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Die “Bibel” für erholungsbedürftige Arbeitnehmer in Deutschland war lange Zeit das Bundesurlaubsgesetz. Es besagt nicht nur, dass jeder Festangestellte grundsätzlich ein Anrecht auf bezahlten Urlaub hat, sondern legt auch die Mindestmenge der Tage fest, die jeder Arbeitnehmer für seinen Erholungsurlaub beanspruchen kann.

Diesen Urlaubsanspruch haben Arbeitnehmer

Bei einer Fünf-Tage-Woche müssen Arbeitgeber, angestellten Ärzten und MFA dem BUrlG zufolge 20 freie Tage pro Jahr gewähren, bei einer Sechs-Tage-Woche mindestens 24 Tage. Viele Kliniken nehmen allerdings Rücksicht darauf, dass ihre Mitarbeiter aus nahe liegenden Gründen mehr Erholung brauchen. Deren Arbeitsverträge sehen oft einen Urlaubsanspruch von bis zu 30 Tagen vor.

So hält der Urlaub besonders lange

Ebenfalls im Bundesurlaubsgesetz geregelt ist, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr nehmen müssen, da er sonst verfällt. Nur in zwei Fällen ist es erlaubt, nicht verbrauchte Tage aus dem aktuellen Urlaubsanspruch ins nächste Jahr hinüberzuretten. So sind laut BUrlG dringende betriebliche Gründe, die den Urlaub verhindern, zu akzeptieren. Das wären zum Beispiel eine lang anhaltende Grippewelle oder eine Masernepidemie, die entsprechend unvorhersehbaren Patientenansturm zur Folge hat.

Außerdem können Arbeitnehmer Urlaub ins Folgejahr mitnehmen, wenn ihr Erholungsurlaub wegen Krankheit nicht angetreten werden konnte. Erkrankt der Arbeitnehmer im Urlaub und bringt ein entsprechendes Attest bei, wird ihm der eigentlich schon genommene Urlaub automatisch wieder gutgeschrieben.

Urlaubsanspruch kann bei Krankheit nicht ohne Weiteres verfallen

Am 31.3. des Folgejahres verfällt der Urlaub dann aber endgültig, so jedenfalls die Klausel in den meisten Arbeitsverträgen. Doch auch für diese Regel gelten Ausnahmefälle, wie der EuGH in entsprechenden Urteilen klargestellt hat. Dabei wurde diese Klausel des Bundesurlaubsgesetzes  gekippt.

Seither gilt: Wenn angestellte Ärzte oder MFA ihren Urlaub wegen einer langwierigen Krankheit nicht nehmen können, verfällt dieser weder am Jahresende des laufenden noch zum 31. März des Folgejahres, sondern erst nach 15 Monaten und damit zum 31. März des übernächsten Jahres (EuGH, Az. C-214/10, BAG, Az. 9 AZR 353/10).

Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers

Eine weitere bahnbrechende Entscheidung fällte der EuGH im November des vergangenen Jahres, als er entschied: Arbeitnehmer (und damit auch alle angestellten Ärzte und MFA) sind nicht alleine dafür verantwortlich, ihre Ferien rechtzeitig zu planen (Az.: C-619/16, C-684/16). Auch der Praxis- oder Klinikchef muss dazu beitragen, dass die Belegschaft rechtzeitig einen Urlaubsantrag stellt.

Nach der neuen Rechtsprechung müssen Arbeitgeber jeden einzelnen Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass (und wie viele) offene Urlaubstage er noch hat. Zudem müssen sie klarmachen, an welchem Datum die noch offenen Tage verfallen und die Betreffenden unmissverständlich auffordern, sie rechtzeitig zu nehmen. Kommen Chefs dieser Pflicht nicht nach (oder können sie nicht beweisen, dass sie entsprechende Hinweise gegeben haben), bleibt der Urlaub über die nach deutschem Recht vorgesehen Verfallsfristen hinaus erhalten. Das hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen auch schon bestätigt (Az. 9 AZR 541/15).