Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Klinik

Zwischen 2016 und 2020 kam es in der EU zu 35.000 Todesfällen aufgrund von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien. Das geht aus einem Bericht des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hervor. Einen erheblichen Beitrag dazu leisteten Bakterien des Stammes Acinetobacter. So wurde ein Anstieg von Acinetobacter-assoziierten Fällen von 121 Prozent im Vergleich zum Zeitraum 2018/2019 verzeichnet.

In einer aktuellen Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Angewandte Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) das Vorkommen von antibiotikaresistenten Acinetobacter-Bakterien in Abwässern untersucht. Hierfür nahmen sie Proben von roher und vergorener Gülle aus kleinen landwirtschaftlichen Biogasanlagen sowie von Abwässern und Klärschlamm aus ländlichen und städtischen Kläranlagen.

Acinetobacter ist weitverbreitet

Insgesamt haben die Studienautorinnen und -autoren 132 Acinetobacter-Isolate phylogenetisch identifiziert und 14 verschiedene Phylotypen nachgewiesen. Bei einem großen Teil der Isolate (n = 52) handelte es sich um die Art Acinetobacter baumannii. Sie fanden sich sowohl in der Gülle aus der Landwirtschaft als auch in Proben aus den Kläranlagen.

Weiterhin analysierten die Forschenden Antibiotikaresistenzen bei den nachgewiesenen Bakterien. Dabei zeigte sich, dass die A. baumannii-Isolate aus den beiden städtischen Kläranlagen, die auch Krankenhausabwässer reinigen, multiresistent gegenüber Antibiotika waren. Im Gegensatz dazu waren A. baumannii-Isolate aus Viehbeständen und der ländlichen Kläranlage empfindlich gegenüber Carbapenemen, Colistin, Ciprofloxacin, Ceftazidim und Piperacillin.

Bakterien überleben auch ohne Sauerstoff

Obwohl es sich bei Acinetobacter um aerobe Bakterien handelt, konnten die Forschenden Acinetobacter-Stämme auch nach sauerstofffreier Behandlung von Gülle und Klärschlämmen in Biogasanlagen und Faultürmen nachweisen. Dies könnte ihrer Ansicht nach auf die Fähigkeit der Bakterien, auch unter sauerstofffreien Bedingungen Polyphosphat als Energiequelle zu nutzen, zurückzuführen sein.

Trotz dieser Erkenntnisse bestehen weiterhin große Wissenslücken hinsichtlich der Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Umwelt. Weiterführende Untersuchungen sollen nun klären, wie sich die resistenten Bakterien im gereinigten Abwasser und im Klärschlämmen verhalten. Außerdem gilt es herauszufinden, wie der Austausch von Resistenzen mit anderen Bakterien erfolgt, nachdem sie in die Umwelt freigesetzt wurden.