Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Steuerrecht

Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich um eine klassische Betriebsaufgabe. Diese wird angenommen, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb einer kurzen Zeit und damit in einem einheitlichen Vorgang, also nicht nach und nach, in das Privatvermögen überführt werden. Damit hört der Betrieb als selbstständiger Organismus des Wirtschaftslebens auf zu bestehen (R 16 Abs. 2 EStR; H 16 (2) [Allgemeines] und [Zeitraum für die Betriebsaufgabe] EStH).

In der gesetzlichen Konzeption des Einkommensteuergesetzes (EStG) werden die Betriebsaufgabe und die Betriebsveräußerung weitgehend gleichbehandelt. Die Aufgabe des Betriebs (hier Zahnarztpraxis) gilt als Veräußerung des Betriebs im Sinne des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.

Die Betriebsaufgabe unterscheidet sich von der Betriebsveräußerung nur dadurch, dass bei der Betriebsveräußerung alle wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Erwerber veräußert werden. Dabei müssen die in den Wirtschaftsgütern des Betriebs ruhenden stillen Reserven aufgedeckt und als Betriebsaufgabegewinn versteuert werden.

Die Aufdeckung der stillen Reserven bedeutet für den Praxisinhaber unter Umständen eine erhebliche Härte. Die §§ 16 Abs. 4, 14 Satz 2 und 18 Abs. 3 des EStG sehen deshalb bestimmte Freibeträge für den Steuerpflichtigen vor. Nach § 34 EStG können unter gewissen Voraussetzungen Tarifvergünstigungen in Anspruch genommen werden.

Wenn der Arzt seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt, ist er bei der Betriebsveräußerung bzw. -aufgabe so zu behandeln, als wäre er mit der Aufgabe des Betriebs zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich (Bilanz) nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen (R 4.5 Abs. 6 EStR).

Die Ermittlung des Aufgabegewinns

Der Aufgabegewinn wird wie folgt ermittelt (§ 16 Abs. 2 EStG):

Veräußerungspreise der verkauften Wirtschaftsgüter insgesamt (§ 16 Abs. 3 Satz 6 EStG)

+ gemeine Werte der nicht veräußerten, sondern in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3 Satz 7 EStG)

./. Aufgabe- und Veräußerungskosten

./. Buchwert des Betriebsvermögens (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG)

= Aufgabegewinn

 

Im Wirtschaftsjahr der Betriebsaufgabe ist – neben dem (steuerbegünstigten) Aufgabegewinn – auch noch der laufende Gewinn zu ermitteln (H 16 (9) [Abwicklungsgewinn] EStH).

Tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG sind nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG grundsätzlich Veräußerungsgewinne i.S.d. §§ 14, 14a Abs. 1, §§ 16 und 18 Abs. 3 EStG. Den Veräußerungsgewinnen gleichgestellt sind auch die Gewinne aus der Aufgabe eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils (vgl. Graf in Littmann/Bitz/Pust, § 34 EStG Rz. 56).

Wichtig:

Der Geschäfts- beziehungsweise Praxiswert ist der Mehrwert, der einem Unternehmen bzw. einer Praxis über den Substanzwert (Verkehrswert) der einzelnen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter hinaus innewohnt (vgl. BFH vom 27.3.1996, BStBl II 1996, 576). Dies gilt abzüglich der möglicherweise noch vorhandenen Schulden.

Der Praxiswert ist Ausdruck der zukünftigen Gewinnchancen der Praxis, soweit diese nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, sondern durch den Betrieb eines lebenden Unternehmens gewährleistet erscheinen (vgl. BFH vom 27.3.2001, BStBl II 2001, 771). Er ermittelt sich damit aus der Differenz des Gesamtwertes der Praxis und dem Substanzwert. Dabei sind geschäftswertbildende Faktoren keine eigenständigen Wirtschaftsgüter, sondern unselbstständige Teile des Geschäfts- oder Firmenwerts. Als solche kommen z.B. in Betracht:

  • der gute Ruf,
  • Vorteile des Standorts (z.B. gute Autobahnanbindung),
  • spezielles Know-how des Unternehmens,
  • Kundenstamm (vgl. H 5.5 [Kundenstamm] EStH), wenn er nicht vom Geschäftswert abgegrenzt werden kann und ihm nach dem objektivierten Willen der Parteien kein besonderer Wert beigemessen wird,
  • gut ausgebildetes, eingearbeitetes Personal,
  • effiziente Organisationsstrukturen,
  • gesicherte, günstige Einkaufsmöglichkeiten,
  • Recht auf Fortführung des Firmennamens

Bitte beachten:

Zur Behandlung des Geschäfts- bzw. Firmenwerts nach Betriebsaufgabe nimmt das BFH-Urteil vom 30.1.2002 (BStBl II 2002, 387) Stellung. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein originärer (selbst geschaffener) wie ein derivativer (entgeltlich erworbener) Geschäftswert bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nach erklärter Betriebsaufgabe im Rahmen der Verpachtung des Gewerbebetriebs nicht anzusetzen.

Dies folgt v.a. aus der Erwägung, dass ein Geschäftswert nicht privatisierbar ist. Er kann nicht durch Erklärung des Steuerpflichtigen in das Privatvermögen überführt werden, weil er nur im Rahmen eines gewerblichen Betriebs denkbar ist.

Durch den Fortbestand des Geschäftswerts ist gewährleistet, dass der Gewinn aus der Veräußerung des Geschäftswerts im Veräußerungsjahr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst werden kann.

Leserfall:

Unter der Annahme, dass alle im Praxisvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter abgeschrieben sind und einen ebenso hohen gemeinen Wert besitzen und dem Umstand, dass ein Praxiswert (hier Kassenarztzulassung) nicht privatisierbar ist, käme es im Fall der Zahnärztin zu keinem Aufgabegewinn.

Sollten in den Wirtschaftsgütern (ohne Praxiswert) stille Reserven enthalten sein, käme es zu einer Besteuerung sofern dieser Wert den Freibetrag i.S.d. § 16 Abs. 4 EStG übersteigt. Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn/Aufgabegewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren. Er ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn/Aufgabegewinn 136.000 Euro übersteigt.

*zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (FernUniversität Hagen)