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Recht

Darf man schwerstkranke Patienten unterstützen, die sich das Leben nehmen möchten, aber wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage sind, sich die potenziell todbringenden Medikamente selbst zu besorgen? Wie alle Fragen, in denen es um lebensverkürzende Maßnahmen geht, ist auch diese schwierig zu beantworten. Auf den ersten Blick scheint die Antwort zwar klar zu sein, denn das Betäubungsmittelgesetz verbietet in § 5 Abs. 1 Nr. 6 den Erwerb eines tödlich wirkenden Medikaments zum Zweck des Suizids ausnahmslos. Doch darf der Gesetzgeber eine solch strikte Regel aufstellen, wenn ein Mensch aus nachvollziehbaren Gründen seinem Leben ein Ende setzen will?

Recht auf Selbstbestimmung

Zweifel daran sind angebracht. Und auch das Verwaltungsgerichts Köln verneint diese Frage. Die betäubungsmittelrechtliche Regelung ist seiner Meinung nach verfassungswidrig, weil sie dem Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Tod in schweren Fällen nicht ausreichend Rechnung trage. Da jedoch nur das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklären kann, hat das Verwaltungsgericht die Frage nun den Karlsruher Richtern zur Entscheidung vorgelegt (Az. 7 K 8461/18; 7 K 13803/17; 7 K 14642/17; 7 K 8560/18; 7 K 1410/18; 7 K 583/19).

Schwierige Abwägung

In den Verfahren, die der Entscheidung zugrunde lagen, litten alle Kläger unter schweren Erkrankungen und deren Folgen. Sie begehrten daher unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital. Das BVerwG hatte damals einschlägige Versagungsnormen des Betäubungsmittelgesetzes im Lichte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Gebots der Menschenwürde dahingehend ausgelegt, dass der Erwerb des Tötungsmittels ausnahmsweise erlaubt sein könne, wenn sich der suizidwillige Erwerber wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung mit gravierenden körperlichen Leiden in einer extremen Notlage befinde, entscheidungsfähig sei und keine andere zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches zur Verfügung stehe (Az. 3 C 19/15).

Dennoch hat das beklagte Bundesamt für Arzneimittel (BfArm) die Anträge der Kölner Kläger abgelehnt. Dagegen richten sich die Klagen zum VG Köln, das die Fragen nun dem Bundesverfassungsgericht vorlegte. Die Kammer sah – anders als das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2017 – keine Möglichkeit für eine verfassungskonforme Auslegung der Versagungsnorm. Nun hat Karlsruhe das letzte Wort und könnte eine weitere Grundsatzentscheidung zum Thema Sterbehilfe sprechen.

Hoffen auf mehr Rechtssicherheit

Erst im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Sterbehilfe durch Ärzte nicht mehr strafbar ist: Das Recht, sich selbst zu töten, umfasse auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen bzw. angebotene Hilfe in Anspruch zu nehmen (Az. 2 BvR 2347/15, 2 BvR 2527/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 1261/16 und 2 BvR 651/16). Zu welchem Ergebnis das Gericht im aktuellen Verfahren kommen wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall aber ist zu hoffen, dass Sterbewillige und Ärzte am Ende des Verfahrens Rechtssicherheit haben, wie mit dieser schwierigen Frage umzugehen ist.