Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Der Ärztemangel spitzt sich zu. Besonders im ambulanten Bereich spüren viele ältere Kolleginnen und Kollegen bereits die gravierenden Auswirkungen und finden keinen Nachfolger für ihre Praxis. Für die finanzielle Lebensplanung ist diese Entwicklung eine Katastrophe, denn der Erlös aus dem Praxisverkauf ist häufig als feste Säule der Altersvorsorge eingeplant. Zusätzlich zum Ärztemangel will sich die nachkommende Ärztegeneration auch viel seltener niederlassen. Die Zahlen der aktuellen Ärztestatistik der Bundesärztekammer zeigen es deutlich: Während 1996 im ambulanten Bereich nur 6.900 angestellte Ärztinnen und Ärzte arbeiteten, waren es 2018 schon 39.816. Warum sich vor allem im hausärztlichen Bereich immer weniger Ärzte mit einer eigenen Praxis niederlassen wollen, eruierte nun eine Querschnittsstudie des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Lübeck, die beim 53. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in Erlangen vorgestellt wurde.

Das finanzielle Risiko der Arztpraxis

Eine Niederlassungsbarriere, die von jungen Medizinern in der Weiterbildung oft genannt wird, ist das vermutete hohe finanzielle Risiko einer eigenen Arztpraxis. Daher war es das Ziel der Studie, das Investitionsverhalten und das wirtschaftliche Verständnis von Hausärzten zu explorieren, um Inhalte für zukünftige Lehrveranstaltungen für Ärzte in Weiterbildung zu konzipieren. Entsprechende Fragebögen wurden an 1.992 Hausärzte in ganz Deutschland versendet. Die Datenanalyse war deskriptiv. Die Rücklaufquote belief sich auf 25 Prozent. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag bei 56 Jahren, 47 Prozent waren weiblich.

Die Auswertung der 491 Fragebögen zeichnet ein klares Bild: Ärztinnen und Ärzte, die sich niederlassen, haben kein ausreichendes wirtschaftliches Verständnis. Sie zeigen ein eher reaktives Verhalten und suchen sich vor dem Erwerb einer eigenen Praxis keine professionelle Unterstützung, die es an sich mit vielen Beratungsangeboten von Kassenärztlichen Vereinigungen, Berufsverbänden, Banken oder privaten Anbietern geben würde. Auffallend war auch, dass betriebswirtschaftliche Wissensgrundlagen zur Unternehmensführung beim Nachwuchs kaum vorhanden waren.

Solide Finanzplanung findet selten statt

Die Ergebnisse im Detail verdeutlichen, dass 60 Prozent aller Teilnehmer erst ein wirtschaftliches Verständnis entwickelten, nachdem sie sich niedergelassen hatten. Bei sieben Prozent blieb dies aber auch nach dem Erwerb einer Arztpraxis defizitär. Die Mehrheit (65 Prozent) nutzte zudem keinen Investitionsplan für ihre Praxis. Das heißt, sie legten keine Aufstellung der geplanten Investitionen für einen bestimmten Zeitraum fest, die in ihre Arztpraxis fließen sollten. Betriebswirtschaftlich gesehen sollte aber ein Investitionsplan zusammen mit dem Betriebsmittelplan, in dem die laufenden Kosten einer Arztpraxis erfasst werden, in die Kapitalbedarfsplanung miteingehen. Der Kapitalbedarfsplan wiederum ist Teil der Finanzplanung. 35 Prozent der Befragten, die über einen Investitionsplan verfügten, hatten diesen nur für ihre Bank erstellt. In die Investitionspläne bezogen lediglich vier von zehn Hausärzten Risikofaktoren und -management mit ein.

Studienleiter Ruben Zwierlein, der als Arzt in Weiterbildung in Erlangen diese Ergebnisse seiner Doktorarbeit präsentierte, ging auf den Aspekt Investitionen noch genauer ein. Denn überraschenderweise waren die Hauptgründe für Investitionen in die eigene Arztpraxis nicht monetärer Natur. So investierten Hausärzte vor allem nach dem Ausfall von Medizintechnik in ihre Praxis, aber auch um gesetzliche Anforderungen, Prozesse zur Entlastung des Personals oder auch ein besseres Erscheinungsbild der Praxis zu ermöglichen. Erst an siebter Stelle wurden ökonomische Gründe wie Gewinnsteigerung genannt.

Arztpraxen gehen so gut wie nie insolvent

Die Ergebnisse der Studie bestätigen die Ausgangsthese, dass eine wichtige Ursache für Niederlassungsbarrieren in betriebswirtschaftlichen Unsicherheiten des ärztlichen Nachwuchses liegt. Dies wirkt sich negativ auf die Bereitschaft aus, das Unternehmen Arztpraxis zu wagen. Studienleiter Zwierlein fordert daher, dass die Aus- und Weiterbildung angehender Hausärzte mehr Praxismanagementelemente enthalten sollte, damit sie dazu befähigt werden, eine Praxis nicht nur medizinisch, sondern auch unternehmerisch proaktiv zu führen.

Von den jungen Medizinerinnen und Medizinern werden die finanziellen Risiken einer selbstständigen Praxistätigkeit bisher noch als viel zu hoch eingeschätzt. Denn Insolvenzen kommen bei Arztpraxen kaum vor und wenn, liegen die Ursachen primär im privaten Bereich wie zum Beispiel aufgrund von Scheidungen. Hier beruhigen auch die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts: Im ersten Halbjahr 2019 meldeten nur fünf Arztpraxen für Allgemeinmedizin und vier Facharztpraxen Insolvenz an – bei insgesamt 117.472 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten.

A&W Kompakt

Phase 1: Frisch niedergelassen: Hier sollten Ärztinnen und Ärzte vor allem die Kosten im Blick behalten

Das A und O vor einer Niederlassung ist, die Kosten im Blick zu behalten. Denn zusätzlich zu den Ausgaben für den KV-Sitz und die Praxis kommen häufig weitere Ausgaben wie Renovierungskosten, Gestaltung der Website oder Anschaffung neuer medizinischer Geräte hinzu. Ist der erste Schritt geschafft, heißt es für die meisten Niedergelassenen erst einmal die Schulden abarbeiten, dennoch sollten dabei finanzielle Polster nicht vergessen werden. Hierbei lohnt es sich, früh an eine Altersvorsorge zu denken, entweder im klassischen Sinn mit verzinsten Anlagen oder risikofreudiger mit Fonds. Für Existenzgründer ist auch ein Kapital-Polster wichtig. 30 bis 40 Prozent des Gewinns sollten sie für die Steuer zurücklegen. Ein Beispiel: Ein Arzt macht sich 2016 erfolgreich selbstständig und gibt die erste Steuererklärung im September 2017 ab. Den Steuerbescheid erhält er Anfang 2018 – mit einer satten Nachzahlung für 2016 plus Vorauszahlungen für 2018 und 2019. In diesem „verflixten dritten Jahr“ bekommen Frischniedergelassene häufig Liquiditätsprobleme, wenn sie das nicht einkalkulieren. Auch sollten in dieser Lebensphase wichtige Risiken abgesichert werden – mit einer Privat- und Berufshaftpflicht, einer Berufsunfähigkeitsversicherung und zusätzlich zur Krankenversicherung, einer privaten Krankentagegeldversicherung, die notfalls das Einkommen des Praxisinhabers ersetzt.

Phase 2: In der Mitte des Berufslebens: Mit einer eigenen Praxis lassen sich Beruf und Familie besonders gut unter einen Hut bringen

Laut Bankexperten schaffen es die meisten Ärztinnen und Ärzte, ihre Praxis nach rund 15 Jahren abzuzahlen. Viele erfüllen sich in dieser Lebensphase auch den Wunsch nach einer Familie. Denn der große Vorteil einer eigenen Praxis ist auch die selbstständige Zeiteinteilung, die man als angestellter Arzt so nicht hat. Manche Praxisinhaber und -inhaberinnen passen ihre Sprechstunden einfach den Öffnungszeiten von Kita und Hort an, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. In diesem Lebensabschnitt realisieren viele auch den Erwerb eines Eigenheims. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich eine Immobilie nur bedingt als Altersvorsorge eignet. Auch wenn zurzeit steigende Preise den Immobilienmarkt bestimmen, kann sich dieser Trend auch wieder ändern. Spätestens in dieser Phase ist auch der Abschluss einer Risikolebensversicherung wichtig, um die Familie und die Finanzierung von Praxis sowie Immobilie abzusichern. Auch die Wahl der richtigen Krankenversicherung ist nun ein großes Thema. Sparen sollte man in dem Bereich eher nicht, von leistungsstarken Tarifen profitiert die ganze Familie.

Phase 3: Ruhestand in Sicht: Rechtzeitige Vorbereitung ist hier das Allerwichtigste

Wenn sich das Ende der Berufstätigkeit anbahnt, sollten Ärzte frühzeitig die Praxisabgabe planen. So kann die Übergabe ihres Lebenswerks in die richtigen Hände besser realisiert, aber auch die Betreuung der Patienten und die Zukunft des Personals abgesichert werden. Praxisinhaber sollten daher mindestens fünf Jahre vor dem Ruhestand mit der Planung beginnen. Findet sich früher ein Praxisnachfolger, besteht auch die Möglichkeit als angestellter Arzt in der ehemals eigenen Praxis weiter zu arbeiten. Praxisinhaber sollten auch prüfen, ob ihre Praxis in einem offenen oder gesperrten Planungsbereich liegt. Bei einem Offenen ist die Übergabe der Arztpraxis an einen Wunschnachfolger relativ pro­blemlos möglich. Bei einem gesperrten Planungsbereich sieht das allerdings anders aus. Hier muss ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden. Wer allerdings seinen Wunschnachfolger zuvor mit dem sogenannten Jobsharing-Modell bei sich anstellt, erhöht die Chancen, dass dieser beim Nachbesetzungsverfahren berücksichtigt wird. In dieser Phase lohnt es sich aber auch, nochmal Geld in die Hand zu nehmen, um die Praxis zu renovieren. Denn die raren Nachfolger werden sich im Zweifel für die optisch ansprechendere Praxis entscheiden.