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Recht

Immer wieder stellen sich Arbeitnehmer die Frage, wie weit sie im Rahmen ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz) Kritik am Arbeitgeber äußern dürfen. Das LAG Thüringen traf kürzlich eine Entscheidung (Az: 4 Sa 269/22) zu diesem Thema, die auch für Ärzte und Ärztinnen sowie ihre Mitarbeiter von Bedeutung sein kann.

Die Fallkonstellation: Kritik des Therapeuten am Arbeitgeber

Ein in einer Klinik angestellter Therapeut erhielt eine fristlose Kündigung, nachdem er seinen Arbeitgeber öffentlich massiv kritisierte und diese Äußerungen auch im Internet verbreitete. Er bezeichnete die Zustände im Maßregelvollzug und den Umgang mit Patienten als untragbar und die Klinik als “Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen”.

Das Gerichtsurteil: Grenzen der Meinungsfreiheit im Arbeitsverhältnis

Das LAG Thüringen hielt die Kündigung für zulässig und erklärte, dass der Beschäftigte mit seiner Kritik überzogen hatte. Die Meinungsfreiheit gilt auch im Arbeitsverhältnis, sodass kritische und polemische Äußerungen erlaubt sind. Allerdings sind Äußerungen, die als Schmähkritik anzusehen sind und allein der Diffamierung dienen, nicht grundrechtlich geschützt und daher unzulässig. Die überspitzte Kritik des Therapeuten wurde jedoch nicht als Schmähkritik angesehen, da sie eine sachliche Auseinandersetzung bezweckte.

Meinungsfreiheit versus Schmähkritik: Was ist erlaubt?

Trotz des grundrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit müssen Arbeitnehmer gewisse arbeitsvertragliche Pflichten beachten, wie zum Beispiel die Rücksichtnahme auf den Arbeitgeber (§ 241 BGB). Wer Missstände am Arbeitsplatz öffentlich machen möchte, ist zunächst verpflichtet, die Tatsachen einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, bevor er damit an die Öffentlichkeit geht. Diese Pflicht hat der beschäftigte Therapeut vernachlässigt.

Relevanz für den Betriebs- oder Personalrat

Auch überhöhte und überspitzt formulierte Kritik am Arbeitgeber kann grundsätzlich unter das Grundrecht auf Meinungsfreiheit fallen. Eine kündigungsrelevante Schmähkritik liegt nur dann vor, wenn die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und ein Sachbezug fehlt. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Beschäftigte vorab prüfen muss, ob die kritisierten Sachverhalte der Wahrheit entsprechen.