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Medizinrecht

Es ist das höchste Schmerzensgeld, das ein deutsches Gericht einem Patienten bislang zugesprochen hat. Das Landgericht im hessischen Limburg hat ein Krankenhaus, eine Krankenschwester und eine Belegärztin zur Zahlung von insgesamt einer Million Euro Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen verurteilt (Az. 1 O 45/15). Zudem seien dem Geschädigten sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen Schäden sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen, die infolge der fehlerhaften Behandlung entstanden sind beziehungsweise noch entstehen werden.

Im konkreten Fall ging es um einen heute zehnjährigen Jungen, der im Dezember 2011 wegen eines Infekts stationär im besagten Krankenhaus behandelt wurde. Im Zuge der Behandlung sollte das Kind über einen Portzugang ein Antibiotikum erhalten. Der damals Einjährige regte sich darüber so auf, dass er sich beim Weinen an einem zuvor gegessenen Stück Apfel verschluckte, einen Atemstillstand erlitt und in der Folge schwerste Hirnschäden davontrug.

Mangelhafte Behandlungsstandards

Die Beweisaufnahme des Gerichts ergab, dass die diensthabende Krankenschwester bei der Gabe der Antibiose gewusst hatte, dass das Kind kurz zuvor gegessen hatte. Der Sachverständige befand: Da in der Kindermedizin stets mit einem atypischen oder unerwarteten Verhalten – zum Beispiel heftigem Schreien und Weinen – zu rechnen sei, hätte sie sich vor Beginn der Behandlung überzeugen müssen, dass sich im Mund des Kindes keine Speisereste befinden.

Zudem stellte sich heraus, dass auch die nach der Aspiration des Apfels eingeleiteten Rettungsmaßnahmen fehlerhaft und in der durchgeführten Form sogar schädlich gewesen seien. Zwar konnte das Notfall-Team die Atmung des Kindes per Intubation reaktivieren. Im Rahmen der Reanimation wurden die fachmedizinische Standards aber nicht in allen Belangen gewahrt.

Schwerwiegende Folgen für den Patienten

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes stellte die Kammer maßgeblich auf die Folgen für den jungen Kläger ab und ging deutlich über dessen Forderungen (bzw. die seiner Anwälte) hinaus.

Das Kind kann bis heute weder sprechen noch laufen. „Spielen mit seinen Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern, der Besuch eines Kindergartens oder einer normalen Schule, der Aufbau von regulären Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen sind ihm verwehrt“, so das Gericht.
Zudem sei der Junge rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen. Er könne seine Gefühle und Gedanken nur eingeschränkt äußern und selbst Essen und Schlafen seien für ihn infolge von Epilepsie und Schluckbeschwerden mit Angstzuständen verbunden.