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Recht

Ärzte sind nicht verpflichtet, ihren Patienten nach dem Aufklärungsgespräch über die Risiken einer Operation eine bestimmte Bedenkzeit einzuräumen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil entschieden. Der Patient bestimme selbst, ob er zeitnah in die Behandlung einwilligen oder seine Entscheidung noch länger überdenken wolle (Az. VI ZR 375/21).

Einwilligung direkt im Anschluss an die Aufklärung?

Der Entscheidung lag der Fall eines Mannes zugrunde, der sich wegen chronisch rezidivierender Ohrentzündungen und Paukenergüssen in Behandlung eines HNO-Arztes befand. Da dieser eine Mastoidektomie empfahl, stellte sich der Patient in einem Krankenhaus vor. Dort riet man ihm, zur Optimierung der Nasenluftpassage erst die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen.

Im Zuge der Vorbereitungen auf den Termin wurde der Mann über die erheblichen Risiken des Eingriffs informiert. Auf Bitten der aufklärenden Ärztin unterschrieb er im Anschluss an das Gespräch die Einverständniserklärung für die Operation. Der Eingriff selbst erfolgte vier Tage später – und verlief alles andere als glatt.

Noch während der Operation trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Die folgende neurochirurgischen Intervention brachte zudem ans Licht, dass es bei dem ersten Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war.

Der Patienten verklagte daraufhin die Klinik auf Schadensersatz und Schmerzensgeld und begründete dies mit fehlerhafter Aufklärung. Man habe ihm vor der Erteilung seiner Einwilligung zu wenig Bedenkzeit eingeräumt.

Bundesgerichtshof zur Bedenkzeit nach Aufklärung des Patienten

Die erste Instanz entschied zugunsten der Klinik. Die zweite Instanz, das Oberlandesgericht Bremen, bejahte hingegen einen Aufklärungsfehler. Der Fall landete schließlich vor dem BGH – und endete im Sinne des Krankenhauses.

So befanden die höchsten deutschen Zivilrichter, dass Ärzte einem Patienten nach der Aufklärung über eine Operation keine zwingende Bedenkzeit einräumen müssten. Ein Patient dürfe sofort nach der Aufklärung entscheiden, ob er in die Behandlung einwilligen wolle oder nicht.

Zwar habe die Aufklärung über sämtliche wesentliche Umstände so rechtzeitig zu erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen könne. Eine „Sperrfrist“ zwischen Aufklärung und Einwilligung sei hingegen nicht erforderlich (vgl.  § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB). Der Zeitpunkt der Entscheidung sei alleine die „Sache des Patienten“.

Etwas anderes könne laut BGH nur in Fällen gelten, in denen es für den Arzt oder die Ärztin klar erkennbar ist, dass der Patient noch nicht in der Lage ist, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen. Das aber sei vorliegend nicht der Fall gewesen.