Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Die Arbeitswelt ist schon für Gesunde ziemlich komplex. Wer mit Beeinträchtigungen leben muss, hat es noch schwerer, hier Fuß zu fassen und seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu verdienen.

Um diese Nachteile auszugleichen, hat der Gesetzgeber schwerbehinderte Mitarbeiter mit diversen Sonderrechten ausgestattet. Arbeitgeber haben daher nicht nur Vorkehrungen zu treffen, um ihre Gleichbehandlung mit Gesunden zu gewährleisten. Sie müssen ihnen auch mehr bezahlten Urlaub gewähren, können nicht ohne Weiteres Überstunden anordnen und vor dem Verlust ihrer Stelle sind schwerbehinderte Menschen (noch) besser geschützt als Arbeitnehmer ohne Beeinträchtigungen. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen sind bei ihnen nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes erlaubt.

Viele praktische Probleme

So nachvollziehbar und sinnvoll die gesetzlichen Regelungen auch sind – sie führen immer wieder zu Verunsicherungen bei ärztlichen Arbeitgebern. Denn nicht immer lässt sich zweifelsfrei feststellen, wer eigentlich schwerbehindert im Sinne des Gesetzes ist. Und auch was die Privilegien dieser Gruppe anbelangt, kursiert zum Teil gefährliches Halbwissen.

Ob ein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeits- und Sozialrechts behindert ist, bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 des neunten Sozialgesetzbuchs. Danach sind Menschen mit Behinderungen jene, die „körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung […] liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht.“ Nach Abs. 2 gilt eine Person als schwerbehindert, wenn der Grad der Behinderung bei mindestens 50 Prozent liegt.

Das klingt nach einer eindeutigen Regelung. In der Praxis allerdings sind Schwerbehinderungen nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Denn nicht nur, wer im Rollstuhl sitzt oder andere erkennbare Beeinträchtigungen hat, fällt unter die gesetzliche Definition. Auch eine (überstandene) Krebserkrankung, Diabetes oder Asthma können zu einer Schwerbehinderung führen. Gleiches gilt für bestimmte psychische Leiden. Zudem können Menschen mit einem Behinderungsgrad unter 50, aber von mindestens 30 unter bestimmten Umständen einem Schwerbehinderten gleichgestellt sein (siehe Kasten).

Keine Informationspflichten

Erschwert wird die Lage dadurch, dass Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, ihren Chef auf ihre gesundheitlichen Probleme hinzuweisen. Um von den gesetzlichen Privilegien – etwa dem Sonderkündigungsschutz – zu profitieren, genügt es, dass die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung amtlich festgestellt war. Gleiches gilt, wenn der Betroffene spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde, der aber zu einem späteren Zeitpunkt positiv beschieden wird.

Grund für Behinderungsgrad

  • Einen groben Anhaltspunkt, welche Krankheiten welchen Behinderungsgrad nach sich ziehen können, liefert die sogenannte GdS-Tabelle.
  • Danach schlagen zum Beispiel ausgeprägte depressive, hypochondrische oder phobische Störungen mit 30 bis 40 Prozent zu Buche. Bronchialasthma kann selbst ohne dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion zu einer 50-prozentigen Beeinträchtigung führen, schwere Hypertonie sogar zu 100 Prozent.
  • Mehrere Beeinträchtigungen können den Behinderungsgrad steigern, werden aber nicht einfach addiert.