Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Über 25 Jahre war Margot G. die gute Seele der Allgemeinarztpraxis in einer nordbayerischen Kleinstadt. Dann erkrankte die MFA an Brustkrebs – und fiel für mehrere Monate aus. Der Schock bei allen Beteiligten war groß. Zu der Sorge um die geschätzte Kollegin gesellten sich aber schnell auch ganz handfeste Probleme im Alltag. Denn Margot G. war nicht nur die gute Seele der Praxis. Ihr temporärer Weggang zeigte auch, dass sie über die Jahre in der Praxis viel exklusives Wissen angehäuft hatte, das den zurückgebliebenen MFA nun fehlte – sei es im Umgang mit Patienten oder beim Wissen um den richtigen Ansprechpartner bei Softwareproblemen.

Dieses Phänomen des sogenannten Inselwissens ist in Arztpraxen weitverbreitet – und wird durch den grassierenden Personalnotstand sogar noch befeuert. Dass eine gewisse Berufserfahrung zwangsläufig dazu führt, dass langjährige Mitarbeiter einen Wissensvorsprung vor den jüngeren Kollegen haben, ist zwar normal. Problematisch wird es jedoch, wenn, wie so oft, die Hektik des Praxisalltags ein strukturiertes Wissensmanagement innerhalb des Teams verhindert – ob im Bereich der IT, des Qualitätsmanagements oder mit Blick auf bestimmte Erfahrungswerte.

Gefahren des Inselwissens für das Praxisteam

Die Folgen sind, wie das Beispiel von Margot G. belegt, nicht nur für das Praxisteam, sondern auch für die Patienten unerfreulich. Viele Prozesse können durch den plötzlich auftretenden Wissensverlust länger dauern. Im schlimmsten Fall sind sogar Störungen oder Fehler während der Behandlung möglich. Praxischefs haben daher ein vitales Interesse daran, sogenanntes Inselwissen in strukturiertes Praxiswissen umwandeln. Doch wie kann das gelingen?

Wichtig für einen effizienten Wissenstransfer ist zunächst ein offener Umgang miteinander. Damit jeder Mitarbeiter vom Wissen der Kollegen profitieren kann, müssen alle bereit sein, sich an dem Projekt zu beteiligen. Am Anfang des Prozesses steht dabei eine eingehende Analyse der Risiken, die sich durch Inselwissen beziehungsweise dessen Wegfall ergeben.

Schwachstellen in der Mitarbeiterkommunikation analysieren

Ein erster Schritt kann es dabei sein, sich die Schnittstellen in der Praxis genauer anzusehen und zu analysieren, wo es regelmäßig zu Reibungsverlusten und Kommunikationsproblemen kommt. Klassiker ist der Übergang zwischen Empfang und Sprechzimmer. Oder dem Sprechzimmer und der Abrechnung. Sind erst einmal die Probleme offengelegt, sollte das gesamte Team überlegen, wie sich reibungslose Abläufe sicherstellen lassen, und idealerweise praxistaugliche Checklisten entwickeln.

Sinnvoll kann es zudem sein, gewisse Worst-Case-Szenarien durchzuspielen – vom IT-Absturz über eine Datenpanne bis zum längerfristigen Ausfall einzelner Kollegen. Stellt sich dabei heraus, dass manche Kollegen über wertvolle Exklusivkenntnisse verfügen, ist der erste Ansatzpunkt für den Wissenstransfer bereits gefunden. Zwar kann in keinem Team jeder alles können. Mit einem klugen Plan lässt sich jedoch sicherstellen, dass unerwartete Personalengpässe den Praxisablauf nicht über Gebühr belasten.

Einzelwissen der Mitarbeiter für alle verfügbar halten

Wichtig ist beim Thema Wissenstransfer auch, dass einer oder eine im Team den Hut aufhat. Das kann zum Beispiel der oder die QM-Beauftragte oder die Praxismanagerin sein. Er oder sie sollte regelmäßig – zusammen mit dem Team – überlegen, wie sich vorhandenes Wissen aktuell halten und für alle zugänglich machen lässt.

Bewährt hat es sich zum Beispiel, auf dem Praxislaufwerk eine bestimmte Ordnerstruktur anzulegen und die darin gesammelten Dokumente regelmäßig zu überprüfen oder zu ergänzen. Dieser Ordner sollte auch wichtige Checklisten, Unterlagen für Mitarbeiterunterweisungen, Hygieneanweisungen et cetera enthalten. Sinnvoll sind auch regelmäßige praxisinterne Workshops, in denen etwa MFA, die eine Fortbildung besucht haben, ihre neuen Kenntnisse mit den Kollegen teilen.

Weitere Formate für Wissenstransfer können sein:

  • Teambesprechungen: Wer Verbesserungsvorschläge mit der Belegschaft diskutiert und umsetzt, bezieht alle mit ein und erhöht zudem das Gemeinschaftsgefühl.
  • Fehlermanagement: Wichtige Informationen kommen nicht immer an? Reden Sie darüber und suchen Sie Wege für Verbesserungen.
  • Generationenvertrag: Erfahrene Kollegen helfen jüngeren, im Beruf Fuß zu fassen. Praxischefs und -chefinnen können diese Instrumente gar nicht hoch genug bewerten und sollten daher gezielt die Voraussetzungen für eine Kultur des regelmäßigen Wissensaustauschs schaffen. Regelmäßige Teambesprechungen, aber auch Brainstormings zu etwaigen Verbesserungen lassen sich dafür hervorragend nutzen und bewirken ganz nebenbei, dass sich Mitarbeitende auch verstärkt beachtet und wertgeschätzt fühlen.
  • Praxis-Datenbank anlegen
    Besonders effizient und gerade für jüngere Mitarbeiter interessant ist es außerdem, wenn aktuelle Entwicklungen nicht nur mündlich oder in der etablierten Ordnerstruktur kommuniziert und dokumentiert werden, sondern auch digital. Ideal ist es, die Ergebnisse von Teambesprechungen, aber auch neue Vorgaben, Studien oder Fortbildungsergebnisse in einer Art Praxis-Wiki abzulegen. Das erlaubt es allen Mitarbeitern, jederzeit auf das vollständige relevante Praxiswissen zuzugreifen – inklusive wichtiger Notfallpläne und Checklisten.

Ein solches Intranet braucht zwar regelmäßige Pflege und ist sicher nicht die günstigste Lösung. Gerade in größeren Praxen bietet sich eine solche Mitarbeiterplattform aber an, da alle nötigen Informationen für alle Beschäftigten schnell und von überall abrufbar sind und so eine transparente und einheitliche Kommunikation in der Praxis oder im MVZ erreicht wird.