Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Dem Urteil vom 18. September 2013 (Az. 5 U 40/13) liegt der Fall einer Privaten Krankenversicherung zugrunde, die von einem Allgemeinmediziner Behandlungskosten zurückforderte, da nach Auffassung der Versicherung die Zahlungen ohne rechtlichen Grund geleistet wurden. Weder waren die berechneten Leistungen nach den Regeln ärztlicher Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich, noch hatte der bei der klagenden Kasse versicherte Patient die Leistungen verlangt (§ 1 Abs. 2 GOÄ). Wegen weiterer, auf Rechnungen des Laborarztes gezahlter Beträge haftet der beklagte Arzt nach Auffassung der Versicherung infolge einer Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung des Patienten auf Schadensersatz.

Das zuständige Landgericht bestätigte die Auffassung der Versicherung in erster Instanz und auch das von dem Arzt angerufene OLG gab der Versicherung recht.

OLG: Medizinisch nicht notwendige Leistungen in Rechnung gestellt

In den Urteilsgründen führt das OLG aus, dass der Beklagte nach den Feststellungen des Sachverständigen dem Patienten medizinisch nicht notwendige Leistungen in Rechnung gestellt hat. In entsprechender Höhe hat der Patient an den Beklagten Zahlungen ohne Rechtsgrund erbracht.

Das OLG kommt darüber hinaus auch zu einer Haftung des Beklagten für die von ihm veranlassten Leistungen des Laborarztes. Dabei kann es nach Überzeugung der Kammer dahingestellt bleiben, zwischen wem durch die Beauftragung ein Vertragsverhältnis begründet wurde. „Für ein zwischen dem Beklagten und dem Laborarzt Dr. L bestehendes Vertragsverhältnis sprach einerseits die in den Rechnungen (…) enthaltene Formulierung “Laborauftrag erteilt durch Privatpraxis Dr. med. G2 Allgemeinmedizin”. Dagegen sprach andererseits, dass die Rechnung nicht an den Beklagten, sondern an den Patienten (…) gerichtet war. In der Regel entspricht es auch dem Willen und Interesse der Beteiligten sowie den Bedürfnissen der Praxis, dass bei Übersendung von Untersuchungsmaterial an den Laborarzt durch den behandelnden Arzt ein Vertragsverhältnis zwischen Laborarzt und Patient begründet wird. Wie die vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall ausgestaltet waren, bedarf jedoch keiner weiteren Entscheidung.

Denn jedenfalls stand dem Patienten gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz (…) zu, soweit bei den Leistungen (…) über das Maß einer medizinisch notwendigen Versorgung hinausgegangen wurde. Der Beklagte hat die sich aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten ergebende Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung verletzt, indem er Laboraufträge an Herrn Dr. L erteilte, ohne den Patienten zuvor darüber aufgeklärt zu haben, dass es sich bei den labormedizinischen Leistungen um solche handeln würden, die die Krankenversicherung aufgrund fehlender medizinischer Indikation nicht erstatten würde.

Abrechnung nur nach Aufklärung

Geht eine Behandlung über das Maß des medizinisch Notwendigen hinaus, darf der Arzt die auf Verlangen des Patienten erbrachten Leistungen nur dann abrechnen, wenn er ihn zuvor darüber aufgeklärt hat, dass die beabsichtigte Behandlung über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgeht (…). Es gehört zu den Pflichten des behandelnden Arztes, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, soweit er über bessere Kenntnisse und ein besseres Wissen verfügt (…). Dies ist dann der Fall, wenn der behandelnde Arzt positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch den Krankenversicherer hat, oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist.

Diese Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung trifft den Arzt nicht nur bei eigenen Leistungen. Er muss den Patienten auch dann aufklären, wenn er Laborleistungen eines Laborarztes durch Übersendung von Labormaterial veranlasst, deren Erstattung nicht gesichert ist. Aus den im Gutachten des Sachverständigen überzeugend ausgeführten Gründen gingen die Laboruntersuchungen über das medizinisch Notwendige hinaus, sodass deren Erstattungsfähigkeit nicht gesichert war. Der Senat geht mangels gegenteiliger Hinweise auch davon aus, dass dies dem Beklagten als Allgemeinmediziner bekannt war.“

A&W-Tipp

Bei der Empfehlung von Ige-Leistungen oder Wunschleistungen müssen Sie Sorgfalt walten lassen. Der Patient versteht in diesen Fällen schnell etwas falsch. Das neu eingeführte Patientenrechtegesetz fordert Sie als Arzt. Es ist Ihre Aufgabe zu erkennen, ob der Patient die Leistungen selbst zahlen muss. Sie tragen die wirtschaftliche Aufklärungspflicht und müssen umfassend über die Kosten einer Behandlung informieren. Dazu gehört auch die Aufklärung über Kosten für Leistungen von, durch Sie beauftragten Dritten. Die Entscheidung zeigt deutlich die Schnittstelle zwischen ärztlicher Entscheidung und wirtschaftlichem beziehungsweise versicherungsvertraglichem Interesse des Patienten. Sie müssen in diesem Feld sehr sensibel agieren. Wenn Sie als Arzt eine Leistung für sinnvoll erachten, aber wissen, dass eine vertragliche Erstattung dieser Leistung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit nicht erfolgen wird, sollten Sie die Leistung Ihrem Patienten trotzdem anbieten. Maßgeblich kann einzig Ihre ärztliche Einschätzung sein. Sprechen Sie daher Ihren Patienten Ihre Empfehlung aus, allerdings mit dem Hinweis, dass eine Erstattung unter Umständen nicht erfolgen wird. Die Entscheidung muss dann der Patient treffen. Nur so sind Sie nicht angreifbar.