Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Als der legendäre Hit der Spider Murphy Gang „Skandal im Sperrbezirk“ erstmal in den deutschen Radios lief, fand auch die Geburtsstunde der GOÄ statt. Lange ist es her, man schrieb das Jahr 1982. Seitdem ist bezüglich der GOÄ wenig passiert – bis auf eine teilweise Novellierung vor gut 28 Jahren. Während sich der durchschnittliche Bruttoverdienst eines Vollzeitbeschäftigten von 2.683 D-Mark (entsprechen 1.371,80 Euro) von 1982 bis 2023 auf 4.479 Euro erhöht hat, kämpft man in der GOÄ bis heute mit völlig veralteten oder inzwischen gar fehlenden Bewertungsgrundlagen für die Honorierung ärztlicher Privatleistungen. Denn das Gebührenwerk bildet weder den medizinischen Fortschritt noch die Kosten- und Preisentwicklung ab - im Gegensatz zum EBM. Denn der Euro-Preis der EBM-Leistungen wird auf Grundlage des sogenannten Orientierungswerts in Euro jährlich neu von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den gesetzlichen Krankenkassen regional vereinbart. Demzufolge wird der Orientierungswert jedes Jahr entsprechend angehoben.

Nachdem die Ärzteschaft seit Jahrzehnten (!) eine neue GOÄ gefordert hatte, ist es nun fast kaum zu glauben, dass es so weit sein soll. Denn die Bundesärztekammer (BÄK) stimmte mit dem PKV-Verband und der Beihilfe die neue GOÄ (GOÄneu) ab und einigte sich auf eine neue Struktur und Preise für die ärztlichen Leistungen. Diesen Entwurf legte die BÄK am 11. September 2024 den rund 165 Fachverbänden vor. Geplant war, dass diese zwei Wochen Zeit für eine Stellungnahme hätten, damit die GOÄneu dann am 9. Oktober 2024 der Öffentlichkeit vorgestellt werden könne.

Doch dieser straffe Zeitplan führte zum ersten Unmut. So monierte zum Beispiel der Berufsverband der Deutschen Urologie, dass die Frist viel zu knapp bemessen sei. Für die Erarbeitung von betriebswirtschaftlichen Beispielrechnungen sei ein größerer Zeitaufwand notwendig, als ursprünglich von der BÄK eingeräumt worden sei.

Tatsächlich ruderte die BÄK zurück und leitete ein Clearingverfahren ein. Die ärztlichen Verbände und Fachgesellschaften haben nun bis zum Ärztetag im Mai 2025 Zeit, den Entwurf gründlich zu prüfen. Die GOÄneu könnte damit ein wichtiges Thema beim nächsten Ärztetag werden. Allerdings ist nun auch wieder ungewiss, wann die GOÄneu eingeführt wird. Denn diese muss nach einem Konsens innerhalb der Ärzteschaft noch vom Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesrat verabschiedet werden. Fraglich ist, wann das nach dem Bruch der Ampel und vermutlichen Neuwahlen im März auf der politischen Agenda stehen wird.

Was sich in der neuen GOÄ ändert

 

Auch wenn der Entwurf noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, sind einige grundsätzliche Änderungen bekannt. Das neue Gebührenverzeichnis umfasst 5.500 Positionen. Zudem erhält jede Leistung einen festen Preis, damit die umständliche und angreifbare Analogberechnung obsolet wird. Allerdings sollen auch die individuellen Steigerungsfaktoren wegfallen – niedergelassene Ärztinnen und Ärzte können also nicht mehr bei besonders aufwendigen Leistungen den 2,3- oder 3,5-fachen Steigerungsfaktor ansetzen. Nur bei komplexen Fällen soll es eine Ergänzung mit medizinisch begründeten Zuschlägen geben. Zudem sind auch Kinderzuschläge geplant, damit die zeitintensivere, kindgerechte Diagnostik finanziell adäquater abgebildet wird. Diese Neuerung würde dann allen Facharztgruppen zugute kommen.

Warum die GOÄneu zum Zankapfel wird

Eine grundsätzliche Änderung kommt allerdings nicht allen Facharztgruppen zugute. Denn in dem neuen Gebührenverzeichnis wird prinzipiell die sprechende Medizin aufgewertet, während die diagnostische Medizin abgewertet wird. Die Reaktionen darauf sind wenig überraschend. Fachgruppen mit geräte- und diagnostikintensiven Schwerpunkten äußerten bereits scharfe Kritik an dem Entwurf. So stimmten beispielsweise der Berufsverband der Deutschen Urologen und der Berufsverband der Frauenärzte nicht zu und fordern eine Überarbeitung. Der Berufsverband der Frauenärzte etwa geht nach ersten Einschätzungen von einem Minus zwischen 12 und 48 Prozent für die Gynäkologinnen und Gynäkologen aus. Ähnliche Befürchtungen äußerten der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie, der Berufsverband der Radiologie sowie der Berufsverband Deutscher Pathologinnen und Pathologen.

Während die technischen Fächer hohe finanzielle Einbußen befürchten, zeigten sich der Hausärztinnen- und Hausärzteverband sowie der Berufsverband der Kinder und Jugendärzt*innen (BVKJ) zufrieden. „Die tiefergehende Prüfung des Entwurfs hat unseren ersten Eindruck bestätigt: Die neue GOÄ würde die sprechende Medizin und damit auch die hausärztliche Versorgung spürbar stärken“, sagt der Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands Dr. Markus Beier. „Natürlich gibt es Punkte, die wir uns anders gewünscht hätten. Unterm Strich gilt aber: Die Bundesärztekammer und ihr Präsident haben unter schwierigen Bedingungen einen guten Kompromiss gefunden. Diese Chance sollte die Ärzteschaft auf keinen Fall verstreichen lassen. Ansonsten ist zu befürchten, dass die Novellierung der GOÄ in unerreichbare Ferne rückt.“

Der Auffassung schließt sich sein Kollege vom BVKJ an. „Wir begrüßen, dass nach bald 30 Jahren eine Einigung auf eine neue GOÄ erzielt werden konnte, die sowohl den medizinischen Fortschritt als auch die patientenzentrierte, gesprächsbasierte Medizin besser abbildet“, ergänzt BVKJ-Präsident Dr. Michael Hubmann. „Ein Kritikpunkt aus Sicht von Kindern und Jugendlichen bleibt, dass der Kinderzuschlag, der die aufwendigere, kindgerechte Diagnostik und Behandlung abdecken soll, nur einmal pro Konsultation gewährt werden soll. Wir befürchten, dass so Kinder mit ihren besonderen Bedürfnissen, bei allen Fachgruppen, hinter wirtschaftlichen Zwängen zurückstehen müssen.“

Honorarvolumen steigt um rund 13 Prozent

Betrachtet man das gesamte Honorarvolumen, soll es für die Ärztinnen und Ärzte eine deutliche Erhöhung geben. Denn der PKV-Verband und die Beihilfestellen stimmten zu, dass in den ersten drei Jahren ab Inkrafttreten des neuen Gebührenwerks eine Ausgabensteigerung von 13,2 Prozent stattfinden wird. Dies wäre ein Volumen von rund 1,9 Milliarden Euro. Die Anhebung soll in diesen drei Jahren stufenweise vollzogen werden, damit die Auswirkungen genau analysiert werden können. Ziel ist, dass das Bundesgesundheitsministerium als Verordnungsgeber rechtzeitig reagieren kann, falls es zu Überschreitungen oder Unterschreitungen gegenüber der prognostizierten Entwicklung kommt. Sicher hingegen ist schon jetzt, dass es noch viele Diskussionen geben wird, bis die GOÄneu überhaupt in Kraft treten wird.

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An der neuen GOÄ wird schon viel zu lange herumgepuzzelt
Seit Jahren wird an der neuen GOÄ herumgepuzzelt, die letzte Änderung gab es vor der Jahrtausendwende. Wenn man korrekt abrechnet, was ich natürlich mache, verdiene ich mit Kassenpatienten mehr als mit Privatpatienten. Denn die Kassen vollziehen eine Inflationsanpassung. Der EBM hat sich weiterentwickelt, die GOÄ nicht. Meine Angestellten bezahle ich tarifkonform. Aktuell plane ich eine 12,5-prozentige Erhöhung. Im Vergleich dazu ist es ein Witz, dass die Honoraranpassung in der GOÄ vor knapp 30 Jahren war.
Dr. med. Jörg Lohse, Hausarzt aus Münsing

Ich begrüße die Stärkung der sprechenden Medizin
Die sprechende Medizin ist das Wichtigste. Trotzdem werden Hausärzte bisher bei der Vergütung ganz unten angesetzt. Die höchste Vergütung erhalten Laborärzte und Radiologen, bei denen es vor allem um technische Leistungen geht. Dabei ist Zuhören ein wichtiger Teil der Therapie, dann kann man Technik sparen. Daher begrüße ich die neue GOÄ mit der Absenkung von technischen Leistungen und der besseren Vergütung von sprechender Medizin.
Dr. med. Jester Heine, Hausärztin aus Leipzig

Ich wünsche mir eine Honorarerhöhung für die Leistungen
Seit Jahren wird über eine GOÄ-Reform diskutiert, aber nichts beschlossen. Neue Untersuchungen ergaben, dass extra Ziffern notwendig wären, nicht nur Analogziffern. Auch die Preise für Leistungen sind seit knapp 30 Jahren die gleichen. Ich wünsche mir entsprechend der Inflation eine Anpassung.
Dr. med. Paintner, Hausarzt aus Bruckberg