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Chronisch Kranke: So vermeiden Sie Honorarverluste

von Dr. med. Ulrich Karbach

chronisch kranker Patient in der Arztpraxis
Foto: Drazen - stock.adobe.com

Die Regelungen des EBM sind teilweise kompliziert. So ist die Versicherten- oder Grundpauschale identisch honoriert, egal ob ein Versicherter einmal oder zehnmal im Behandlungsfall in die Praxis kommt. Mit den folgenden Regelungen können Sie Ihr Honorar in EBM oder GOÄ bei chronisch Kranken steigern.

Die Definition eines chronisch Kranken ist für die Abrechnung der Gebührenordnungspositionen (GOP) 03220/04220 im hausärztlichen Versorgungsbereich im EBM (Einheitlicher Bewertungsmaßstab) etwas übersichtlicher als in § 2 der Chroniker-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Verbindlich für die GKV-Abrechnung dieser GOP sind die Vorgaben, die im EBM stehen (s.u. Chronikerregelung EBM). Der EBM verlangt unter anderem eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung. Nach der Chroniker-Richtlinie wird eine schwerwiegende Erkrankung gefordert oder aber zum Beispiel ein Grad der Behinderung oder eine Pflegestufe.

Chronikerregelung EBM

Die Chronikerziffern 03220/04220 bis 03222/04222 sind nur abrechenbar bei:

  • Vorliegen mindestens einer lang andauernden, lebensverändernden Erkrankung und
  • Notwendigkeit einer kontinuierlichen ärztlichen Behandlung und Betreuung.

Eine kontinuierliche ärztliche Behandlung liegt vor, wenn im Zeitraum der letzten vier Quartale unter Einschluss des aktuellen Quartals wegen derselben gesicherten chronischen Erkrankung(en) jeweils mindestens ein Arzt-Patienten-Kontakt gemäß 4.3.1 der Allgemeinen Bestimmungen pro Quartal in mindestens drei Quartalen in derselben Praxis stattgefunden hat. Hierbei müssen in mindestens zwei Quartalen ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden haben. In einem Quartal kann der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt auch im Rahmen einer Videosprechstunde gemäß Anlage 31b zum BMV-Ä erfolgen.

Zeitvorgaben

Lang andauernd wird im EBM so definiert, dass die GOP 03220/04220 erstmals als Zuschlag zur Versichertenpauschale abgerechnet werden kann, wenn die identische Erkrankung schon in den drei vorangegangenen Quartalen nachweislich bestand. Ganz wichtig: Wenn ein chronisch kranker Patient mehrere lang andauernde, lebensverändernde Erkrankungen hat, so muss man darauf achten, dass die Kodierung der Behandlungsdiagnose in der Abrechnung stimmig ist.

Beispielfall

Nehmen wir einen älteren Mann mit metabolischem Syndrom. Zumindest nach der Leitlinie sollte er als Diabetiker einmal im Quartal angesehen und unter anderem der HbA1c kontrolliert werden. Für die Abrechnung der Chroniker-GOP ist es egal, ob Sie in der Abrechnung E11.9- oder eine der Diabeteskomplikationen an vierter Stelle kodieren. Wenn sie aber nur die Hypertonie kodieren mit I10.9-, kann es Probleme geben. Denn erfahrungsgemäß nehmen Hypertoniker ihre Erkrankung nicht so ernst und melden sich erst dann in der Praxis, wenn die verordnete N-III-Packung aufgebraucht ist. Sprich, der Hypertoniker kommt meist nur jedes zweite Quartal in die Praxis. Damit gibt es Probleme mit der 4-3-2-Regelung.

4-3-2-Regelung

Die lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung muss in vier Quartalen bestehen. Dafür steht die 4 in der 4-3-2-Regelung. Wie bei den Zeitvorgaben beschrieben ist die Chroniker-GOP im IV. Quartal 2022 erstmals abrechenbar, wenn seit dem I. Quartal 2022 eine Hypertonie als Diagnose besteht. In den letzten vier Quartalen muss in drei Quartalen jeweils mindestens ein Arzt-Patienten-Kontakt (APK) stattgefunden haben, was die 3 in der 4-3-2-Regelung besagt. Die 2 steht für zwei Quartale, in denen jeweils ein persönlicher APK stattgefunden haben muss. Als Folge von Corona kann in einem dieser Quartale eine Videosprechstunde den persönlichen APK ersetzen.

Der Fallstrick bei der 4-3-2-Regelung liegt in der unpräzisen Kodierung. Bei unserem Beispielfall mit Typ-2-Diabetes hat man bei leitlinienkonformer Behandlung in jedem Quartal einen persönlichen APK und keine Probleme bei der Abrechnung der Chroniker-GOP. Voraussetzt, dass jeweils der Diabetes als Behandlungsdiagnose kodiert wurde.

Zurück zum Beispielfall

Zurück zu unserem Beispiel. In Q I/2022 wird der Typ-2-Diabetes diagnostiziert und kodiert. In Q II finden ein persönlicher APK statt und die Verordnung der Dauermedikation. In Q III kommt der Patient nicht in die Praxis. In Q IV findet wieder ein persönlicher APK statt, mit Weiterverordnung der Dauermedikation, unter der der Patient gut eingestellt ist. Damit sind sowohl die 4 als auch 3 und 2 der 4-3-2-Regelung erfüllt. In Q III war er nicht in der Praxis, aber anhand der Arzneiverordnung und der Diagnose ist klar, dass der Typ-2-Diabetes auch in Q III bestand.

Betrachten wir jetzt Q IV/2022. Wenn der Patient nur für ein Folgerezept in die Praxis kommt, ist die Versichertenpauschale nicht abrechenbar und dementsprechend auch nicht die Chroniker-GOP als Zuschlag dazu. Im gewählten Beispiel ist dies medizinisch sicher nicht vertretbar, wenn ein Typ-2-Diabetiker ein Jahr lang keinen Arzt sieht. Wohlgemerkt sollte man ein Rezept nur ausstellen, wenn man sich vom Zustand des Betroffenen überzeugt hat. Gerade bei Diabetes ist nicht nachvollziehbar, warum man, ohne den Patienten gesehen zu haben, das Risiko eingeht, ein Rezept auszustellen und auf die Versichertenpauschale zu verzichten.

Ein Großteil der Regresse wegen der Chroniker-GOP in der letzten Zeit kam dadurch zustande, dass bei multimorbiden Patienen in einem Quartal eine lang andauernde Erkrankung wie etwa die Hypertonie und im nächsten Quartal eine andere wie zum Beispiel der Typ-2-Diabetes kodiert wurde. Dann wird die 4-3-2-Regel für beide Erkrankungen nicht erfüllt. Während bei einem gut eingestellten Hypertoniker ein Folgerezept ohne persönlichen APK noch vertretbar scheint, sollte ein Typ-2-Diabetiker eigentlich jedes Quartal untersucht werden.

Diagnosen

Eine Liste der lang andauernden, schwerwiegenden Erkrankungen gibt es offiziell nicht. Dadurch hätten die Vertragsärztinnen und -ärzte mehr Spielraum, betonte ein Mitarbeiter einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Allerdings hat zum Beispiel die KV Schleswig-Holstein in einer Anlage zum Honorarverteilungsmaßstab (HVM) in absteigender Häufigkeit die chronischen Krankheiten mit ICD-10-Kodierung aufgeführt. Wenn regional solch eine Liste besteht, kann man darauf vertrauen, dass korrekt gestellte und kodierte Diagnosen auch bei der Abrechnung der Chroniker-GOP akzeptiert werden.

Problemorientiertes hausärztliches Gespräch

Die GOP 03230/04230 gibt es nur im hausärztlichen Versorgungsbereich und ist gerade bei chronisch Kranken sehr wichtig. Nehmen wir das Beispiel. Wenn ein Diabetes neu diagnostiziert wird oder sich deutlich verschlechtert, so ist entsprechende Aufklärung notwendig. Diese dauert in der Regel mehr als zehn Minuten. Das Gespräch nach GOP 03230/04230 kann je vollendete zehn Minuten abgerechnet werden. Wichtig ist, dass in der Patientenakte zumindest in Stichworten vermerkt ist, worum es in dem Gespräch geht. Das Gespräch ist nur begrenzt abrechenbar. Pro Behandlungsfall werden 64 Punkte auf ein virtuelles Honorarkonto eingezahlt. Davon werden nach Quartalsende die abgerechneten GOP 03230/04230 mit maximal 128 Punkten bezahlt. Sollte ein Vertragsarzt die 03230/04230 häufiger abgerechnet haben, wird das virtuelle Honorarkonto auf die abgerechneten Gesprächs-GOP verteilt. Bei großer Differenz zwischen vorgesehenen und abgerechneten Gesprächs-GOP kann es zu Problemen bei der Plausibilitätsprüfung kommen, da jede abgerechnete Gesprächs-GOP unabhängig vom dafür gezahlten Honorar mit zehn Minuten in das Tages- und Quartalsprofil eingeht.

Unerwartetes Aufsuchen

Neben dringend angeforderten Hausbesuchen nach den GOP 01410 ff. gibt es die GOP 01100 und 01101 für die unvorhergesehene Inanspruchnahme am Abend beziehungsweise in der Nacht. Ganz wichtig: Die GOP 01102 gibt es als Zuschlag bei einer Tätigkeit am Samstag von 7 bis 19 Uhr. Wer also Samstags Sprechstunde abhält oder Patienten einbestellt, kann diesen Zuschlag mit abrechnen.

GOÄ

In der GOÄ (Gebührenordnung-Ärzte) ist es etwas komplizierter. Es gibt weder die hausärztliche Chroniker-GOP, noch das problemorienterte Gespräch. Länger dauernde Gespräche können entweder über den Steigerungsfaktor abgebildet werden oder insbesondere bei chronisch Kranken auch über die Erörterung nach Nr. 34. Allerdings ist die Nr. 34 mit einer Mindestdauer von 20 Minuten nur zweimal binnen sechs Monaten abrechenbar. Grundvoraussetzung ist, dass eine nachhaltig lebensverändernde oder -bedrohende Erkrankung neu diagnostiziert wurde oder sich deutlich verschlechtert hat.

Die kontinuierliche Betreuung chronisch Kranker kann gegen Ende des Kalenderjahres auch mit Nr. 15 abgerechnet werden. Anders als die Chroniker-GOP des EBM setzt dies aber medizinische und soziale Maßnahmen voraus. Soziale Maßnahmen werden häufig vergessen.

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Author's imageIlias TsimpoulisChief Medical Officer bei Doctolib
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