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Medizinrecht

Spezialisten sind begehrt, doch auch die fähigsten Chirurgen haben nur zwei Hände – und können entsprechend nicht alle Operationen persönlich durchführen. Welche Folgen hat es nun, wenn ein Chefarzt, der in einer Wahlleistungsvereinbarung benannt ist, eine zugesagte Leistung an einen Vertreter delegiert, der in besagter Vereinbarung nicht gelistet ist? Diese Frage hatte vor Kurzem das Landgericht (LG) Essen zu entscheiden (Az. 16 O 229/19).

Konkret ging es um den Fall eines schwer krebskranken Patienten. Der Mann war bereits wegen eines Rektumkarzinoms operiert worden. Er plante nun, sich wegen Metastasen in der Leber einen Leberlappen entfernen zu lassen. Im Vorfeld des Eingriffs holte er sich unter anderem eine Zweitmeinung bei einem Professor des örtlichen Universitätsklinikums ein. Nachdem er sich dort eingehend hatte beraten lassen, sicherte ihm der Chefarzt zu, dass sein Haus über erhebliche Erfahrung auf diesem Gebiet verfüge. Er versprach zudem, dass er den geplanten Eingriff persönlich vornehmen werde. Daraufhin schloss der Patient mit der Klinik einen Vertrag über wahlärztliche Leistungen, wonach der Eingriff durch den erstberatenden Arzt, den Chefarzt oder einen weiteren, namentlich genannten Professor auszuführen sei.

Chefarzt delegiert an Oberarzt

Dazu allerdings kam es nicht. Denn am Tag des Operation wurde der Chefarzt nach eigenem Bekunden zur Revisionsoperation eines wenige Monate zuvor lebertransplantierten Kindes gerufen. Die OP des Krebspatienten delegierte er an einen seiner Oberärzte. Dieser war in der Wahhleistungsvereinbarung jedoch nicht als Vertreter benannt. Zudem brach er die Operation ab, ohne, wie geplant, den Leberlappen zu entfernen. Zur Begründung teilte er dem Patienten nach dessen Erwachen aus der Narkose mit, dass die Vollendung des Eingriffs wegen neuer Metastasen nicht mehr sinnvoll gewesen sei. Es bliebe nur noch eine palliative Chemotherapie.

Der Patient verklagte daraufhin die Klinik auf Schmerzensgeld. Argument: Er habe ausdrücklich nur in die Operation durch Chef und seine namentlich genannten Vertreter eingewilligt. In den Eingriff durch einen ihm unbekannten Oberarzt dagegen nicht. Damit sei der Eingriff rechtswidrig erfolgt, was einen entsprechenden Schmerzensgeldanspruch begründe.

Eingriff nicht von Einwilligung gedeckt

Das Landgericht Essen folgte dieser Argumentation. Es sprach dem Mann 7000 Euro Schmerzensgeld zu. Eine Einwilligung in eine Operation, bei der der Patient erkennbar Wert auf die Durchführung, gerade durch einen bestimmten Arzt legt, sei nicht gleichbedeutend mit der allgemeinen Einwilligung zur Operation durch andere Ärzte.

Fazit: Bei der Ausgestaltung von Wahlarztvereinbarungen sollten Kliniken nichts dem Zufall überlassen. Die Formulare sollten regelmäßig an die aktuelle Rechtsprechung angepasst werden. Besonders wichtig ist es, darauf zu achten, dass die Namen sämtlicher Stellvertreter und der jeweiligen Zuständigkeitsbereiche in der Wahlleistungsvereinbarung aufgeführt sind. Elementar ist es zudem, alle Vereinbarungen über Wahlleistungen schriftlich niederzulegen. Mündliche Absprachen genügen nicht und lassen im Zweifel den Honoraranspruch der behandelnden Ärzte entfallen.