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Urologie
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Das Leitlinienprogramm Onkologie hat die S3-Leitlinie zum Harnblasenkarzinom umfassend überarbeitet. Als wesentliche Neuerungen nennen die Autoren die Überarbeitung der Kapitel zur Diagnostik und Stadieneinteilung, zur perioperativen Therapie sowie zur Rehabilitation, Lebensqualität, psychosoziale Aspekte und Palliativmedizin und schließlich zur Nachsorge.

Neue Standards in der Diagnostik: Paris-Klassifikation und MRT

So ist im Diagnostik-Kapitel die Paris-Klassifikation, ein 2016 eingeführtes, international standardisiertes Befundungssystem für die Urinzytologie, auch in die nationale Leitlinie eingeführt worden. Zudem sind Qualitätskriterien für die Zytologie definiert, inklusive eines Algorithmus zur Qualitätsentscheidung. Als diagnostische Option bei Verdachts- und Erstdiagnose wurden multiparametrische Magnetresonanztomographien (MRTs) in die Leitlinie aufgenommen, zum Beispiel kann vor der tiefen Resektion eines Harnblasentumors ein multiparametrisches MRT des Beckens durchgeführt werden. Die Auswertung sollte entsprechend der VI-RADS-Kriterien, einem standardisierten Bewertungssystem für MRT-Befunde bei Harnblasenkrebs, erfolgen und eine Staging-Aussage enthalten.

Getrennte Kapitel für perioperative und palliative Therapie

Perioperative und palliative Therapie werden jetzt in zwei unterschiedlichen Kapiteln behandelt, um bei Änderungen der Therapielandschaft in einzelnen Bereichen schnellere Anpassungen durchführen zu können.

Tumorkonferenz als fester Bestandteil der Therapieplanung

Neu in der Leitlinie ist die Forderung einer multidisziplinären Tumorkonferenz zur Festlegung des weiteren postoperativen Therapiekonzepts bei bestimmten Patienten nach radikaler Zystektomie. In einer deutschen Registerstudie wurde gezeigt, dass Patienten, deren Therapieplanung ohne Beteiligung einer solchen Tumorkonferenz erfolgt, eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, keine perioperative Systemtherapie zu erhalten. Präzisiert wurde in der aktuellen Version auch die Empfehlung, vor Therapieentscheidungen bei muskelinvasivem Harnblasenkarzinom das Konzept multidisziplinär festzulegen. Die neue Fassung der Leitlinie nennt hier jetzt ebenfalls explizit eine Tumorkonferenz.

Verbesserte Empfehlungen zur perioperativen Systemtherapie

Perioperative Systemtherapien – also der Einsatz von Medikamenten oder anderen Therapien vor und nach der Operation – können das Überleben von Patienten mit lokalisiertem, muskelinvasivem Harnblasenkarzinom verbessern. „In der dritten Version der S3-Leitlinie haben wir daher mehrere Neuerungen zu diesem Thema aufgenommen“, berichtet Prof. Günter Niegisch vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Die Leitlinie enthält jetzt Empfehlungen für die Durchführung einer neoadjuvanten Chemotherapie sowie zur adjuvanten Immuntherapie bei jeweils geeigneten Patienten.

Qualitätssicherung in der uroonkologischen Rehabilitation

Aktualisiert wurden die Leitlinienempfehlungen auch zur qualitätsgesicherten Rehabilitation nach operativer und systemischer Therapie. „Die entsprechenden Maßnahmen sollten in einer Klinik mit qualitätsgesicherter Zulassung für uroonkologische Rehabilitation erfolgen“, so Prof. Margitta Retz vom TUM Universitätsklinikum rechts der Isar. Die Empfehlungen zur Behandlung funktioneller Störungen nach radikaler Zystektomie seien geschlechtsspezifisch aktualisiert worden. „Dies betrifft beispielsweise bei Männern Therapieempfehlungen bei erektiler Dysfunktion und Beratungen zu Sexualstörungen bei Frauen“, erläutert sie.

Lebensqualität und Psychoonkologie im Fokus

Da Blasenkrebs mit einer großen Einschränkung der Lebensqualität einhergehen kann, sollten Patienten zudem frühestmöglich ein psychoonkologisches Screening angeboten und in angemessenen Abständen wiederholt werden.

Experten der S3-Leitlinie Blasenkrebs

Die S3-Leitlinie entstand unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Interdisziplinären Arbeitsgruppe BlasenCarcinom (IABC) der Deutschen Krebsgesellschaft. Ein Team von vier Experten hat die Überarbeitung der Leitlinie koordiniert: Neben Retz und Niegisch waren Prof. Jürgen Gschwend vom TUM Universitätsklinikum rechts der Isar und PD Dr. Philipp Maisch vom Universitätsklinikum Ulm beteiligt.

Epidemiologie des Harnblasenkarzinoms

Laut Robert Koch-Institut erkrankten im Jahr 2020 etwa 17.100 Personen an einem invasiven Harnblasenkarzinom, darunter 12.500 Männer. Bei der Krebsentität handelte es sich meistens um Urothelkarzinome, die in der Blase und den ableitenden Harnwegen vorkommen können. Hinzu kamen noch rund 13.680 Erkrankungsfälle mit nicht-invasiven papillären Karzinomen und in situ-Tumoren der Blase.

Quelle:

S3-Leitlinie Harnblasenkarzinom - Version 3

S3-Leitlinie zur Psychoonkologie

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