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Erbrecht

In der europäischen Union gibt es jährlich etwa 450.000 Erbschaften mit Auslandsbezug. Von einem Auslandsbezug spricht man, wenn der Erblasser nicht in seinem Heimatland lebte oder Vermögen in einem anderen Land hinterlässt.

Bislang beantwortete die Fragen zum Vererben jeder EU-Staat nach seinen Regeln: Der deutsche Richter folgte dem Staatsangehörigkeitsprinzip, beurteilte den Erbfall nach dem Heimatrecht des Erblassers, während ein französischer Richter für bewegliches Vermögen auf das Recht am Wohnsitz des Erblassers abstellte und für unbewegliches Vermögen auf das Recht des Lageortes. Dies konnte dazu führen, dass ein Erbfall vor den Gerichten des einen Landes anders beurteilt wurde als vor den Gerichten des anderen.

Das Recht des Lebensmittelpunktes gilt

Dieses Durcheinander beendete die EU-ErbVO. Hiernach wenden die EU-Staaten auf einen Erbfall einheitlich das Recht des Staates an, in dem der Erblasser seinen Lebensmittelpunkt hatte (eine Ausnahme gilt für Dänemark, Großbritannien und Irland, diese Staaten sind der Verordnung nicht beigetreten).

Viele Deutsche haben Ferienimmobilien im Ausland. Für sie ändert sich beim Vererben meist nichts, da ihr Lebensmittelpunkt trotz der Ferienwohnung in Deutschland ist. Bisher galt für sie deutsches Recht wegen ihrer Staatsangehörigkeit. Künftig gilt deutsches Recht, weil sie hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Ausnahmeregelung für Immobilien in Frankreich

Eine Ausnahme gilt für Ferienimmobilien in Frankreich: Für diese galt aufgrund einer Sonderregelung bislang auch beim Tod deutscher Staatsangehöriger französisches Erbrecht. Künftig gilt auch für diese Immobilien bei Deutschen mit Lebensmittelpunkt in Deutschland deutsches Erbrecht. Oft wurde für solche Immobilien in Frankreich ein Testament errichtet, welches speziell auf das französische Recht abgestimmt war. Hier sollte geprüft werden, ob dieses Testament noch passend ist.

Deutsche mit Lebensmittelpunkt im Ausland

Prüfungsbedarf besteht auch bei Deutschen mit Lebensmittelpunkt im Ausland. Wer als Deutscher seinen Alterswohnsitz auf Mallorca genommen hat, unterliegt im Erbfall künftig den Regeln des spanischen Rechts. Das spanische Recht wiederum kennt viele erbrechtliche Instrumente, die in Deutschland gang und gäbe sind, nicht, und erkennt sie auch nicht oder nur unter Schwierigkeiten an, wie das gemeinschaftliche Testament oder den Erbvertrag. Hier bietet es sich häufig an, eine Rechtswahl zu Gunsten des vertrauten, deutschen Rechts zu treffen.

Weniger Kosten dank europäischem Nachlasszeugnis

Noch eine wichtige praktische Neuerung bringt die EU-ErbVO. Bislang wurde ein deutscher Erbschein im Ausland meist nicht anerkannt, was dazu führte, dass beispielsweise bei der Vererbung einer Immobilie in Österreich ein eigenes, kostenträchtiges Nachlassverfahren eingeleitet werden musste. Damit ist nun Schluss. Die Erben können sich von dem deutschen Nachlassgericht ein europäisches Nachlasszeugnis ausstellen lassen, welches in allen Mitgliedstaaten der Verordnung anerkannt werden muss.

Der Autor: Dr. Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht