders weitreichenden gesetzlichen Schutz. Für Praxisinhaber und Klinikleitungen bedeutet das: Sie müssen nicht nur auf individuelle Schwangerschaften reagieren, sondern proaktiv Maßnahmen zur Gefährdungsvermeidung treffen – und das oft schon weit im Vorfeld.
Mutterschutz beginnt vor der Schwangerschaft: Gefährdungsbeurteilung ist Pflicht
Noch bevor eine Schwangerschaft in der Belegschaft bekannt ist, verlangt § 10 Mutterschutzgesetz (MuSchG) die Durchführung einer anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung für jeden Arbeitsplatz. Das gilt sowohl für ärztliches als auch nicht-ärztliches Personal. Ziel ist es, mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen – etwa durch infektiöse Patienten, Chemikalien, körperliche Belastungen oder psychische Stressoren. Diese Beurteilung ist zu dokumentieren, regelmäßig zu aktualisieren und Grundlage jeder weiteren Schutzmaßnahme.
Ergeben sich Hinweise auf eine „unverantwortbare Gefährdung“ für Mutter oder Kind, müssen Arbeitgeber sofort geeignete technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen einleiten. Ist das nicht möglich, sind Schwangere oder Stillende von der Tätigkeit freizustellen.
Individuelle Gefährdungsbeurteilung bei Schwangerschaft
Wird eine Schwangerschaft offiziell mitgeteilt, ist eine individuelle Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, die die spezifischen Arbeitsbedingungen der betroffenen Mitarbeiterin berücksichtigt. Das gilt unabhängig von ihrer Funktion – ob Famulantin, Ärztin, MFA oder Reinigungskraft.
Ist die bisherige Tätigkeit mit Risiken behaftet, muss sie angepasst oder durch eine mutterschutzkonforme Alternativaufgabe ersetzt werden. Ist auch das nicht möglich, greift ein betriebliches Beschäftigungsverbot nach § 13 MuSchG. Dabei handelt es sich nicht um eine ärztliche Krankschreibung, sondern um eine arbeitgeberseitige Maßnahme zum präventiven Gesundheitsschutz.
Typische Einschränkungen im medizinischen Alltag
In Klinik und Praxis ergeben sich regelmäßig konkrete Tätigkeitsverbote. Schwangere dürfen weder mit infektiösen Patientinnen und Patienten noch mit infektiösem Material in Kontakt kommen. Auch invasive Tätigkeiten wie Injektionen, Blutabnahmen oder chirurgische Assistenz sind unzulässig. Das Umlagern schwerer Patient:innen ist ebenfalls zu vermeiden, da die Hebegrenze in der Schwangerschaft bei rund fünf bis zehn Kilogramm liegt.
Als Übergangslösung bietet sich häufig ein Einsatz im Verwaltungsbereich an – etwa an der Anmeldung oder bei Dokumentationsaufgaben. Voraussetzung ist, dass diese Tätigkeiten keine zusätzlichen gesundheitlichen Belastungen mit sich bringen. Andernfalls bleibt nur das Beschäftigungsverbot.
Gesetzliche Schutzfristen vor und nach der Geburt
Neben betrieblichen Anpassungen gelten allgemeine Mutterschutzfristen. In den sechs Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin besteht ein relatives Beschäftigungsverbot: Die Schwangere darf nur dann weiterarbeiten, wenn sie das ausdrücklich wünscht. Nach der Geburt gilt ein absolutes Beschäftigungsverbot von acht Wochen – bei Früh- oder Mehrlingsgeburten verlängert auf zwölf Wochen. Eine Beschäftigung ist in dieser Phase ausnahmslos untersagt.
Neu ist seit dem 1. Juni 2025 eine gestaffelte Schutzregelung bei Fehlgeburten ab der 13. Schwangerschaftswoche. Je nach Schwangerschaftsalter gelten Schutzfristen zwischen zwei und acht Wochen, begleitet von einem Beschäftigungsverbot und Anspruch auf Mutterschaftsleistungen.
Arbeitszeiten, Ruhepausen und Dienste
Auch beim Dienstplan gelten strenge Vorgaben. Schwangere dürfen nicht mehr als 8,5 Stunden täglich beschäftigt werden. Bei minderjährigen Mitarbeiterinnen liegt die Grenze bei acht Stunden. Zwischen zwei Arbeitseinsätzen müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen.
Dienste an Sonn- und Feiertagen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Schwangeren zulässig. Arbeit zwischen 20 und 22 Uhr bedarf zusätzlich eines ärztlichen Attests und einer behördlichen Genehmigung. Nach 22 Uhr ist Nachtarbeit für Schwangere gesetzlich verboten.
Praxen und Kliniken müssen darüber hinaus sicherstellen, dass schwangere oder stillende Mitarbeiterinnen jederzeit die Möglichkeit haben, sich auszuruhen, hinzulegen oder ihre Tätigkeit kurzzeitig zu unterbrechen.
Rechtliche Folgen bei Verstößen
Das Mutterschutzgesetz ist für Arbeitgeber bindend. Verstöße – etwa durch unterlassene Gefährdungsbeurteilung oder rechtswidrige Beschäftigung trotz Gefährdung – gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro geahndet werden (§ 32 MuSchG). Kommt es darüber hinaus zu gesundheitlichen Schäden, drohen haftungsrechtliche Konsequenzen.
Ein verantwortungsvoller und vorausschauender Umgang mit Mutterschutzregelungen ist daher nicht nur aus ethischer Sicht geboten, sondern auch rechtlich zwingend. Ärztliche Leitungskräfte und Personalverantwortliche sind gut beraten, sich regelmäßig fortzubilden und bei Unsicherheiten juristischen oder arbeitsmedizinischen Rat einzuholen.
Quelle:https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/, https://www.bgw-online.de, https://www.bmfsfj.de, https://dserver.bundestag.de/btd/20/102/2010234.pdf