Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Klinik

Flexibilität und Familienfreundlichkeit. Diese beiden Attribute verbinden wohl nur die wenigsten mit der Arbeit in Arztpraxen oder Kliniken. Schließlich lassen sich 24 Stunden-Dienste, Rufbereitschaft und unkalkulierbare Notfälle im Gesundheitswesen naturgemäß nicht vermeiden.

Dennoch hat sich in den vergangenen Jahren auch hier vieles zum Guten geändert. Zahlreiche Kliniken und MVZ bieten ihren Beschäftigten inzwischen neben klassischen Vollzeitstellen auch diverse Teilzeitmodelle und eine vergleichsweise flexible Gestaltung der Arbeitszeit an – über sogenannte Arbeitszeitkonten.

Wie so oft im Bereich des Arbeitsrechts haben aber auch gut gemeinte Gestaltungen ihre Tücken. Das beweist ein Fall, den vor Kurzem das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste (Az. 5 AZR 578/18).

Kein Ausgleich für Positivsaldo vereinbart

Konkret ging es um eine Arbeitnehmerin, der im September 2016 außerordentlich gekündigt worden war – und deren Arbeitszeitkonto zu diesem Zeitpunkt ein Guthaben von 67,1 Stunden aufwies. Das entsprach einem Bruttowert von rund 1320 €.

Zunächst wehrte sich die Frau gegen den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Im November 2016 schlossen die Parteien dann einen gerichtlichen Vergleich. Danach sollte die Arbeitnehmerin zumindest noch bis zum 31. Januar 2017 des Folgejahres ihren Job behalten. Wirklich arbeiten sollte sie allerdings nicht mehr. Sie wurde unwiderruflich, unter Fortzahlung der Vergütung, aber auch unter Anrechnung offener Urlaubsansprüche von der Arbeit freigestellt. Eine Abgeltungs- oder Ausgleichsklausel mit Blick auf ihr Gehaltskonto enthielt der Vergleich nicht. Das wurde dem Arbeitgeber zum Verhängnis.

Kaum war der Januar verstrichen, verlangte die Arbeitnehmerin von ihrem einstigen Chef die Abgeltung der noch offenen Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto. Ihr Argument: Anders als ihre Urlaubsansprüche seien die aus den Plusstunden resultierenden Freizeitausgleichsansprüche nicht vom Vergleich umfasst gewesen.

Wenn die gütliche Einigung zum Bumerang wird

In der ersten Instanz bekam sie Recht, in der zweiten gewann der Arbeitgeber. Allerdings war dessen Freude nicht von Dauer: Der fünfe Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Entscheidung aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Die Erfurter Richter führten aus:

Eine Freistellung in einem gerichtlichen Vergleich erfüllt den Anspruch des Arbeitnehmers auf Freitzeitausgleich zum Abbau des Arbeitszeitkontos nur, wenn in dem Vergleich hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass mit der Freistellung auch ein Positivsaldo auf dem Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden soll. Eine Klausel, wonach der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird, ist dafür jedoch nicht ausreichend.

Für Arbeitgeber bedeutet das: Wer einem in Ungnade gefallenen Arbeitnehmer nicht unnötig Geld nachwerfen will, muss bei der Formulierung von Vergleichen oder Aufhebungsveträgen sehr genau auf präzise Formulierungen achten – und sich in Zweifelsfällen juristisch beraten lassen.