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Klinik

Gewalttaten in den eigenen vier Wänden, Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe bleiben nicht selten ungesühnt. Bei vielen Opfern sitzt der Schock direkt nach der Tat noch so tief, dass sie nicht sofort eine Strafanzeige erstatten können oder wollen. Ringen sie sich mit etwas zeitlichem Abstand doch dazu durch, ist es unter Umständen für eine Beweis- und Spurensicherung bereits zu spät.

Niedrigschwelliges Hilfsangebot

Das Netzwerk „ProBeweis“ der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ermöglicht Opfern von häuslicher oder sexueller Gewalt, auch zu einem späteren Zeitpunkt noch gegen die Täterin oder den Täter vorzugehen. Die Betroffenen können sich an eine der insgesamt 39 Partnerkliniken wenden, wo die Beweise unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei fachkundig dokumentiert und aufbewahrt werden.

Die Beweissicherung umfasst eine körperliche Untersuchung sowie gegebenenfalls Laboruntersuchungen und Fotografien der Verletzungen. Die Befunde werden manipulations- und zugriffssicher für mindestens drei Jahre aufbewahrt. In dieser Zeit können die Betroffenen selbst entscheiden, was mit ihren Daten passiert. Möchten sie den Fall zur Anzeige bringen, werden die Befunde nach Entbindung der Schweigepflicht an die Ermittlungsbehörden weitergegeben.

Geregelte Kostenübernahme

Am 30. August hat Niedersachsen als erstes Bundesland einen Vertrag mit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgeschlossen, welcher die Kostenübernahme regelt. Damit wird die vertrauliche Spurensicherung durch das Netzwerk „ProBeweis“ ab 1. Januar 2024 eine kassenfinanzierte Leistung nach Sozialgesetzbuch V. Bei der Unterzeichnung des Vertrages durch Dr. Andreas Philippi, Niedersachsens Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, waren auch MHH-Präsident Prof. Michael Manns sowie Hanno Kummer, Leiter des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) in Niedersachsen, als Stellvertreter für die GKV anwesend.

„Aus voller Überzeugung leisten wir unseren Beitrag als Hilfe für Betroffene“, erklärt Kummer in einer Pressemitteilung der MHH. „Dazu haben wir uns bei der Kostenübernahme auf ein Abrechnungsverfahren verständigt, das Vertraulichkeit garantiert: Personenbezogene Daten werden nicht an die Krankenkassen weitergeleitet. Die Kassen teilen sich die Kosten nach Marktanteil, nicht nach Inanspruchnahme durch die eigenen Versicherten.“

Pro Behandlungsfall sollen künftig pauschal 421 Euro netto an das Netzwerk ProBeweis gehen. Von dieser Summe gibt das Netzwerk 200 Euro netto an die leistungserbringende Klinik weiter. Das entspricht dem Vierfachen des bisherigen Betrages.

Finanzielle Unterstützung

Weiterhin wird Sachsen die finanzielle Unterstützung des Netzwerk ProBeweis ab 1. Januar 2024 deutlich anheben. „Die herausragende Arbeit vom Netzwerk ProBeweis hat sich weit herumgesprochen, sodass immer mehr Opfer dieses wichtige Angebot nutzen. Ich freue mich daher, dass wir die bisherige Landesförderung mit 100.000 Euro um rund ein Drittel auf 410.000 Euro im Jahr 2024 spürbar aufstocken können. Aus diesem deutlich größeren Topf kann dann auch die Beweissicherung von nicht beziehungsweise privat versicherten Opfern finanziert werden, die das Bundesgesetz leider nicht enthält“, so Philippi.