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Gynäkologie

Was genau heißt „dringend“? Um diese Frage ging es in einem Prozess vor dem Landgericht Köln, in dem eine Frau ihre Gynäkologin verklagte. Anfang Dezember 2019 war sie bei ihrer Ärztin in der Sprechstunde erschienen, weil sie zwei Tage zuvor einen Knoten in ihrer Brust ertastet hatte. Es zeigte sich ein echoarmer Herd, der neben einem malignen Befund auch ein Fibroadenom hätte sein können. Die Gynäkologin überwies die Patientin zur Stanzbiopsie an ein Brustzentrum. Die Patientin erhielt einen Termin allerdings erst für den 14. Februar 2020. Die weitere Diagnostik ergab einen malignen, nicht abgrenzbaren Herdbefund mit multiplen Satellitenherden.

Patientin erhebt Vorwürfe gegen Gynäkologin

Die Patientin verklagte daraufhin ihre Ärztin. Ihr sei nicht gesagt worden, dass eine Abklärung besonders eilig sei. Vielmehr sei ihr vermittelt worden, dass es sich wohl um ein gutartiges Fibroadenom handele. Sie könne noch in Ruhe Weihnachten und Silvester feiern. Bei der tatsächlichen Dringlichkeit hätte die Ärztin sogar selbst in dem Brustzentrum anrufen und für sie direkt einen Termin vereinbaren müssen, meinte die Patientin. Vor Gericht drang sie damit nicht durch (24.07.2024, Az. 25 O 62/22). Nach einem Sachverständigengutachten sowie der Anhörung der Ärztin, einer Zeugin und der Patientin kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Gynäkologin es nicht versäumt habe, die Patientin auf die Dringlichkeit hinzuweisen. 

Therapeutische Aufklärung

Im Jahr 2015 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) darüber zu entschieden, ob es als Befunderhebungsfehler zu werten sei, wenn eine diagnostische Maßnahme zwar empfohlen und angeraten wird, der Arzt den Patienten aber fehlerhaft nicht über ihre Notwendigkeit oder Dringlichkeit aufklärt. Der BGH urteilte damals, dass der unterlassene Hinweis auf die Dringlichkeit grundsätzlich ein Verstoß gegen die Pflicht zur therapeutischen Aufklärung sei.

Das Gericht prüfte dabei einen Verstoß gegen Sicherungsaufklärungspflichten. Darunter versteht man die ärztliche Verpflichtung, den Patienten nicht nur zu behandeln, sondern ihn auch über alle Umstände zu informieren, die zur Sicherung des Heilungserfolgs und zu einem therapiegerechten Verhalten und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen des Patienten erforderlich sind. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sicherungsaufklärung kann darin bestehen, dass eine Ärztin nicht über die Dringlichkeit einer Maßnahme informiert und es so unterlässt, vor Gefahren zu warnen, die durch das Unterbleiben der (zeitnahen) Untersuchung entstehen können.

Kein Fehlverhalten der Ärztin erkennbar

Ein Gutachter stellte allerdings fest, dass die Empfehlung zur „dringenden Abklärung“ dem Facharztstandard entsprach. Diese sei auch so von der Beklagten ausgesprochen worden. 

Der Aussage der Patientin, der Befund sei verharmlost worden, widersprach auch die Dokumentation der Ärztin, ihre glaubhafte Aussage sowie die Aussage einer Zeugin. Diese gab an, sich zwar an das konkrete Gespräch nicht zu erinnern, aber nach ständiger Übung derartige Aussagen nie zu treffen, sondern immer von „dringend“ gebotener Abklärung eines vielleicht doch malignen Befunds zu sprechen. Die niedergelassene Gynäkologin selbst sagte aus, dass sie mit ihrer eigenen Erfahrung als vorherige Oberärztin in einem Brustzentrum davon ausgegangen sei, dass die Patientin einen Termin binnen ein bis zwei Wochen erhalte.

Der Gutachter stellte außerdem noch klar, dass es nicht Sache der Ärztin gewesen sei, für die Patientin einen Termin in dem Brustzentrum zu vereinbaren.