Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Dem Charakter freiberuflicher Tätigkeit widerspricht eigentlich, dass Dritte am Praxiseinkommen partizipieren. Aber was bis gestern galt, sehen Gerichte heute teilweise ganz anders.

Von den Einkünften des Arztes aus seiner Praxistätigkeit profitieren Mitarbeiter und Familie des Arztes. Lange Zeit galt, dass kein unbeteiligter Dritter, etwa ein Kapitalgeber oder nichtärztlicher Gesellschafter, anteilig an der ärztlichen Tätigkeit mitverdienen darf. Die Natur der vertragsärztlichen Tätigkeit als freier Beruf und das Verbot, sie als Gewerbe auszuüben, sei unvereinbar damit – schien es.

Verfügungsmacht des Eigentümers

Aber die Zeiten ändern sich und mit ihnen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen niedergelassene Ärzte arbeiten. Dabei sind es vor allem drei Fragen, die im Mittelpunkt des Interesses stehen und mit denen deshalb inzwischen auch die Gerichte beschäftigt wurden.

Unstreitig ist seit eh und je, dass die Niederlassung in eigener Praxis nicht die Verfügungsmacht des Eigentümers über die Praxisräume voraussetzt (BSG, Az.: 6 Rka 23/71). So hat das Bundessozialgericht etwa für zulässig erklärt, dass Vertragsärzte auf dem Gelände einer Klinik eine radiologische und nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis betreiben. Für ihre Praxis nutzen sie die Geräte und Einrichtungen der Klinik gegen eine Vergütung, die sich an der Höhe der von ihnen erwirtschafteten Einkünfte orientiert. Die Klinik ihrerseits ist verpflichtet, die Geräte dem jeweiligen technischen und wissenschaftlichen Standard anzupassen.

Mieten und Nutzungsentgelte

Die Vereinbarung umsatzabhängiger Mieten und Nutzungsentgelte ist erst dann wegen Sittenwidrigkeit (§ 134 BGB) unwirksam, wenn sie die freie ärztliche Tätigkeit so sehr einschränkt, dass die Praxis im Ergebnis als Bestandteil eines gewerblichen Unternehmens erscheint (BayObLG, Az.: 1 ZR 612/ 98). Unzulässig ist es in jedem Fall, wenn der Arzt vertraglich verpflichtet wird, seinen Patienten eine „möglichst umfassende Therapie zukommen zu lassen“, ihm also eine unwirtschaftliche Behandlungsweise mehr oder weniger nahe gelegt wird.

Cash-back-Verfahren

Cash-back-Verfahren: Darf sich ein überweisender Arzt Überweisungspauschalen zusichern lassen? Auf den ersten Blick ist die Frage zu verneinen, weil damit gegen das berufsrechtliche Verbot verstoßen wird, sich für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt versprechen zu lassen oder zu gewähren (§ 31 MBOÄ). Die Gerichte wurden jedoch wiederholt mit Fällen befasst, in denen Augenkliniken den Augenärzten der Region mehr oder weniger verlockende Angebote für den Fall machten, dass sie ihnen Patienten für eine Katarakt-OP überweisen. Ihnen wurden pauschale Vergütungen für vor- und nachoperative Leistungen zugesichert und damit indirekt zugleich die Rücküberweisung.

Das Oberlandesgericht Konstanz (Az.: 4 U 1532/02) und das Oberlandesgericht Schleswig (Az.: 6 U 17/03) sahen darin einen Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht und damit zugleich auch gegen das allgemeine Wettbewerbsrecht (§ 1 UWG). Es werde nicht nur der Eindruck erweckt, eine pauschale Vergütung für die Überweisung zu zahlen, sondern auch das Recht des Patienten auf freie Arztwahl unzulässig eingeschränkt.

Anders entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf (Az.: I-20 U 30/04). Das Besondere an diesem Fall war jedoch, dass das Krankenhaus lediglich ein Versorgungsmodell der KV für Katarakt-Operationen kopierte, mit dem Kosteneinsparungen dadurch erzielt werden sollten, dass bisher stationär durchgeführte Leistungen der Vor- und Nachbehandlung von niedergelassenen Augenärzten durchgeführt wurden. Für diese Leistungen, zu denen auch eine zusätzliche Begleitdokumentation gehörte, wurde den Ärzten eine Aufwandsentschädigung zugesagt, und zwar in gleicher Höhe wie auch im Modellversuch der KV. Das Gericht entschied: Wer sich an dem orientiert, was die KV vormacht, stiftet in keinem Fall vorsätzlich zu berufswidrigem Verhalten an.

Was ist Gewinnpooling?

Beim Gewinnpooling werden alle Einkünfte einer Gemeinschaftspraxis in einen Topf geworfen, aus dem vorab die Fest- und die Betriebskosten der Praxis entnommen werden. Der Rest wird anschließend anteilig, in der Regel zu gleichen Teilen, zwischen den Ärzten der Gemeinschaftspraxis aufgeteilt. Unbestritten ist, dass dabei die Gefahr einer Asymmetrie zwischen den Arbeitsleistungen der Ärzte und ihren Gewinnanteilen besteht. Das kann unter Umständen soweit gehen, dass etwa im Falle einer Nachfolgegemeinschaftspraxis zweier Ärzte der Seniorpartner offensichtlich von den Arbeitsleistungen des Juniorpartners profitiert.

Umstritten ist, ob Gewinnpooling außer im Falle von Gemeinschaftspraxen auch bei anderen Formen der Zusammenarbeit zwischen Ärzten oder auch zwischen Ärzten und Nichtärzten möglich ist. Das Landessozialgericht Niedersachsen (Az.: L 3 KA 434/02 ER) hat die Frage verneint. Zu groß sei beispielsweise im Fall einer Praxisgemeinschaft die Gefahr, dass durch Überweisungen von Patienten zwischen den Ärzten der Gemeinschaft zusätzliche Einnahmen erwirtschaftet werden, die im Ergebnis auch dem überweisenden Arzt anteilig zufließen. Durch Gewinnpooling werde aus einer Praxisgemeinschaft im Grunde eine ungenehmigte Gemeinschaftspraxis mit der Folge falscher, weil zu hoher, Honorarabrechnungen.

Das Landgericht Hamburg (Az.: 322 O 136/04) hält dagegen Gewinnpooling auch im Falle einer Praxisgemeinschaft für zulässig. Die Missbrauchsgefahr allein reiche nicht aus, es grundsätzlich für unzulässig zu erklären. Höchstrichterlich entschieden ist die Frage bisher nicht. Angesichts ihrer eminenten praktischen Bedeutung wird die Entscheidung mit Spannung erwartet.

Wer ist freiberuflich tätig?

Der Status der Freiberufler wird vom Bundesverband der Freien Berufe (BFB) wie folgt definiert: „Angehörige freier Berufe erbringen auf Grund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig geistig-ideelle Leistungen im Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen berufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zum Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt. […]“