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Erbrecht

Wir alle wissen, wie schnell einen das Schicksal treffen kann. Wer da für den Ernstfall vorsorgt, vermeidet Komplikationen sowie Streit um den Nachlass und weiß seine Liebsten gut versorgt.

Ohne Testament gibt es oft böse Überraschungen

Beispiel: Ein Mann verunglückt bei einem Verkehrsunfall, er hinterlässt seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Da kein Testament vorhanden ist, bekommt jeder der drei seinen gesetzlichen Erbteil zugesprochen. Aus finanziellen Gründen muss die Frau das Eigenheim verkaufen. Von Ge­setzes wegen gehört das Haus einer Erbengemeinschaft zwischen ihr und den Kindern. Der Verkaufserlös ist also aufgrund der geteilten Ansprüche teilweise einge­froren und steht nicht voll für die Versorgung der Familie zur Verfügung. Zudem bedarf der Verkauf der oft langwierigen richter­lichen Genehmigung. Das Erbrecht will damit die Ansprüche der Kinder schützen, verschlimmert in der Praxis aber die Probleme des verbliebenen Ehepartners.

All diese Komplikationen hätten verhindert werden können, wenn der Erblasser ein kurzes Testament hinterlassen hätte, in dem er seine Ehefrau zur Alleinerbin einsetzt. (Lesen Sie auch: Vollmachten, Testament, Bestattung: 5 Fragen, auf die Sie Antworten haben sollten)

Natürlich sind die Regelungen eines Testaments so individuell wie die jeweilige Lebenssituation. Dennoch gibt es eine Reihe von Grundüberlegungen, mit denen sich dieses komplexe Thema in den Griff bekommen lässt. Hierfür gibt es drei W-Fragen:

  • Wer erbt von Gesetzes wegen?
  • Will ich das?
  • Was ist mit der Erbschaftsteuer?

Gesetzliche Erbfolge

Die ist quasi das „Kassenmodell“, mit dem der Gesetzgeber bestimmt, was gilt, wenn kein gültiges Testament hinterlassen wurde. Bin ich verheiratet, so erhält mein Ehegatte von Gesetzes ­wegen einen Erbteil. Die Höhe hängt von zwei Faktoren ab: Welcher Güterstand galt? Welche Verwandte gibt es sonst? Im Erbrecht hat nicht jeder Verwandte einen Anspruch.

Pflichtteilsrechte werden im Testament nicht berücksichtigt

Neben Kindern erbt der Ehegatte beim gesetzlichen Güterstand beispielsweise ein Halb, neben einem Bruder des Verstorbenen erbt er drei Viertel. Das Erbrecht der Verwandten hängt von Erbordnungen ab: Erste Ordnung sind Kinder und deren Abkömmlinge. Zweite Ordnung sind laut Erbrecht die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, wie Geschwister des Verstorbenen. Dritte Ordnung sind die Großeltern des Verstorbenen und deren Abkömmlinge.

Gibt es auch nur einen Erben in einer besseren Erbordnung, so schließt dieser die Erben der weiteren Erbordnungen aus. Habe ich zum Beispiel einen Sohn aus erster Ehe, mit dem ich mich nicht verstehe und eine Tochter aus zweiter Ehe, so haben bei gesetzlichem Güterstand meine Frau zur Hälfte und jedes Kind zu einem Viertel Anspruch auf das Erbe.

Eine solche Erbengemeinschaft bedeutet, dass alle Gegenstände und Werte des Nachlasses allen Erben zur gesamten Hand gehören. Keiner kann über den Nachlass ohne den anderen verfügen. Wenn man sich nicht einig wird, wird der Nachlass versilbert. Gibt es Streit um die Höhe des Vermögens, kann der Pflichtteilsberechtigte Wertgutachten verlangen. Das ist typischerweise nicht gewollt, weshalb in solchen Fällen ein Testament der Erblasser unumgänglich ist.

Wie kann ich ein Testament verfassen?

Nach deutschem Recht besteht Testierfreiheit. Man kann die gesetzliche Erbfolge beliebig ändern. Die wichtigsten Instrumente hierbei sind Erbeinsetzung und Vermächtnis. Durch Erbeinsetzung bestimme ich abweichend von der gesetzlichen Erbfolge jemand anderes zum alleinigen Erben oder mehrere Personen zu einer Erbengemeinschaft. Die häufigste Regelung bei Verheirateten ist dabei das sogenannte Berliner Testament. Für den Tod des erstversterbenden Ehegatten wird der andere zum Alleinerben eingesetzt, bei dessen Tod werden Schluss­erben bestimmt, beispielsweise die gemeinschaftlichen Kinder. Allerdings haben Kinder, die von ihren Eltern vom Erbe ausgeschlossen werden, trotzdem immer einen Pflichtteilsanspruch. Adoptierte Kinder sind ebenfalls pflichtteilsberechtigt. Vorangegangene Schenkungen werden auf den Pflichtteil angerechnet.

Was ist der Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis

Von der Erbeinsetzung ist das Vermächtnis zu unterscheiden. Erbe bedeutet Gesamtrechtsnachfolger. Das heißt, der Erbe tritt in die Fußstapfen des Verstorbenen. Auf ihn geht das Vermögen des Verstorbenen im Guten wie im Bösen über, Aktiva wie Passiva. Der Vermächtnisnehmer erhält hingegen einen bestimmten Gegenstand oder Vermögenswert.

Wer ist nicht pflichtteilsberechtigt?

Zu beachten ist bei der Testamentsgestaltung auf jeden Fall der Pflichtteil: Nahe Angehörige haben einen Pflichtteil in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils, wenn sie durch Testament nicht ausreichend oder gar nicht bedacht wurden. Pflichtteilsberechtigt sind: der Ehegatte, die Kinder oder, wenn diese schon verstorben sind, deren Kinder (Enkel des Erblassers), bei einem kinderlosen Erblasser die Eltern. Andere Personen, beispielsweise Geschwister, haben nie einen Pflichtteil an der Erbschaft!

Mit frühzeitigen Schenkungen Steuern sparen

Im Grundsatz löst jeder unentgeltliche Erwerb Steuer aus: bei einem Erwerb von Todes wegen die Erbschaftsteuer. Bei einem Erwerb unter Lebenden die Schenkungsteuer. Für beide Steuerarten gelten weitgehend dieselben Regelungen, insbesondere zu Frei­beträgen und Steuersätzen. Die wichtigsten Freibeträge sind: Ehegatte 500.000 Euro, jedes Kind 400.000 Euro, jedes Enkelkind 200.000 Euro. Sobald die Freibeträge überschritten sind, greifen Steuersätze, die sich nach der Steuerklasse richten.

  • Die günstigste Steuerklasse I gilt beispielsweise für Erbschaften eines Ehegatten oder eines Kindes. Hier betragen die Steuersätze je nach Höhe des Erwerbs 7 bis 30 Prozent.
  • In der Steuerklasse II, unter die beispielsweise Geschwister oder Neffen und Nichten fallen, betragen die Steuersätze 15 bis 43 Prozent.
  • In der ungünstigsten Steuerklasse III, die beispielsweise für nichteheliche Lebensgefährten gilt, betragen die Steuersätze 30 oder 50 Prozent.

Zudem gibt es etliche Steuerbefreiungen. Die wichtigste ist die Freistellung des selbstgenutzten Familienheims. Erbt ein Ehegatte von seinem verstorbenen Ehegatten die selbstgenutzte Immobilie, so bleibt dies steuerfrei, wenn er nach dem Erbfall dort mindestens für zehn Jahre lang wohnen bleibt. Sobald die Freibeträge überschritten sind, sollte geprüft werden, ob durch geschickte Testamentsgestaltung oder durch vorweggenommene Erbfolge Steuern gespart werden können. Beispielsweise können die Freibeträge alle zehn Jahre ausgeschöpft werden, so dass also auf ein Kind alle zehn Jahre bis zu 400.000 Euro steuerfrei übertragen werden können.

Der Autor: Dr. Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht