Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Finanzen

Angeblich bilde sich in Deutschland parteiübergreifend immer stärker der Konsens heraus, man müsse über die Besteuerung von Vermögen (wieder) nachdenken, um staatliche Finanzen auf künftige Herausforderungen besser vorzubereiten. Ob die Gerüchte von der Wiedereinführung der Vermögensteuer und/oder der Lastenausgleichsabgabe tatsächlich stimmen, bleibt unklar. Unklar bleibt auch, wie eine künftige Vermögensteuer oder die Lastenausgleichsabgabe – sollten diese bzw. eine von denen tatsächlich kommen – rechtlich ausgestaltet wären und welche konkreten Auswirkungen damit verbunden sein könnten. In diesem Beitrag diskutieren wir einige mögliche Formen der Vermögensteuer und der Ausgleichsabgabe sowie einige Auswirkungen solcher Abgaben speziell auf Ärztinnen und Ärzte in Deutschland.

Unterschiede zwischen der Vermögensteuer und der Ausgleichsabgabe

Unter einer Vermögensteuer wird in aller Regel eine periodisch wiederkehrende (regelmäßig jährliche) Steuer auf die Vermögenssubstanz von Steuerpflichtigen verstanden. Diese Vermögenssubstanz kann sehr unterschiedlich besteuert werden: Denkbar ist eine stärkere Belastung des unproduktiven Privatvermögens und des betrieblichen Verwaltungs- und Finanzvermögens sowie eine gänzliche Freistellung oder Verschonung des produktiven Betriebsvermögens. Auch die Gesetzgebungskompetenz und die Verteilung der Vermögensteuer kann sehr unterschiedlich ausgestaltet werden: Möglich ist die Zuständigkeit des Bundes oder der Bundesländer für die Regelung der Vermögensteuer. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Vermögensteuer würde einen „Flickenteppich“ aus unterschiedlichen und teilweise divergierenden Vermögensteuergesetzen der Bundesländer vermeiden. Andererseits würde dadurch auch der Steuerwettbewerb zwischen einzelnen Bundesländern erschwert.

Eine gänzlich andere Rechtsnatur und Auswirkung hätte eine Lastenausgleichsabgabe. Mit dieser würde nicht eine wiederkehrende Besteuerung der Vermögenssubstanz, sondern grundsätzlich eine einmalige Belastung vom Vermögen bewirkt. Mit dem Ausgleichsabgabengesetz führte Deutschland in 1952 bereits einmal eine Lastenausgleichsabgabe ein. Die betreffende Ausgleichsabgabe konnte insgesamt auf 30 Jahre erstreckt werden, sodass eine jährliche Belastung durch die Ausgleichsabgabe unter 2 % des zu besteuernden Vermögens pro Jahr lag. Ob eine solche Lastenausgleichsabgabe in heutiger Zeit wirtschaftlich sinnvoll und politisch durchsetzbar wäre, ist unklar. Die Durchsetzbarkeit einer Ausgleichsabgabe wird sicherlich auch davon abhängen, wie die wirtschaftliche Entwicklung und die künftige politische Landschaft in Deutschland und in der EU aussehen werden.

Mögliche Ausgestaltung der Vermögensteuer

Das deutsche Vermögensteuergesetz, das vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1995 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, GG) in Teilen für verfassungswidrig erklärt worden ist, belastete das Immobilienvermögen und andere Vermögensarten unterschiedlich. Ab dem Veranlagungszeitraum 1997 wird das Vermögensteuergesetz in Deutschland deshalb nicht mehr angewendet. Ob dieses Gesetz ohne eine tiefgreifende Reformierung wieder in Kraft gesetzt werden könnte, ist unwahrscheinlich. Auch würde die Wiedereinführung des Vermögensteuergesetzes, wie dieses vor 1995 bzw. 1997 angewendet worden ist, nur unwesentlich zu einer Sanierung der Staatsfinanzen beitragen. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Einnahmen aus der Vermögensteuer und der Verwaltungsaufwand für diese Steuer in einem unverhältnismäßigen Aufwand zueinander standen und der Nettoertrag aus der Vermögensteuer im Vergleich zu anderen Steuerarten in Deutschland 1995 bzw. 1997 kaum ins Gewicht fiel.

Sollte eine Vermögensteuer in Deutschland wieder eingeführt werden, würde diese ausgehend von den zwingenden verfassungsrechtlichen Anforderungen zu einem großen Teil wahrscheinlich anders strukturiert, als die „alte“ Vermögensteuer in Deutschland, die vor 1995 bzw. 1997 angewendet wurde. So müsste die neue Vermögensteuer konform mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG), der Förderung der Ehe und Familie (Art. 6 GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) ausgestaltet werden. Diese zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes würden wahrscheinlich eine unterschiedlich hohe sowie progressive Steuerbelastung von kleinen, mittleren und großen Vermögen erzwingen und im Übrigen komplexe Methoden der Bewertung der Vermögenssubstanz zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer erforderlich machen. Das Gleiche gilt für die Freibeträge, die Steuerklassen sowie nicht zuletzt für den Verwaltungsvollzug der Vermögensteuer, auch all das müsste wahrscheinlich grundlegend reformiert werden.

Die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für die Regelung der Vermögensteuer vom Bund auf die Länder könnte dazu genutzt werden, wirtschaftlich schwache Regionen mit den Mitteln des Steuerrechts zusätzlich zu fördern. So könnten sich manche Bundesländer bewusst für eine attraktive Vermögensteuer entscheiden, die eine Niederlassung von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen begünstigt. Auch könnten die Bundesländer durch unterschiedliche Ausgestaltungen der Vermögensteuergesetze den Steuerwettbewerb in der Bundesrepublik stärken. Ein Vergleich mit anderen Staaten zeigt, dass die Übertragung der Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet des Steuerrechts vom Zentralstaat auf die Gliedstaaten nicht nur keine negativen Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung des betreffenden Landes zeigt, sondern starke Anreize für das Wirtschaftswachstum sowohl in den Gliedstaaten als auch insgesamt im Bundesstaat generieren kann. Ein Beispiel für eine solche gelungene starke Stellung von Gliedstaaten in einem föderativen Staat ist die Schweiz, in der den Kantonen die Gesetzgebungskompetenz nicht nur auf dem Gebiet der Vermögensteuer, sondern auch der kantonalen Ertragsteuer zukommt und die vom Steuerwettbewerb der einzelnen Kantone innerstaatlich und international profitiert.

Vermögensteuer und die Ärztinnen und Ärzte

Welche Auswirkungen eine mögliche künftige Vermögensteuer auf die Ärztinnen und Ärzte haben könnte, hängt maßgeblich von der rechtlichen Ausgestaltung der betreffenden Steuer ab. Würde die betreffende Vermögensteuer das unproduktive Privatvermögen eher stärker als das produktive Betriebsvermögen belasten, wäre die Vermögenssubstanz, die sich zum Beispiel in privat genutzten oder fremd vermieteten Immobilien akkumuliert hat, höher besteuert. Das Gleiche würde wahrscheinlich für das Kapitalvermögen gelten, soweit dieses nicht betrieblich verwendet wird. Aber auch das betrieblich genutzte Kapitalvermögen könnte stärker mit der Vermögensteuer belastet werden, wenn dieses als unproduktives Verwaltungsvermögen oder als passives Finanzvermögen eingeordnet werden würde. Hier drängen sich gewisse Parallelen bzw. Vergleiche zur Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer auf, welche eine gewisse Präzedenz- oder Vorbildwirkung auf eine mögliche künftige Vermögensteuer entfalten könnten. Ferner wäre es unklar, inwiefern größere Investitionen, zum Beispiel in die Praxiseinrichtung, in die Fortbildung der Praxisinhaber und der Mitarbeiter, bei der Bemessung der Vermögensteuer berücksichtigt werden könnten.

Bei Ärztinnen und Ärzten könnten sich bestimmte Vorteile, die als solche nach der überwiegenden Meinung kein selbstständiges Wirtschaftsgut darstellen, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer auswirken. Zu erwähnen ist hier zum Beispiel die Zulassung als Vertragsärztin oder Vertragsarzt im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar kann die betreffende Zulassung rechtlich nicht isoliert veräußert werden, gleichwohl wirkt sie sich werterhöhend auf die Bewertung einer Arztpraxis aus. Das Gleiche gilt für einen großen Patientenstamm, den Sitz einer Arztpraxis in einem attraktiven Gebiet, für besondere Qualifikationen von Praxisinhabern etc. Es wird ausgesprochen schwierig sein, diese und weitere Vorteile bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer adäquat zu berücksichtigen. Ferner könnte das Abstellen auf die voraussichtlichen künftigen Erträge einer Arztpraxis bei der Berechnung der betreffenden Bemessungsgrundlage die etablierten und ertragsstarken Arztpraxen tendenziell benachteiligen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass solche Arztpraxen auch bei anderen Steuerarten, z. B. aufgrund höherer Einkünfte bei der Ertragsbesteuerung sowie höherem Vermögen bei der Erbschaftsteuer, stärker belastet werden.

Das wirft auch ein weiteres Problem auf: Es ist gegenwärtig nicht absehbar, ob bzw. inwiefern die mögliche künftige Vermögensteuer die anderweitige Steuerbelastung der Vermögensteuerpflichtigen berücksichtigen wird. Verfassungsrechtlich wird die Berücksichtigung der anderen Steuern bei der Berechnung und Bemessung der Vermögensteuer umso gebotener erscheinen, je stärker die Vermögensteuer die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen beeinträchtigen und je größer die Bedeutung der Vermögensteuer im System der Steuerarten sein wird. Ein Weg wäre hier die vollständige oder teilweise Anrechnung der Vermögensteuer auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer der Vermögensteuerpflichtigen. Ein anderer Weg könnte sein, die Einkommen- und die Körperschaftsteuer um die festgesetzte und gezahlte Vermögensteuer zu reduzieren.

Ein weiteres schwieriges Problemfeld ist das Verhältnis der Erbschaftssteuer zur möglichen künftigen Vermögensteuer. Beide Steuern greifen auf die Vermögenssubstanz eines Steuerpflichtigen zu: Die Erbschaftssteuer auf die Bereicherung der Erben nach dem Erbfall, die Vermögensteuer auf die Vermögenssubstanz eines Steuerpflichtigen ohne den Übergang des Vermögens auf einen anderen Rechtsträger. Gleichwohl bestehen zwischen diesen beiden Steuerarten gewichtige Unterschiede: Während die Erbschaftsteuer den Vermögensübergang auf die nächste Generation erfasst und in der Regel nur einmal pro Generation zu zahlen ist, greift die Vermögensteuer jährlich auf die Vermögenssubstanz eines Steuerpflichtigen zu. Diese beiden unterschiedlichen Steuersysteme aufeinander anzupassen, wird nicht leicht sein. Auf der anderen Seite wird eine gegenseitige Anpassung der beiden Steuerarten wahrscheinlich geboten sein, da beide Steuern auf die gleiche Vermögenssubstanz zugreifen.

 

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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