Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
FAQ & Glossar
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Was ist der ärztliche Orientierungswert? Definition und Bedeutung

Der Orientierungswert ist der zentrale Vergütungsfaktor im deutschen GKV-System, der als Multiplikator für die im EBM festgelegten Punktwerte dient. Als bundeseinheitlicher Eurobetrag pro Punkt bestimmt er maßgeblich, wie viel Geld Vertragsärzte für ambulante Leistungen erhalten.

Gesetzliche Grundlage des Orientierungswerts nach § 87 SGB V

Die rechtliche Verankerung findet sich in § 87 Abs. 2e SGB V, wonach der Bewertungsausschuss jährlich bis zum 31. August über die Anpassung entscheidet. Diese tritt dann zum 1. Januar des Folgejahres in Kraft und beeinflusst die gesamte vertragsärztliche Vergütung.

Berechnung des Orientierungswerts: So wird der EBM-Punktwert ermittelt

Die Berechnungsformel für EBM-Leistungen lautet: Vergütung in Euro = Punktzahl der Leistung × Orientierungswert in Euro/Punkt

Es gibt eine jährliche Anpassung, bei der folgende Punkte berücksichtigt werden sollen:

  • Praxiskosten-Entwicklung (Betriebskosten, Mieten, Energie)

  • Inflationsrate und allgemeine Kostensteigerungen

  • Entwicklung der Gehälter für medizinisches Fachpersonal

  • Veränderungen in Leistungsanforderungen und Patientenstruktur

Orientierungswert-Verhandlungen: KBV vs. GKV-Spitzenverband

Der Verhandlungsprozess findet jährlich zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband statt. Bei Nichteinigung entscheidet der Erweiterte Bewertungsausschuss mit neutralem Vorsitz – ein Prozess, der regelmäßig unter hoher Aufmerksamkeit der Ärzteschaft steht.

Auswirkungen des Orientierungswerts auf die Praxisvergütung

Der Orientierungswert beeinflusst direkt und indirekt:

  1. Honorarhöhe: Die unmittelbare Vergütung ärztlicher Leistungen

  2. Praxiswirtschaftlichkeit: Die finanzielle Tragfähigkeit ambulanter Einrichtungen

  3. Versorgungsplanung: Investitionsentscheidungen und Praxisausrichtung

  4. Regionale Versorgung: Basis für regionale Vergütungsunterschiede durch Zu- und Abschläge

Unterschied: Orientierungswert EBM vs. GOÄ-Vergütung im Vergleich

Der ärztliche Orientierungswert gilt ausschließlich für GKV-Patienten und unterscheidet sich grundlegend von:

  • Der privatärztlichen Vergütung nach GOÄ mit eigenen Steigerungsfaktoren

  • Selektivvertraglichen Vergütungsmodellen nach § 73b/c SGB V

  • DRG-basierten Vergütungen im stationären Bereich

Orientierungswert im Gesamtsystem: Zusammenspiel mit anderen Vergütungsfaktoren

Im komplexen GKV-Vergütungssystem interagiert der Orientierungswert mit:

  • Regelleistungsvolumina (RLV) und Quotierungsmechanismen

  • Qualitätszuschlägen und Sonderregelungen

  • Morbiditätsorientierter Gesamtvergütung (MGV)

  • Regionalen Anpassungsfaktoren

Gesundheitspolitische Bedeutung des Orientierungswerts für das GKV-System

Die jährliche Anpassung stellt einen gesundheitsökonomischen Balanceakt dar zwischen:

  • Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen ambulanten Versorgung

  • Gewährleistung der Beitragssatzstabilität für Versicherte

  • Anpassung an wirtschaftliche Entwicklungen und Kostensteigerungen

  • Steuerung der ambulanten Versorgungskapazitäten

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