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Klinik

Eine geplante Arthroskopie des linken Kniegelenks gehört in den meisten deutschen Krankenhäusern zum Standard. Im Fall eines 71-jährigen Patienten endete der Eingriff jedoch mit einer Katastrophe.

Die Operation an sich ist bereits erfolgreich beendet, zwei Schwestern schleusen den Mann aus dem OP aus und bringen ihn in den Aufwachraum. Wie die Aufzeichnungen der Pflegekräfte belegen, ist der Frischoperierte zu diesem Zeitpunkt wach, kooperativ und ansprechbar. Auch sein Allgemeinzustand und seine Vitalparameter geben keinerlei Anlass zur Sorge.

Wohl auch deshalb verzichtet das Personal darauf, das Bett des Mannes mit Bettgittern zu sichern. Stattdessen stellen sie es auf die niedrigste Höhe ein und schleusen den nächsten Patienten aus. Ein Fehler, wie sich zeigen sollte. Wenig später fällt der frischarthroskopierte Patient aus dem ungesicherten Bett. Er schlägt mit dem Kopf auf den Boden auf, büßt einen Zahn ein und entwickelt zeitnah Prellmarken auf der Stirn.

Schlimmstmögliche Folgen

Etwa eine halbe Stunde nach dem Sturz wird allerdings klar, dass die Verletzungen des Mannes offenbar noch deutlich schwerwiegender sind. Der Patient entwickelt eine Schwäche im Bereich des linken Armes sowie Kribbelparästhesien im Bereich der übrigen Extremitäten. Die daraufhin durchgeführte bildgebende Diagnostik zeigt eine Spinalkanalstenose sowie eine Rückenmarksprellung. Heute sitzt der Mann im Rollstuhl.

Schutzbedürftige Menschen muss die Klinik schützen

Er verklagte deshalb die Klinik auf 300.000 Euro Schmerzensgeld. Darüber hinaus forderte er die Erstattung der Haushaltsführungs-/Pflegemehrbedarfskosten in fünfstelliger Höhe, die Erstattung von Eigenbeteiligungen an den Behandlungskosten, Pflegekosten und Fahrtkosten, nicht erstattete Kosten für Heil- und Hilfsmittel und Ausgaben für Schmerzmittel von 1.000,00 Euro. Ferner müsse ihm die Klinik alle künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden ersetzen.

Patient nicht hinreichend abgesichert

Das Landgericht Dortmund gab dem Mann in der Sache Recht (Az. 4 O 152/19). Zur Begründung führten die Richter unter anderem aus, dass der Patient im Aufwachraum nicht hinreichend gegen Stürze aus dem Bett abgesichert gewesen sei. Dass er nach dem Ausschleusen aus dem OP wach, kooperativ und ansprechbar war, stehe dem Haftungsanspruch gegen die Klinik nicht entgegen. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen sei der wache Eindruck von Patienten beim Ausschleusen darauf zurückzuführen, dass das Personal sie anspricht und an ihnen herumhantiert. Danach schlafen die Betroffenen jedoch narkosebedingt sofort wieder ein, wenn sie alleingelassen werden. Dass dies auch beim Kläger der Fall war, zeige sich daran, dass dieser nach den Ausführungen des Sachverständigen ohne jeden Schutzreflex aus dem Bett gefallen und auf den Boden „geknallt“ ist. Denn nur das Stürzen ohne jeden Schutzreflex, selbst aus der reduzierten Fallhöhe eines auf niedrigste Stufe gestellten Krankenbettes, erklärt die erheblichen Verletzungen des Klägers.

Phase der akuten Gefährdung

Das Landgericht betonte, dass es Aufgabe der Klinik gewesen sei, einen Sturz in dieser Phase der akuten Gefährdung zu verhindern. Der Unfall des Klägers falle zudem in den Bereich des voll beherrschbaren Risikos, zumal gegen eine kurzzeitige Sicherung des grundsätzlich sturzgefährdeten Patienten mit Bettgittern keinerlei rechtliche Bedenken bestünden.
Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Die Klinik legte gegen die Entscheidung Berufung beim OLG Hamm ein (dortiges Az.: I-3 U 57/21).