Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht

Ein Arzthaftungsprozess – egal aus welchen Gründen – ist immer eine unerfreuliche Angelegenheit für die Beteiligten. Auch und gerade, weil es stets mindestens einen Patienten gibt, der sich, zumindest subjektiv, nicht richtig behandelt fühlt. Gerade im Bereich der Geburtshilfe kommt es angesichts der horrenden Schadenersatzforderungen allerdings oft zu regelrechten Gutachterschlachten. Dabei bleibt es nicht aus, dass auch die Person des Sachverständigen mitunter Kontroversen auslöst.

Distanzlos und parteilich?

So auch im Fall eines Perinatalmediziners des Universitätsklinikums Leipzig, der sich, ebenso wie sein Arbeitgeber und einige seiner Kollegen, vor Gericht wegen des Vorwurfs diverser Behandlungsfehler bei einer Geburt zu verantworten hatte.  Einer der Sachverständigen schrieb in seinem Gutachten unter anderem folgende Passage:

„Am 25.10.2012 wurde die Patientin wegen Ziehen in den Kreißsaal verlegt und CTG-mäßig dauerüberwacht. Es kam zu einer weiteren Einschränkung des CRT….., sodass eine Vorstellung bei Prof. S., dem Erfahrensten der Abteilung und international anerkannten Experten für Perinatalmedizin – erfolgte, der dann aufgrund der kontinuierlich sich verschlechternden – aber noch nicht akut bedrohlichen Situation – die Sectio indizierte“.

Diese Äußerung hatten die Eltern des Kindes als distanzlos und parteilich beanstandet und den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Gericht teilte ihre Besorgnis nicht.

Keine berechtigten Zweifel an der Neutralität

Grundsätzlich ist die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen dann zu bejahen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Unparteilichkeit und Neutralität bestehen – und zwar aus Sicht einer vernünftigen Partei. Es müssen also ausreichend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das subjektive Misstrauen bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt ist und die Befürchtungen der Partei hinsichtlich der Parteilichkeit nachvollziehbar erscheint.

Abzustellen ist dabei auf stets die Besonderheiten des Einzelfalles – und die gaben nach Ansicht des OLG Dresden nicht genug her, um den Sachverständigen abzulehnen. Nach Meinung des Gerichts zielte der Absatz, in dem sich die kritisierte Passage befand, nämlich keineswegs darauf ab, das Handelns des Arztes im konkreten Fall zu bewerten. Vielmehr habe der Sachverständige damit zu erkennen gegeben, dass er von einer Einrichtung der Maximalversorgung, die von einem anerkannten Experten geführt werde, einen höheren Standard verlangt als von einer Einrichtung der Regelversorgung.

Dies ergebe sich auch aus dem letzten Satz des Gutachtens, wonach die Behandlung durch den Chefarzt „dem dort zu erwartenden hohen medizinischen Standard“ genügt hat.