Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Tatsächlich ergibt bereits ein flüchtiger Blick in den Art. 21 des Gesetzes vom 12.12.2019, dass die Änderungen des LAG lediglich dazu dienen, das betreffende Gesetz an das neu erlassene Sozialgesetzbuch XIV anzupassen. Keineswegs kann das LAG 1952 zu einer umfassenden Sanierung von Staatsfinanzen und bzw. oder zu einer tatsächlichen oder versteckten Enteignung einzelner Bevölkerungsgruppen genutzt werden. Dies ergibt sich bereits aus § 1 LAG, der das Ziel des Lastenausgleichs regelt. Danach soll das LAG der Abgeltung von Schäden und Verlusten dienen, die sich infolge von Vertreibungen und Zerstörungen in Deutschland während des 2. Weltkriegs eingetreten sind. Diesem Ziel dienen auch die Ausgleichsleistungen nach § 4 LAG, die weder eine Sanierung staatlicher Finanzen bezwecken, noch bestimmte Bevölkerungsgruppen enteignen sollen.

Sofern unter einem Lastenausgleich eine einmalige oder wiederkehrende Last oder Abgabe verstanden wird, mit der die staatlichen Finanzen saniert, die Wirtschaft angekurbelt und bzw. oder bestimmte Umverteilungseffekte in der Bundesrepublik erreicht werden sollen, bedürfte es eines neuen Lastenausgleichsgesetzes, das sich nach seiner Systematik und Inhalt vom Lastenausgleichsgesetz 1952 bzw. 1953 grundlegend unterscheiden würde. Ob ein solches Gesetz ausgehend von geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen wirksam zustande kommen könnte bzw. vom Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, ist zweifelhaft. Unabhängig davon bestünde nach der aktuellen politischen Landschaft in der Bundesrepublik wohl keine Möglichkeit, ein solches Gesetz parlamentarisch durchzusetzen. In diesem Beitrag werden wir der Frage nachgehen, wie ein möglicher Lastenausgleich aussehen könnte, sollte dieser tatsächlich als ein Instrument für die Sanierung der Staatsfinanzen und bzw. oder als ein Instrument der Umverteilung dienen.

Ziele des Lastenausgleichs

Es besteht wohl allgemeiner Konsens, dass sich die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Situation in der Bundesrepublik Ende der 1940er – Anfang 1950er-Jahre und diese in Deutschland heutiger Zeit grundlegend unterscheidet. Nach dem 2. Weltkrieg musste Deutschland den verheerenden Folgen des 2. Weltkriegs Herr werden und die katastrophale Lage von Kriegsgeschädigten, Vertriebenen und Flüchtlingen verbessern. Diesen Zielen diente bzw. dient das Lastenausgleichsgesetz 1952 bzw. 1993.

Die Herausforderungen heutiger Zeit bestehen insbesondere darin, die Staatsfinanzen wieder auf „gesunde Beine“ zu stellen, die Wirtschaft anzukurbeln, Anreize für weiteres Wachstum zu schaffen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu optimieren, dass breite Bevölkerungsschichten höhere Einkommen und Vermögen generieren können. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Lastenausgleich, wie auch immer dieser konzipiert wäre, auf der einen Seite staatliche Finanzen sanieren und Wirtschaft ankurbeln und auf der anderen Seite gleichzeitig das Vertrauen in die Politik nicht untergraben sollte. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Sonderabgabe, die neben den bestehenden Steuern und Abgaben die Bevölkerung zusätzlich erheblich belasten würde, einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik mit sich bringen kann.

Lastenausgleich als eine einmalige Sonderabgabe

Rechtssystematisch könnte der Lastenausgleich als eine wiederkehrende oder als eine einmalige Sonderabgabe ausgestaltet werden. Bei einem wiederkehrenden Lastenausgleich bestünde das Problem, das eine Abgrenzung zu laufenden wiederkehrenden Steuern und Abgaben erforderlich wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der Staat nämlich nicht bestimmte Einkünfte in gleicher Weise mehrfach besteuern: unterlagen Gewinne, Kapitaleinkünfte, Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit etc. bereits der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, ist es rechtlich grundsätzlich nicht zulässig, die gleichen Einkünfte noch einmal mit einer wiederkehrenden Lastenausgleichsabgabe zu belegen, da dies eine Doppelbesteuerung der betreffenden Einkünfte nach sich ziehen würde.

Zwar kennt das Einkommensteuer und Körperschaftsteuerrecht Abzugssteuern, wie Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer, die neben der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer auf die gleichen Einkünfte zugreifen. Allerdings sind die betreffenden Abzugssteuern auf die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer anzurechnen, sodass eine Doppelbesteuerung ausbleibt. Bei einem wiederkehrenden Lastenausgleich wäre eine solche Anrechnung steuerrechtlich kaum möglich bzw. verwaltungstechnisch sehr schwierig, da das Besteuerungssubstrat (Bemessungsgrundlage) des Lastenausgleichs und der Einkommensteuer bzw. der Körperschaftsteuer nicht deckungsgleich wären.

Es ist deshalb zu vermuten, dass ein Lastenausgleich rechtstechnisch nur als eine einmalige Sonderabgabe ausgestaltet wäre. Diesen Weg beschritt auch das Lastenausgleichsgesetz 1952 bzw. 1993. Um die Belastungswirkungen einer solchen Sonderabgabe abzufedern, könnte diese auf mehrere Jahre oder Jahrzehnte aufgeteilt werden. Auch hier kann das geltende Lastenausgleichsgesetz Pate stehen: hier wurde der Lastenausgleich gleich auf mehrere Jahrzehnte verteilt, sodass deren jährliche Belastung unter 2 % des gesamten Lastenausgleichs blieb. Gleichwohl könnte eine solche Aufteilung, je nach tatsächlicher rechtstechnischer Ausgestaltung, ebenfalls als eine versteckte wiederkehrende Steuer angesehen werden, so dass auch in einem solchen Fall die Frage nach einer Doppelbesteuerung von Einkünften oder vom Vermögen aufgeworfen werden könnte.

Steuersubstrat (Bemessungsgrundlage) des Lastenausgleichs

Ein weiteres nicht minder gewichtiges Problem wäre die Bemessungsgrundlage eines möglichen Lastenausgleichs. Unter einer Bemessungsgrundlage wird steuerrechtlich das Steuersubstrat verstanden, auf das der Steuersatz bzw. die Steuersätze angewendet werden, so dass eine bestimmte Steuer berechnet wird. Die Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ist ein komplexer Vorgang, bestehend aus der Ermittlung einzelner Einkünfte bzw. aus der Bewertung einzelner Vermögenspositionen, welche nach weiteren Zwischenschritten in der Summe zu einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage einer Steuerart zusammengeführt werden. Im Fall eines Lastenausgleichs müssten einzelne Einkünfte bzw. Vermögenspositionen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Lastenausgleichs in einem konkreten Fall aufwendig ermittelt bzw. bewertet werden, wobei ausgehend von der Rechtsnatur des Lastenausgleichs als eine einmalige Sonderabgabe vielfach gesonderte Bewertungsmethoden vorgesehen werden müssten. Die betreffende Bewertung müsste sich grundsätzlich am Verkehrswert (steuerlich: dem gemeinen Wert) orientieren. Es liegt auf der Hand, dass eine zutreffende Wertermittlung diverser Vermögenspositionen mit Schwierigkeiten verbunden sein würde, zumal das geltende Bewertungsrecht, insbesondere das Bewertungsgesetz, hier nur lückenhafte Regelungen enthält.

Etwaige Vergünstigungen oder Freistellungen vom Lastenausgleich, sofern solche vorgesehen würden, bedürften einer Rechtfertigung. Zwar könnten Vergünstigungen oder Befreiungen z. B. vom Betriebsvermögen zwecks Sicherung der Arbeitsplätze und zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland auch im Rahmen des Lastenausgleichs vorgesehen werden. Allerdings müsste man sich dabei die Frage stellen, ob eine Kumulation von Steuervergünstigungen bzw. Steuerbefreiungen, etwa durch betreffende Regelungen im Einkommensteuer- und Erbschaftssteuerrecht zusammen mit Steuervergünstigungen und Steuerbefreiungen beim Lastenausgleich nicht gegen den fundamentalen steuerrechtlichen Grundsatz der Belastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie gegen den Gleichheitssatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz) verstoßen könnten.

Es wäre ferner unklar, ob bzw. inwiefern das im Ausland belegene Vermögen inländischer Steuerpflichtiger sowie das im Inland belegene Vermögen von beschränkt Steuerpflichtigen einem Lastenausgleich in Deutschland unterlegen könnte. Insbesondere bei einer Vermögenssteuer im Ausland würden sich schwierige Abgrenzungs- und Anrechnungsprobleme ergeben, sofern das betreffende Vermögen in Deutschland im Rahmen des Lastenausgleichs zu erfassen wäre. Würde das betreffende Vermögen im Ergebnis ungleich bzw. stärker belastet, als das Vermögen ohne einen grenzüberschreitenden Bezug, wäre ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten der europäischen Verträge bzw. gegen das EWR-Abkommen nicht auszuschließen.

Tarif und die Steuerbelastung des Lastenausgleichs

Schließlich könnte der Tarif des Lastenausgleichs und die kumulierte Gesamtsteuerbelastung mit den anderen Steuern und Abgaben Probleme bereiten. Ausgehend von der verfassungsrechtlich gebotenen Besteuerung der Steuerpflichtigen nach der Leistungsfähigkeit wäre ein einheitlicher Tarif des Lastenausgleichs nur schwer zu rechtfertigen. Ein gestaffelter Tarif eines Lastenausgleichs müsste der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und der anderweitigen Steuerbelastung von Steuerpflichtigen Rechnung tragen. Um den Verwaltungsvollzug des Lastenausgleichs nicht gänzlich zu untergraben, müsste der Gesetzgeber hier zu Pauschalierungen greifen. Ob solche Pauschalierungen gerechtfertigt wären bzw. ob größere Gruppen von Steuerpflichtigen hierdurch ungleich belasten würden, wäre hier ebenfalls nicht auszuschließen.

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

info@rechtsanwalt-dr-janzen.de