Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht

Wegen eines angeborenen Herzfehlers verordneten die Ärzte einer Kinderklinik einem Säugling ein digitalishaltiges Medikament. Laut Entlassbrief sollte der Säugling morgens und abends jeweils einen Tropfen des Medikaments erhalten. Der Mitarbeiterin des behandelnden Kinderarztes unterlief jedoch ein Fehler und sie erstellte ein Rezept über das Medikament in Tablettenform statt über Tropfen. Der Kinderarzt unterzeichnete das Rezept, ohne den Fehler zu bemerken.

Niemand bemerkte den Fehler

Eine Tablette des Medikaments enthält die achtfache Menge Digitalis gegenüber einem Tropfen der Medikamentenlösung, weshalb die Tabletten nur für Erwachsene bestimmt sind.

Auch dem Apotheker fiel der Fehler nicht auf, obwohl ihm aufgrund der Angaben auf dem Rezept und der Mitteilung der Mutter bekannt war, dass das Medikament für einen Säugling sein sollte.

In der Folge erhielt der Säugling jeweils morgens und abends eine Tablette des Medikaments. Durch die Überdosierung erlitt er einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Zwar konnte das Leben des Kindes gerettet werden, jedoch erlitt es wegen der Sauerstoffunterversorgung schwerste Hirnschäden, die zu einer dauerhaften Behinderung führten.

Oberlandesgericht sieht Arzt und Apotheker in der Schuld

Sowohl das Land- als auch das Oberlandesgericht bejahten die Haftung des Kinderarztes und des Apothekers. Letzterer hätte wissen müssen, dass dieses Herzmedikament als Tablette nur für Erwachsene und keinesfalls für Kleinkinder oder Säuglinge bestimmt sei. Durch die unkritische Befolgung der ärztlichen Verordnung habe der Apotheker daher schuldhaft seine vertraglichen Nebenpflichten verletzt.

Einen Apotheker träfen neben den allgemeinen Warn- und Hinweispflichten auch berufsrechtliche Beratungspflichten hinsichtlich der von ihm abgegebenen Medikamente. Ein blindes Vertrauen auf die Verordnung des Arztes dürfe es daher nicht geben. Der Apotheker müsse die Richtigkeit und Sinnhaftigkeit einer Verordnung selbst auch überdenken.

Den Gesamtschaden von weit über eine Million Euro müssen Arzt und Apotheker bzw. dessen Haftpflichtversicherer nun anteilig übernehmen.