Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Wie in Arztpraxen mit dem Thema IGeL umgegangen wird, ruft immer mehr Kritiker auf den Plan. Tatsächlich geht es beim Angebot von individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) nicht immer ganz sauber zu – jedenfalls aus Sicht der Patienten und Krankenkassen.

So zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, dass jeder dritte Patient keine schriftliche Vereinbarung mit Informationen über die anfallenden Kosten bekommt. Im IGeL-Monitor des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) heißt es, dass sich drei Viertel der Patienten nicht ausreichend über mögliche Risiken informiert fühlen. Mehr als 1.800 Einträge im Online-Portal www.igel-ärger.de der Verbraucherzentrale NRW, Berlin und Rheinland-Pfalz bestätigen ebenfalls, dass sich Patienten oft zu den Angeboten gedrängt und nur selten gut beraten fühlen. Auch wird vielerorts bemängelt, dass dazugehörige Beschwerden von Patienten bei Ärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen nur selten zu einer für sie zufriedenstellenden Lösung führen.

Die Verbraucherzentrale NRW will den Druck auf Ärzte nun massiv erhöhen und fordert neben einem Katalog an Einzelmaßnahmen, der auf mehr Transparenz und Regulierung des IGeL-Marktes zielt, die Einrichtung einer unabhängigen Schlichtungsstelle.

Agieren Ärzte nicht “zum Wohl der Patienten”?

“Die Beschwerden im IGeL-Forum zeigen anschaulich auf, dass die Behauptung von Ärzten, Patienten mithilfe von individuellen Gesundheitsleistungen Zugang zu neuen und besseren Therapieangeboten zu verschaffen, in deren Praxen nicht zum Wohl und Nutzen der Patienten umgesetzt wird”, kritisiert Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW. “Deshalb brauchen Patienten eine leicht zugängliche Schlichtungsstelle mit unvoreingenommenen Schlichtern, an die sie sich vertrauensvoll wenden können und die paritätisch mit Ärzte- und Patientenvertretern besetzt ist.”

Weil derzeit keine unabhängige und für Patienten leicht erreichbare Schlichtungsstelle existiere, die sich um Meinungsverschiedenheiten bei Individuellen Gesundheitsleistungen kümmert, sei Abhilfe dringend gefordert.

Möglichkeiten, Probleme beim Umgang mit IGe-Leistungen zu melden, gibt es durchaus: Ob die Höhe einer privatärztlichen Honorarforderung angemessen ist, beurteilt die Ärztekammer. Verstöße gegen das spezielle Recht der Kassenärzte fallen in die Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung. Dazu gehört etwa die Einleitung disziplinarischer Maßnahmen bei Verweigerung von Kassenleistungen.

Die Verbraucherschützer bemängeln allerdings, dass Patienten hier weder Zugang noch Einblick in die von ihnen aufgeworfenen Verfahren haben: “Um im Konfliktfall nicht ins Leere zu laufen, brauchen Patientinnen und Patienten eine leicht zugängliche Instanz, bei der die Kompetenzen und Zuständigkeiten von Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung mit Beteiligung von Patientenvertretern in jedem Versorgungsgebiet verbindlich geregelt sind”, meint NRW-Verbraucherzentralenchef Schuldzinski. Die Aufsicht über diese Schiedsstelle sollte hierbei dem jeweils zuständigen Landesministerium obliegen. Details zur Ausgestaltung müssten per Verfahrensordnung für jedes Bundesland geregelt werden.

Verbraucherzentrale erstellt umfangreiches Positionspapier

Die Verbraucherzentrale NRW fordert außerdem ein Verbot von sogenannten IGeL-Verzichtsformularen, bei denen Patienten ihr “Nein” zu einem medizinischen Extra schriftlich bestätigen müssen und ein Verbot von Vorauszahlungen vor Erbringung privatärztlicher Leistungen.

Zudem fordern die Verbraucherschützer ein Recht für gesetzliche Krankenversicherte auf einen schriftlichen Behandlungsvertrag vor Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen. Dieses Recht gibt es eigentlich schon: Nach § 18 des BMV-Ä darf der Vertragsarzt von einem Versicherten nur dann eine Vergütung fordern, wenn „für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde.“

Das reicht aber offenbar noch nicht: Die Verbraucherzentrale NRW will im Behandlungsvertrag auch einen Passus verankern, wonach der Arzt die Patientinnen im Hinblick auf die von ihm vorgeschlagene Untersuchungs- oder Behandlungsmethode auch über kostenfreie Alternativen der GKV-Versorgung (sog. Regelleistungen) aufzuklären hat.

KBV wehrt sich gegen Generalverdacht

Inzwischen hat sich auch der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen zu Wort gemeldet:  „Es ist falsch, IGeL unter Generalverdacht zu stellen. Im individuellen Patientenfall können IGeL durchaus medizinisch sinnvoll sein. Im Sinne eines guten Vertrauensverhältnisses zu seinen Patienten werden Ärzte unter medizinischen Gesichtspunkten Empfehlungen abgeben.”  Natürlich müsse der Patient ausreichend Zeit haben, um über das Angebot entscheiden zu können. “Unsere Versichertenbefragung des vergangenen Jahres hat zudem gezeigt, dass IGeL von Patienten im Übrigen verstärkt nachgefragt werden.”

Ärzte, die vermeiden wollen, dass es in diesem Punkt zu Missverständnissen kommt, können Patienten mit einem Ratgeber zum Thema IGeL unterstützen. Die KBV und die BÄK haben dazu die Online-Broschüre „Selbst zahlen?“ herausgegeben, die sich an Ärzte und Patienten gleichermaßen wendet. Mediziner finden hier unter anderem eine IGeL-Checkliste, die bei der Beratung hilft sowie Tipps zu einem optimalen IGeL-Behandlungsvertrag.