Arthrosen: Unterschätzte konservative Therapie
Ralf SchlengerPhysio- und Ergotherapien haben bei Arthrosepatienten oft eine höhere Akzeptanz als bei den Ärzten selbst. Vor allem Kraft- und Bewegungstraining bessern Schmerzen, Gelenkfunktion und Lebensqualität.
Die schnellen und klaren Erfolge medikamentöser und operativer Interventionen erzielen konservative Therapieverfahren bei Arthrosepatienten selten. Aber sie adressieren die resultierenden Symptome wie Muskeldysbalancen, Dekonditionierung, Schmerzen und eingeschränkte Funktion, und dies bei geringem Risiko und hoher Verträglichkeit. Oft lässt sich die schmerzfreie Gehstrecke verlängern oder eine Operation hinausschieben.
Erstattungsfähige Heilmittel laut Richtlinie
Für die konservative Therapie der Arthrose finden sich in der Heilmittel-Richtlinie folgende relevante, erstattungsfähige Therapieverfahren:
Physiotherapie, untergliedert in Massagetherapie, Bewegungstherapie, Traktionsbehandlung, Elektrotherapie, Kohlensäure- und Kohlensäuregasbäder und Thermotherapie (Wärme- oder Kältetherapie)
Ergotherapie (insbesondere motorisch-funktionelle Behandlung)
Ernährungstherapie
Leitlinienbasierte Bewegungstherapie bei Gonarthrose
Alles beginnt mit Information und motivierender Beratung zur Primär- und Sekundärprophylaxe. Maßgabe sollte laut der S3-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Gonarthrose sein, die Patienten zur lebenslangen aktiven Bewegung innerhalb der Grenzen der Erkrankung zu ertüchtigen. Idealerweise wird ein multimodales Behandlungsprogramm erstellt, zum Beispiel mit Physiotherapie, Ergotherapie, Schmerzbehandlung durch Medikamente, Schulungen und Entspannungstechniken. Zur primären Behandlung der Gonarthrose empfiehlt die Leitlinie vor allem Kraft-, Ausdauer- und Beweglichkeitstraining. Laut Metaanalysen (Ferreira 2019, Goh 2018) bessert Krafttraining Schmerzen, Gelenkfunktion, Performance und die Lebensqualität und ist dabei anderen konservativen Therapieformen (u.a. Balance Training, Hydrotherapie, High-Level-Laser-Therapie, Stoßwelle, Vibrationstherapie, neuromuskuläre elektrische Stimulation) überlegen. Aquatisches Training kann vergleichbare Ergebnisse erzielen. Auch für Alltag und Beruf wird zu gelenkschonender, mäßiger Kniebelastung und dem Vermeiden unphysiologischer Bewegungen geraten. Im Zustand einer aktivierten Arthrose ist intensiviertes Training allerdings kontraproduktiv.
Aktive versus passive Therapieformen: Evidenzlage im Vergleich
Wichtig ist der Hinweis an die Patienten, dass zu Beginn einer Bewegungstherapie Gelenkschmerzen zunehmen können, eine regelmäßige und konsequente Bewegung jedoch gut für die Gelenke ist und die langfristige Einhaltung eines Trainingsplans den Nutzen erhöht. Generell sollten aktive Therapiemaßnahmen priorisiert angewendet und nicht durch passive Therapien ersetzt werden. Bei letzteren ist die Studienlage oft weniger eindeutig. Mit schwächerem Empfehlungsgrad werden etwa manuelle Therapien bewertet (passive Dehnungen, Weichteiltechniken und Akupressur-/Triggerpunkt-Techniken). Keine generelle Empfehlung spricht die Leitlinie aus für Massagetherapie, für die (Ganzkörper-)Vibrationstherapie oder die apparative Traktionsbehandlung.
Orthesen und Hilfsmittel: Differenzierte Indikationsstellung
Differenziert zu sehen sind Schuhzurichtungen, aber auch Gonarthrose-Orthesen (OA-Orthesen). Deren routinemäßige Verordnung wird heute nicht mehr empfohlen. Einlagen, Orthesen oder Tapes können aber in Erwägung gezogen werden, wenn eine vorausgegangene Bewegungstherapie nicht ausreichend effektiv war oder wenn eine wesentliche Gelenkinstabilität oder abnorme biomechanische Belastung vorliegt. Bei jungen Patienten und jenen, für die eine Operation (noch) nicht infrage kommt, werden OA-Orthesen zum Hinauszögern des Eingriffs verwendet.
Konservieren vor operieren
Eine Operation sollte in der Regel erst erwogen werden, wenn eine längere konservative Therapie keine ausreichende Verbesserung von Schmerzen und Gelenkfunktion erbracht hat.
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie, Newsletter 4/202411