Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Letztlich meinte ein Kollege: „Die Wirtschaftlichkeitsprüfung habe ich gerade ohne Beanstandung hinter mich gebracht, schon meldet sich das Gewerbeaufsichtsamt zur Prüfung.“ Diese Feststellung zeigt exemplarisch, wie stark Prüfungen die niedergelassenen Kollegen belasten.

Bei der Abrechnung wird meist binnen zwei Monaten nach Einreichen automatisiert geprüft, ob die abgerechneten GOP (Gebührenordnungspositionen) sachlich und rechnerisch korrekt sind, also, ob der Vertragsarzt nur GOP abrechnet, die durch seine Zulassung gedeckt sind und für die er eine spezielle KV-Genehmigung (Kassenärztliche Vereinigung) hat. Die Plausibilitätsprüfung der Abrechnung erfolgt wesentlich später und prüft nur, ob der Vertragsarzt die Leistungen persönlich vollständig erbracht haben kann und dafür auch die Fachkompetenz, Ausrüstung und Genehmigung hat. Ob die Leistungen wirtschaftlich sind – entsprechend §12 SGB V – wird gegebenenfalls in einer Wirtschaftlichkeitsprüfung analysiert.

Plausibilitätsprüfung durch die KV

Wie in § 106 d (2) SGB V beschrieben, prüft die jeweilige KV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung.

Im ersten Schritt wird geprüft, ob der EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) richtig angewandt wurde. Danach prüft die KV (Beispiel: Baden-Württemberg) durch Stichproben, aufgrund von Hinweisen und nach weiteren Aufgreifkriterien, ob die Abrechnung plausibel ist.

  • Die Stichprobenprüfung betrifft mindestens zwei Prozent der Vertragsärzte. Die Vertragspartner, nämlich GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) und KV, können aber auch abweichende Vereinbarungen dazu treffen.
    Geprüft wird im Regelfall ein Zeitraum von vier aufeinanderfolgenden Abrechnungsquartalen. Nach erfolgter Stichprobenprüfung wird frühestens nach acht Abrechnungsquartalen wieder eine Stichprobenprüfung der Abrechnung durchgeführt.
  • Die Prüfung aufgrund von Hinweisen erfolgt, wenn der Prüfungsausschuss in den vorgebrachten Hinweisen hinreichende Verdachtsmomente für eine implausible Abrechnung sieht.
    Beispiel 1: Ein Hausarzt behauptet, ein neuer Kollege im Ort rechne zu viel Akupunktur bei chronischen Schmerzen nach GOP 30790/30791 ab. Der Prüfungsausschuss sieht den Hinweis als nicht ausreichend fundiert und konkret, um eine Plausibilitätsprüfung einzuleiten.
  • Die Prüfung anhand von Aufgreifkriterien orientiert sich meist an der Vereinbarung zur Abrechnungsprüfung.
    Beispiel 2: Vertragsarzt A hat in III/2019 und IV/2019 jeweils rund 40 Prozent mehr Sonografien abgerechnet als in den Quartalen I/2019und II/2019. Wegen der auffälligen Leistungszuwächse wird eine Plausibilitätsprüfung eingeleitet und Vertragsarzt A zu einer Stellungnahme aufgefordert.
    In der Stellungnahme erklärt er, dass deutlich mehr Patienten zu ihm zur Sonografie kommen, nachdem Vertragsarzt B, der ebenfalls sonografierte, seine Praxis im gleichen Ort ohne Nachfolger aufgegeben hat.

Prüfung durch Krankenkassen

Wie in § 106 d (3) aufgeführt, können auch die Krankenkassen die Plausibilität der Abrechnung prüfen. Dabei prüfen diese besonders, ob eine Leistungspflicht besteht, ob die abgerechnete Leistung zur kodierten Diagnose passt und ob der abrechnende Arzt dazu berechtigt ist.

  • Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist nicht gegeben, wenn der Patient beim Datum der Leistung nicht bei der Krankenkasse versichert war.
  • Ein ICD-10-Kode, der die Abrechnung plausibel macht, fehlt.
    Beispiel 3: Bei einem Patienten mit COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ohne weitere chronische Erkrankung rechnet sein Hausarzt im aktuellen Quartal die 03220 ab.
    Kodiert hat er in diesem Quartal (IV/2019) nur einen grippalen Infekt. In den beiden Vorquartalen fand kein Arzt-Patienten-Kontakt statt. In IV/2018 und I/2019 fand jeweils ein Arzt-Patienten-Kontakt wegen COPD statt und wurde auch entsprechend kodiert.
    Die Krankenkasse fordert die Plausibilität der GOP 03220 zu prüfen.
  • Der Arzt ist nicht zur Abrechnung der GOP berechtigt.
    Beispiel 4: Ein Hausarzt rechnet die Untersuchung von fT4 und fT3 ab. Da GOP 32320/32321 zum Speziallabor gehört, fordert die Krankenkasse die Plausibilität zu prüfen.

Fazit

Wer das Procedere kennt, kann auch aktiv auf die KV zugehen, wenn sich zum Beispiel bei einer Pandemie die Patientenzahl schlagartig erhöht und dies Ärger mit dem Zeitprofil bedeuten könnte.

§ 106 d SGB V (Auszüge)

(1) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen prüfen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung.

(2) Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte … fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Arztes; Vertragsärzte und angestellte Ärzte sind entsprechend des jeweiligen Versorgungsauftrages gleich zu behandeln. … Bei den Prüfungen ist von dem jeweils angeforderten Punktzahlvolumen unabhängig von honorarwirksamen Begrenzungsregelungen auszugehen. …

(3) Die Krankenkassen prüfen die Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen insbesondere hinsichtlich

  1. des Bestehens und des Umfangs ihrer Leistungspflicht,
  2. der Plausibilität von Art und Umfang der für die Behandlung eines Versicherten abgerechneten Leistungen in Bezug auf die angegebene Diagnose, …
  3. der Plausibilität der Zahl der vom Versicherten in Anspruch genommenen Ärzte, unter Berücksichtigung ihrer Fachgruppenzugehörigkeit. …

(4) Die Krankenkassen oder ihre Verbände können, sofern dazu Veranlassung besteht, gezielte Prüfungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nach Absatz 2 beantragen. …