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Arbeitsrecht

Stellen Sie sich vor, Sie sehen auf WhatsApp ein Foto Ihrer MFA, auf dem sie sich auf einer Party eng umschlungen mit fünf Freundinnen zeigt – und das in Zeiten von Corona. Sie sind so bedient von dem verantwortungslosen Verhalten, dass Sie der Mitarbeiterin am nächsten Morgen fristlos kündigen. Schließlich gefährdet sie nicht nur sich, sondern auch alle Mitarbeiter und Patienten.

Einen ähnlichen Fall hatte aktuell das Arbeitsgericht Osnabrück auf dem Tisch. Dort hatte ein Mitarbeiter Ende März 2020 auf seinem privaten WhatsApp-Account ein Foto gepostet, das ihn mit fünf weiteren Männern in seiner Wohnung zeigte. Sie saßen im engen Kreis auf dem Boden und spielten Karten. Das Bild trug die Unterschrift „Quarantäne bei mir“. Das Foto war in der Freizeit des Arbeitnehmers entstanden. Rückschlüsse auf den Arbeitgeber konnten aus dem Foto nicht gezogen werden, denn der Mitarbeiter trug keine Dienstkleidung.

Prozess endet mit Vergleich

Der Chef regte sich trotzdem auf und kündigte fristlos. Er hielt die weitere Zusammenarbeit für unzumutbar, da er davon ausgehen müsse, dass der Mitarbeiter die angeordneten Corona-Schutzmaßnahmen nicht ernst nehme und keinerlei Bereitschaft zeige, sich an diese zu halten. Zudem habe er Sorge um die im Betrieb beschäftigten Risikopersonen, die er schützen wolle.

Die Frage, ob ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter wegen Verletzung der Corona-Abstandsregelungen in dessen Freizeit kündigen darf, blieb in dem Verfahren leider ungeklärt, denn die Parteien einigten sich auf einen Vergleich (Az. 2 Ca 143/20). Sie ist aber dennoch hoch brisant und könnte bei einer zweiten Infektionswelle oder beim lokalen Aufflammen von Corona besonders für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte an Bedeutung gewinnen. Denn natürlich will sich der Praxisinhaber darauf verlassen können, dass seine Mitarbeiter sich auch außerhalb der Praxis an die Regeln halten um sich selbst, die Patienten und die Kollegen nicht zu gefährden.

Verhalten in der Freizeit nur im Ausnahmefall relevant

„Wie sich der Arbeitnehmer in der Freizeit verhält, ist grundsätzlich seine Sache“, erklärt Prof. Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. „Selbst Straftaten in der Freizeit des Arbeitnehmers bleiben arbeitsrechtlich regelmäßig ohne Konsequenz. Ein außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers hat nur dann Folgen, wenn es auf das Arbeitsverhältnis ausstrahlt oder ein Bezug zum Arbeitgeber hergestellt wird“, so Fuhlrott weiter. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Mitarbeiter auffällige Dienstkleidung mit dem Logo des Arbeitgebers wie etwa ein Poloshirt mit dem Praxislogo trägt oder aus dem Foto sonstige Rückschlüsse auf den Arbeitgeber gezogen werden können.

Den Fall aus Osnabrück hält Fuhlrott für grenzwertig. „Hier kann der Arbeitgeber durchaus davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer auch betriebliche Schutzmaßnahmen womöglich missachtet und dadurch die Gesundheit von Kolleginnen und Kollegen riskiert.“ Gleichwohl sieht Fuhlrott den Ausspruch einer fristlosen Kündigung als kritisch an: „Eine Kündigung als schärfestes Mittel darf nur dann gewählt werden, wenn alle anderen Optionen wie zum Beispiel eine Abmahnung, ausgeschöpft sind. Vorliegend hätte es sich auch womöglich angeboten, den Arbeitnehmer zur Vorlage eines ärztlichen Attestes aufzufordern und ihn solange – gegebenenfalls auch unbezahlt – von der Arbeit freizustellen.“