BARMER-Arzneimittelreport 2018: Mehr Ausgaben, mehr Risiken
A&W RedaktionLaut aktueller Analyse der BARMER hat jeder fünfte Bundesbürger im Jahr 2016 fünf oder mehr Arzneimittel eingenommen. Das hat nicht nur steigende Arzneimittelausgaben, sondern auch erhöhte Risiken für die Patienten zur Folge.
Arzneimittelausgaben:
Die Arzneimittelausgaben sind im Jahr 2017 um vier Prozent pro Versicherten im Vergleich zum Jahr 2016 gestiegen. Von 2015 zu 2016 betrug der Ausgabenanstieg pro Versicherten 5,2 Prozent. Der Anstieg ist bei weiblichen Versicherten mit 4,3 Prozent größer als bei männlichen, bei denen die Ausgaben um 3,6 Prozent gestiegen sind. Der Anstieg der Arzneimittelausgaben ist zu etwa 85 Prozent auf eine Kostensteigerung und nur zu 15 Prozent auf eine zahlenmäßige Steigerung verordneter Arzneimittel zurückzuführen (im Report Seite 24). Die Ausgaben für Arzneimittel (einschließlich Rezepturen) lagen im Jahr 2017 für weibliche BARMER-Versicherte bei 661 Euro, für Männer bei 612 Euro. Das ergibt Durchschnittsausgaben von 640 Euro (Seite 25). In den Jahren 2010 bis 2017 sind die Ausgaben für Fertigarzneimittel (ohne Rezepturen) um 24,6 Prozent gestiegen, von 3,89 Milliarden Euro auf 4,83 Milliarden Euro (Seite 26).
Konzentrationseffekt:
Der Effekt, dass eine immer kleinere Gruppe von Versicherten die Hälfte aller Arzneimittelausgaben auf sich konzentriert, verstärkt sich weiter. Während diese Gruppe im Jahr 2010 noch 4,56 Prozent aller Versicherten umfasste, waren es im Jahr 2017 nur noch 2,7 Prozent. Berücksichtigt man auch die Rezepturen, sind es sogar nur 1,9 Prozent. Für ein Prozent aller Versicherten werden 40 Prozent aller Arzneimittelausgaben benötigt. Verursacht wird dieser Trend durch neue hochpreisige Arzneimittel, deren Kosten pro Jahr und Patient häufig über 100.000 Euro liegt.
Regionale Verteilung:
Betrachtet man die Ausgaben für die Arzneimitteltherapie, so zeigen sich Unterschiede von mehr als 25 Prozent bezüglich der durchschnittlichen Kosten einer Tagesdosis (DDD). Die Gesamtausgaben pro Versicherten ergeben sich bei kombinierter Betrachtung von Kosten pro DDD und Anzahl verordneter Tagesdosen pro Versicherten. Dass pro Versicherten in Sachsen 69 Prozent mehr für Arzneimittel ausgegeben werden als in Bremen, ist im Wesentlichen auf die unterschiedliche Altersstruktur der BARMER-Versicherten in den Regionen zurückzuführen. In absoluten Zahlen lagen die Ausgaben in Sachsen im Jahr 2017 bei 816 Euro, in Bremen bei 483 Euro.
Sicherheitslücken bei der Therapie
Einer der Gründe für den Ausgabenanstieg: Immer mehr Menschen leiden an mindestens drei chronischen Erkrankungen und erhalten entsprechend viele Medikamente. Dabei gelingt der Schutz vor vermeidbaren Risiken in der Arzneimitteltherapie den Reportergebnissen zufolge nicht immer. Jeder vierte BARMER-Versicherte ab 65 Jahren erhielt im Jahr 2016 ein von Experten nicht für diese Altersgruppe empfohlenes Arzneimittel (25,9 Prozent). Allein mehr als 1.400 BARMER-Versicherte erhielten das Mittel, obwohl es bei diesen Patienten wegen gleichzeitig stark eingeschränkter Nierenfunktion nicht eingesetzt werden dürfte.
Die BARMER habe, so Grandt, zur Unterstützung der Ärzte daher zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe eine neue Versorgungsform entwickelt, die diese Probleme lösen könne. Mit AdAM, kurz für „Anwendung für digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management“, ließen sich vermeidbare Risiken besser erkennen. Hausärzte erhalten Daten zur Arzneimitteltherapie, die Verordnungen aller Ärzte umfassen. Somit würde die Übersicht deutlich erleichtert. Zusätzlich erhalte der Arzt Hinweise auf potenziell vermeidbare Risiken der Therapie, um für seine Patienten die richtige und sicherste Therapie festzulegen. Ziel sei es, so Grandt, das Projekt in die Regelversorgung zu übernehmen, damit mehr als 20 Millionen Polypharmazie-Patienten davon profitieren können. AdAM wird mit circa 16 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert.